








Die Niederlande sind wählerisch bei der Einwanderung, aber nicht so sehr bei der Organspende
Wer sich in dem Land niederlässt, wird gebeten, sich im Spenderegister eintragen zu lassen. Die Bitte erfolgt in zahlreichen Sprachen.
23.02.2021
Die Leber spielt in der Transplantationsmedizin eine wichtige Rolle. Sie kann bis ins hohe Alter entnommen werden. Anatomisches Modell einer menschlichen Leber.
Annick Ramp / NZZ
Ich trinke nicht viel Alkohol. Das macht mich in gewisser Weise attraktiv, jedenfalls meine Leber. Was soll ich damit machen, wenn ich tot bin? Das ist eine Frage, die ich mir nicht gern stelle; aber ich komme nicht darum herum. In der Post war ein Brief, persönlich an mich adressiert, der mich auffordert, ja zwingt, zu dieser Frage Stellung zu nehmen.
Der Brief kommt von der niederländischen Ministerin für Volksgesundheit, Wohlfahrt und Sport, Tamara van Ark. Ort der Handlung: Den Haag. Ganz oben, rot und fett gedruckt, steht: «Geben Sie noch heute Ihre eigene Entscheidung an». Nächste Zeile in kleinerem Druck: «betreffend Organ- und Gewebespende».
Wie andere Länder auch, haben die Niederlande ein Organspenderegister. Im Juli vorigen Jahres trat das neue Organspendegesetz in Kraft. Es bestimmt, dass alle Einwohner über 18 Jahre als Spendewillige in das Register aufgenommen werden, es sei denn, sie äussern sich explizit ablehnend. Der Brief der Ministerin soll dazu dienen, mir diese Möglichkeit zu bieten. Er lässt mir vier Optionen: 1. Ich will Spender werden; 2. Nein, ich will kein Spender werden; 3. Ich benenne eine Person, die nach meinem Ableben entscheidet; 4. Mein Partner oder meine Familie entscheidet nach meinem Ableben.
Dualismus von Leib und Seele
Weshalb die erste Option aufgeführt wird, ist nicht ganz ersichtlich, da man ja sowieso als potenzieller Spender ins Register aufgenommen wird, wenn man keinen Einspruch erhebt. Mehr als diese vier Optionen gibt es jedenfalls nicht. Was mich daran etwas irritiert, ist das Alles oder Nichts. Eine bedingte oder teilweise Spendenbereitschaft etwa kommt nicht infrage. Leber, ja, weil ich wenig trinke, aber Herz, nein, denn das ist ja nur für die Erwählte.
So absurd, wie das vielleicht klingt, ist es gar nicht. Mein Herzblut, das Herz aller Dinge, sich etwas zu Herzen nehmen oder es ausschütten und so viele andere Metaphern, die bis unlängst noch etwas bedeuteten: Sind sie auf dem Müllhaufen der Sprachgeschichte gelandet? Ist der eigene Körper in Gänze zum Ersatzteillager geworden? Das ist die wahre Verkörperung des westlichen Dualismus von Leib und Seele, den nicht jeder als Lebensphilosophie akzeptieren mag. Nun, man kann ja die Rückantwort ausfüllen und ablehnen. Wenn man das jedoch nicht tut, ist die Standardoption in jedem Fall die stillschweigende Zustimmung zur Organspende im Fall der Fälle. Daran zeigt sich, dass die niederländische Regierung in dieser Sache keine neutrale Stellung einnimmt, sondern dezidiert um Organspenden wirbt.
Organtransplantation ist das Ergebnis eines eindrucksvollen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts; aber nicht nur. Eine bestimmte, in einer kulturellen Tradition verwurzelte Geisteshaltung gehört auch dazu. Sie besagt, dass der Mensch lebt und auch stirbt mit seinem Gehirn, und dass der Körper nur ein Accessoire ist. Das ist zweifellos ein kulturelles Spezifikum.
Während ich darüber nachdenke, lässt der Brief der Gesundheitsministerin noch andere Überlegungen in meinem Kopf hochkommen. Spende bedeutet auch, dass ich dafür nicht entschädigt werde, weder für meine Leber noch für mein Herz (ausser vielleicht im Himmel). Die Niederlande sind so ziemlich das am meisten kommerziell ausgerichtete Land, das ich kenne. Alles hat einen materiellen Wert, und seine Haut kann, ja muss jeder zu Markte tragen, nicht aber Leber und Herz. Dass diese nur gespendet werden können, muss uneingeschränkt gut finden, wer schon einmal etwas von Organhandel und internationalem Transplantationstourismus gehört hat. Davon hält sich die niederländische Regierung glücklicherweise fern.
Ein Brief in vielen Sprachen
Eine internationale Dimension hat die Aktion des Gesundheitsministeriums in Den Haag freilich dennoch. Der Brief spricht mich persönlich an. Darin ist nicht von «Niederländerinnen und Niederländern» die Rede, sondern von «Menschen in den Niederlanden». Er richtet sich also an die Wohnbevölkerung, die somit auch in dem staatlichen Organspenderegister erfasst wird.
Das gilt nicht nur für EU-Bürger, die Niederlassungsfreiheit geniessen, sondern für alle «Menschen in den Niederlanden». Dass all diese Menschen die niederländische Sprache beherrschen, wird nicht erwartet. Der Brief der Ministerin klärt mich auf der Rückseite darüber auf, dass ich, falls ich ihn nicht lesen kann, eine Übersetzung unter www.donorregister.nl/deutsch finde oder /english oder /español oder /français oder /polski oder /turk oder /chinees. Auf diesen Webseiten findet man in der Tat die relevanten Informationen aus dem Brief in all diesen Sprachen. Warum nicht Maghrebinisch-Arabisch, Italienisch oder Griechisch, frage ich mich. Wie werden die Sprachen ausgewählt?
Da hierzulande Effizienz und Pragmatismus hohe Tugenden sind, darf man annehmen, dass sich das Ministerium die Mühe kaum nur aus symbolischen Gründen gemacht hat oder damit sich chinesisch- und polnischsprachige «Menschen in den Niederlanden» nicht diskriminiert fühlen. Die Chance, dass eine chinesischsprachige Leber gespendet wird, kann nicht so gering sein, dass sich der Aufwand nicht lohnt.
Die Mehrsprachigkeit des Aufrufs zur Spendenbereitschaft entspricht der Mehrsprachigkeit der Bevölkerung. Den Haag ist mehrheitlich eine Minderheitenstadt. So nennt man heute die immer zahlreicher werdenden Städte, in denen die einst einheimische Bevölkerung durch Zuwanderung in die Minderheit geraten ist. Jetzt sind eben auch andere einheimisch.
Der Anteil der gebürtigen Niederländer an der Bevölkerung Den Haags von rund 700 000 ist unter 50 Prozent gerutscht, während die Zahl der nichtwestlichen Zuwanderer stetig zugenommen hat. Sie kommen aus den ehemaligen niederländischen Kolonien Surinam und Indonesien wie auch aus anderen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas. Als Sitz der niederländischen Regierung ist Den Haag zudem eine weltoffene Stadt mit Botschaften und vielen internationalen Organisationen. Auf der Strasse hört man die unterschiedlichsten Sprachen. Restaurants, Gotteshäuser und Geschäfte verschiedener Provenienz sowie Menschen, deren Kleidung auf nichtniederländische Herkunft hindeutet, prägen das Stadtbild.
Einbürgerung einer Leber
Wer allerdings aus einem Land ausserhalb der EU in die Niederlande einwandern will, steht nach wie vor zunächst einmal vor einem administrativen Hürdenlauf, der bereits vor dem Grenzübertritt beginnt. In den letzten Jahren ist die Regulierung der Zuwanderung immer strenger geworden. Sie sieht einen Integrationstest vor, mit dem Kenntnisse der niederländischen Sprache und Gesellschaft geprüft werden. Material für das Selbststudium wird in den Botschaften zur Verfügung gestellt, aber die Kosten von 150 Euro müssen die Bewerber tragen.
Es ist beschwerlich, die niederländische Staatsangehörigkeit zu erwerben, das gilt auch für eine permanente Aufenthaltsgenehmigung. Demgegenüber haben es Lebern, Herzen und so weiter leicht. Mit anderen Worten, Organspender sind willkommen, einerlei, woher sie kommen, ob sie niederländisch sprechen und gegebenenfalls wie gut oder ob sie sich mit den Sitten und Konventionen der niederländischen Gesellschaft auskennen.
Es zeugt vom Pragmatismus der Behörden, wenn sie die Wohnbevölkerung in zahlreichen Sprachen dazu auffordern, sich im Spenderegister erfassen zu lassen. Sie wissen, dass sie auf Niederländisch nicht alle Menschen in den Niederlanden erreichen. Der Inhalt des Aufrufs zeugt jedoch davon, dass der Staat kulturelle Präferenzen, nämlich die Annahme der Zustimmung zur Organspende als Normalfall, trotz sprachlicher, ethnischer und kultureller Diversifizierung der Bevölkerung aufrechterhält.

14.02.2021

Anästhesist Jörg Hahnenkamp erklärt, warum das Online-Register Organspenden erschweren könnte, statt sie zu fördern.
Herr Hahnenkamp, was stört Sie an den Plänen für ein Online-Register?
So ein Register könnte wirklich helfen, mehr potenzielle Organspender zu identifizieren. Aber wie es im Gesetz steht, wird das nicht gehen. Denn danach dürften Klinikärzte erst Daten aus dem Register abfragen, wenn die vorgeschriebene Hirntoddiagnostik abgeschlossen ist. Das funktioniert in der Praxis nicht.
Wieso nicht?
Ziel muss immer sein, dem Willen des Patienten zu folgen, der auf der Intensivstation im Sterben liegt. Das ist der Auftrag des Patientenrechtegesetzes, und darum geht es uns Intensivmedizinern. Der Einblick in das Spenderregister kann uns genau diese Antwort geben: Will der Patient im Todesfall Organe spenden, oder will er nicht? Aber wir brauchen die Antwort schon vor Eintritt des Todes, nämlich dann, wenn wir sehen, dass medizinisch nichts mehr zu machen ist, dass der Mensch unabänderlich sterben wird. Denn zu diesem Zeitpunkt erfolgen Weichenstellungen für die weitere Therapie.
Zur Person
Klaus Hahnenkamp ist Anästhesist und Chef der Klinik für Anästhesiologie der Uniklinik Greifswald. Er ist Sprecher der Sektion Organtransplantation der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Die neue Richtlinie zur Spendererkennung der Bundesärztekammer hat er federführend mitentworfen.
Inwiefern?
Ein Beispiel: Ein junger Mensch liegt nach einem Unfall mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma auf der Intensivstation. Dabei kommt es oft zu einem gefährlichen Anstieg des Hirndrucks, das Gehirn schwillt an, wir haben vielleicht schon Teile des Schädelknochens entfernt und alles versucht, um den Druck zu senken, können aber den Prozess nicht mehr stoppen. Wenn wir das erleben, wissen wir: Das ist unumkehrbar, der Mensch hat bereits schwere, bleibende Hirnschäden erlitten. Er stirbt. Das ist – ganz unabhängig von einer möglichen Organspende – der Zeitpunkt, wo man als Arzt fragt: Würde der Patient jetzt wollen, dass wir trotzdem weitermachen mit allem? Oder will er das nicht?
Den Patienten können Sie aber nicht mehr fragen.
Deshalb suchen wir das Gespräch mit den Patientenvertretern, in der Regel den Angehörigen. Wir informieren sie über die Aussichten, über die Therapieoptionen. Wir fragen sie, ob es eine Patientenverfügung gibt, einen Organspenderausweis. Das sind sehr schwere Fragen, das können Sie mir glauben, in einer sehr belasteten Situation. Und das wäre natürlich auch der Zeitpunkt, in das Spenderregister zu schauen. Damit könnten wir auch die Angehörigen entlasten. Aber das Gesetz verbietet uns das derzeit.
Was passiert, wenn es so bleibt?
In den meisten Fällen wissen die Angehörigen leider nicht, wie der sterbende Mensch zur Organspende dachte. Denn wir alle sprechen im Alltag einfach noch zu wenig über das Thema. Wenn wir als Ärzte und Ärztinnen also künftig nicht im Register nachschauen dürfen, müssen weiterhin die Angehörigen entscheiden. Das ist die eine Möglichkeit …
Das wäre ja genau wie jetzt.
Nicht ganz. Denn künftig wird man ja dann zu einem späteren Zeitpunkt in das neue Register schauen. Was, wenn die Angehörigen einer Organentnahme zugestimmt haben, weil sie dachten, ihr Sohn, ihre Tochter hätte es so gewollt – und im Register findet sich dann ein Widerspruch? Oder sie haben abgelehnt und erfahren dann: Der geliebte Verstorbene hätte eine Organspende gewollt? Wie sollen die Angehörigen damit leben, dass sie den Willen ihres Angehörigen nicht erfüllt haben? Das kann für sie eine lebenslange Last werden. Der Druck, der auf ihnen lastet, wird durch die jetzige Regelung noch größer als er ohnehin schon ist. Die Angehörigen sind ja in einer Grenzsituation, wenn so plötzlich ein nahestehender Mensch aus dem Leben gerissen wird.
Was wäre die zweite Möglichkeit, der neuen Bestimmung gerecht zu werden?
Womöglich sagen Intensivmediziner künftig häufiger: Das Risiko ist zu hoch, dass Angehörige jetzt etwas entscheiden, das sich später durch das Register als falsch herausstellen könnte. Ich fürchte, dass damit künftig häufiger als derzeit gegen die Option Organspende entschieden und die lebenserhaltende Behandlung eingestellt wird.
Also weniger Organspenden statt mehr, obwohl das ja eigentlich das Ziel der Reform war?
Die Gefahr sehe ich. Es gäbe aber, medizinisch gesehen, einen dritten Weg, wenn die Chance erhalten werden soll, einen möglicherweise im Register hinterlegten Spenderwillen auch zu erfüllen: Man müsste bei allen Patientinnen und Patienten, die im Sterben liegen und für eine Organspende möglicherweise in Frage kommen, lebenserhaltende Maßnahmen fortsetzen und sie durch die für eine Organentnahme vorgeschriebene Hirntoddiagnostik führen. Nur so könnte man die Organe erhalten, bis man das Register konsultieren darf.
Das wäre eine Art Lebenserhaltung „auf Verdacht“, da man zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß, ob der Sterbende überhaupt seine Organe spenden will.
Richtig, das ist der Punkt. Ein solches Vorgehen ist theoretisch möglich, praktisch wird es aber nicht dazu kommen. Es ist auch unklar, ob das überhaupt durch das Gesetz gedeckt wäre. So etwas dürfte dann die Gerichte beschäftigen.
Ihr Fazit?
Unser aller Aufgabe ist es doch, dem Willen des Menschen, der seine Organe spenden will, gerecht zu werden. Die ganz breite Mehrheit der Bevölkerung will ja spenden, das wissen wir seit langem aus Umfragen. Das Spenderregister soll gerade sicherstellen, dass dieser Spenderwille künftig häufiger auch umgesetzt wird. Das geht aber nur, wenn wir das schon im Sterbeprozess und nicht erst danach erfahren. Ich kann nur hoffen, dass wir da noch zu einer Änderung kommen.
Interview: Ursula Rüssmann
Quelle: DSO
https://www.dso.de/SiteCollectionDocuments/News/2020-12-22%20-%20Umgang%20mit%20V.a.%20Coronavirus-Testung%20bei%20Spendern.pdf
Vorgehen der DSO bei Spendern in Bezug auf eine (mögliche)SARS-
CoV-2-Infektion/COVID-19
(Stand 22.12.2020)
Nachfolgend wird das Vorgehen der DSO in Bezug auf eine (mögliche) SARS-
CoV-2-Infektion zum Schutz der Empfänger dargelegt, das Vorgehen zum Schutz
der Mitarbeiter der DSO wird in einem separaten Dokument beschrieben.
Merke: Bei Unklarheiten bzgl. des Vorgehens in einem konkreten Fall ist
eine Abstimmung mit der zuständigen Geschäftsführenden Ärztin / dem
zuständigen Geschäftsführenden Arzt erforderlich.
Bei jedem möglichen Spender ist zu klären, ob in den letzten Wochen Kontakt zu
einem Patienten mit bekannter oder vermuteter COVID-19 / SARS-CoV-2-
Infektion bestand.
Das umfasst auch die Frage an das Entnahmekrankenhaus, ob der Spender im
Krankenhaus (insbes. Aufnahme und Intensivstation) Kontakt mit einem COVID-
19-Patienten hatte und ob und wie die organisatorische Trennung von Patienten
mit und ohne COVID-19-Verdacht in der Klinik aktuell gelöst ist.
Darüber hinaus wird die Reiseanamnese erhoben, ein Aufenthalt in einem
Risikogebiet
(s. Webseite des RKI:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus
/Risikogebiete.html)
in den letzten Wochen ist bei der Risikobeurteilung zu berücksichtigten.


Es ist abhängig von den Unterstützungsbedürfnissen des
Entnahmekrankenhauses und der Situation des Spenders in Rücksprache mit
der/dem GfÄ zu entschieden, oberst nach Vorliegen des Ergebnisses der SARS-
CoV-2-Testung in das Entnahmekrankenhaus zu fahren ist.Dies gilt insbesondere
bei Verdacht auf oder erhöhtem Risiko für eine COVID-19-Erkrankung des
Spenders. Zudem sind die eingangs erhobenen Angaben des Krankenhauses zu
der organisatorischen Trennung potentiell an COVID-19 erkrankter Patienten zu
berücksichtigen. Die Empfehlungen für persönliche Schutzmaßnahmen (s.
separates Dokument) sind dabei unbedingt zu beachten.


Zu wenig Spender Neues Organspendegesetz bislang ohne Effekt
von Katja Dietrich-Stieler
Stand: 31. Januar 2021, 05:00 Uhr
In Deutschland warten deutlich mehr Menschen auf ein Spenderorgan, als es Spender gibt. Derzeit muss man aktiv entscheiden, ob man Spender ist. Im Vorjahr lehnte der Bundestag die Widerspruchslösung ab, billigte aber Reformen. Nun ist etwa ein Online-Register für freiwillige Spender geplant. Unter anderem wegen der Corona-Pandemie geht es aber nur langsam voran.
Dreimal in der Woche sitzt der Dresdner Theodor Ludwig am Dialyse-Gerät. Mehrere Stunden dauert es jedes Mal, bis sein Blut wieder sauber ist. Seine Niere schafft das nicht mehr allein. Seit Mai 2018 wartet der 42-Jährige Anwalt auf ein Spenderorgan: "Ich sollte eigentlich auf gepackten Koffern sitzen, weil jederzeit der Anruf kommen könnte, die Niere ist da. Aber mit einer statistischen Wartezeit von zehn Jahren, von denen zwei rum sind, tue ich das nicht." Es sei vorher so gewesen, dass katastrophal wenig gespendet wurde, wenig gemacht worden sei, die Wartezeiten unendlich lang gewesen seien und das sei jetzt noch so, sagt Ludwig.
Organspenden in Deutschland am niedrigsten
Insgesamt erhielten in Deutschland im vergangenen Jahr 2.845 Empfänger ein oder mehrere Organe von Spendern. Zum Vergleich: Mehr als 9.000 Menschen standen Ende vergangenen Jahres auf der Warteliste für ein Organ. Die Zahl der Organspender ging erneut leicht zurück.
Angesichts der Corona-Pandemie müsse man damit aber eher zufrieden sein, meint der Transplantationsmediziner Christian Hugo vom Universitätsklinikum Dresden und damit, "dass die Organspende in Deutschland nicht eingebrochen ist, so wie in anderen Ländern. Aber man darf nie vergessen, wir befinden uns auf dem niedrigsten Niveau im Vergleich zu allen anderen Ländern."
Das Problem insgesamt sei, dass sich überhaupt nichts verändert habe, obwohl es gewisse gesetzliche Veränderungen seit 2019 gegeben habe durch Minister Spahn, die tatsächlich eine Verbesserung brächten, bemerkt Hugo. "Aber die neue Gesetzesinitiative ist vermutlich eher ein Weiter so, von dem ich mir nicht viel erhoffe."
Online-Register geplant
Jetzt soll es also ein Online-Register geben, in das man sich freiwillig als Spender eintragen kann. Hausärzte und Behörden sollen zudem regelmäßig über das Thema Organspende aufklären. Für Mediziner Hugo ein Tropfen auf den heißen Stein: "Ich sage voraus, dass wir in fünf bis sieben Jahren feststellen werden, dass dieses Gesetz nichts gebracht hat und stehen dann wieder genau an dem Punkt, an dem wir eben letztes Jahr waren."
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hatte auf die Widerspruchslösung gehofft. Denn zuletzt waren wieder mehr Menschen bereit, ein Organ zu spenden. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie waren die Zahlen deutlich nach oben gegangen. Nicht zuletzt, weil sich die Kliniken stärker engagiert haben, indem beispielsweise mehr Transplantationsbeauftragte eingesetzt wurden, die die Abläufe der Organspende koordinieren.
"Brauchen uns nix vorzumachen"
Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen in Thüringen, Babett Pfefferlein, sieht die Organspende in Deutschland auf einem guten Weg: "2020, als diese ganze Debatte darum geführt worden ist, ist dieses Thema wirklich in den Vordergrund gerückt und die, wenn man mal schaut, Nachfrage nach einem Organspendeausweis ist im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel gestiegen."
Aber man müsse auch feststellen, dass das Thema durch Corona nicht mehr ganz oben stehe, auch nicht bei den Krankenhäusern, sagt Pfefferlein. Und was das Register anbelange und so weiter und so fort, stecke das noch in den Kinderschuhen: "Also brauchen wir uns gar nix vorzumachen", betont die Politikerin.
Auch für Theodor Ludwig heißt es deshalb, weiter zu warten, bis der erlösende Anruf für eine neue Niere kommt: "Ich rechne damit, dass ich weitere acht Jahre meines Lebens in diesem Halbzustand verbringen werde, wo andere Leute das haben, was man Rushhour des Lebens nennt, mit Karriere, mit Familie. Es ist einfach so viel verlorene Lebenszeit."

Organspende: Großer Bedarf an Aufklärung, aber kaum Geld
Der Bundestag will die Entscheidungsbereitschaft der Bürger zur Organspende stärken. Doch bei der adäquaten Aufklärung könnte es hapern: der zuständigen Bundeszentrale mangelt es an Mitteln.
Von Florian Staeck Veröffentlicht: 20.01.2021
Berlin. Bei der Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft in der Organspende könnte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu einem Engpassfaktor werden. Das Gesetz hatte der Bundestag im Januar 2020 nach langer und kontroverser Debatte beschlossen.
Die Behörde soll neues Info- und Aufklärungsmaterial produzieren – etwa darüber, dass künftig in den Ausweisstellen und Ausländerbehörden der Kommunen über die Organ- und Gewebespende informiert werden soll. Problem dabei: Der Bundestag hat der BZgA im Bundeshaushalt für das laufende Jahr nicht die erforderlichen zusätzlichen Mittel bewilligt. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage von Grünen-Fraktionschefin Annalena Baerbock hervor.
Hausaufgaben für verschiedene Bundesbehörden
Mit dem Organspendegesetz, das zum 1. März 2022 in Kraft treten soll, ist ein Rattenschwanz von Hausaufgaben verbunden, die verschiedene Bundesoberbehörden zuvor abarbeiten müssen. So steht beispielsweise im Pflichtenheft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), ein Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende zu errichten.
Die Abstimmungsprozesse für die Software-Entwicklung sind offenbar komplex, weil neben gematik, GKV-Spitzenverband und Deutscher Krankenhausgesellschaft auch Softwarehersteller für die Anwendungen in den Ausweisstellen einbezogen werden müssen. Dennoch geht das BMG derzeit davon aus, dass der Start des Registers zum 1. März 2022 erfolgen kann.
Ungewiss ist dagegen offenbar, inwieweit die BZgA ihren im Gesetz vorgegebenen Aufgaben nachkommen kann. Die Behörde sei um Stellungnahme gebeten worden, wie sie angesichts von zur Verfügung stehenden Mitteln von nur 5,7 Millionen Euro die Umsetzung gewährleisten kann, erklärt die Regierung.
Manual für das Patientengespräch geplant
Denn zur Aufgabe der BZgA gehört auch die Unterstützung von Hausärzten bei Information und Aufklärung in Sachen Organspende. Zurzeit werde ein „Manual für das Arzt-Patienten-Gespräch zur Organ- und Gewebespende“ abgestimmt. Beteiligt an dem Prozess sind neben dem Hausärzteverband auch KBV und Bundesärztekammer.
Hausärzte sollen ihre Patienten alle zwei Jahre zur Organ- und Gewebespende beraten und ermutigen, sich in das Online-Register eintragen zu lassen. Die Beratung soll ergebnisoffen sein – die BZgA soll die Arztpraxen mit den passenden Aufklärungsbroschüren beliefern.
Das BMG kündigt in seiner Antwort an, den Gesundheitsausschuss im Laufe des ersten Quartals über den Stand der Dinge zu informieren.

Nieren, Lebern, Herzen
So viele Organe werden gespendet – und benötigt
Neue Organspendezahlen belegen: Die Niere bleibt das häufigste Spenderorgan, wird aber auch am meisten benötigt. Wir zeigen, wie weit diese Zahlen auseinanderklaffen – auch bei anderen Organen.
Veröffentlicht: 19.01.2021 Von Thorsten Schaff
Neu-Isenburg.
Trotz der Corona-Krise hat es 2020 in Deutschland fast so viele postmortale Organspenden gegeben wie im Jahr zuvor. Das liege unter anderem daran, dass Krankenhäuser häufiger an die Organspende denken, berichtet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO).
Im vergangenen Jahr wurden hierzulande 2941 Organe gespendet von Menschen, bei denen der Hirntod festgestellt worden war. 2019 waren es mit 2995 nur etwas mehr. 2010 hatte die Zahl bei 4205 gelegen (siehe nachfolgende Grafik), das war vor den Transplantationsskandalen.


Am häufigsten wurde 2020 eine Niere postmortal gespendet – exakt 1447 Mal. Somit war fast jedes zweite Spenderorgan eine Niere (49 Prozent). Es folgen die Leber (746, 25 Prozent), Lungen (342, 12 Prozent) und Herzen (320, 11 Prozent).


Organspender: Höchste Quote in Hamburg
Insgesamt gab es in Deutschland im vergangenen Jahr 913 postmortale Organspender. Die meisten von ihnen stammten aus Nordrhein-Westfalen – zumindest, was die absoluten Zahlen angeht. 174 Spender waren in NRW registriert, danach kamen Bayern (131) und Baden-Württemberg (107).
Aussagekräftiger ist aber ein Vergleich der Spender-Quote pro eine Million Einwohner (siehe nachfolgende Grafik). Und da zeigt sich das beste Verhältnis in Hamburg (26,0 Spender pro eine Million Einwohner), vor Saarland (22,3) und Mecklenburg-Vorpommern (16,8). Der bundesweite Durchschnitt lag bei 11,0 Spendern pro eine Million Einwohnern. 2019 hatte er 11,2 betragen.

9192 Bundesbürger stehen auf der Warteliste
Noch immer werden in Deutschland viel weniger Organe gespendet als benötigt werden. 9192 Patienten standen Ende des Jahres 2020 bei Eurotransplant auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die mit Abstand größte Nachfrage besteht bei Nieren (7338). Es folgen Lebern (891) und Herzen (700).
Zum Vergleich: Vor zehn Jahren war die Reihenfolge dieselbe – wenn auch mit einem weitaus größeren Bedarf: 2010 fehlten 7869 Nieren, 2161 Lebern und 981 Herzen (siehe nachfolgende Grafik). Damals umfasste die Warteliste 11.562 Menschen.

https://www.aerztezeitung.de/Politik/Regierung-will-BZgA-neu-ausrichten-416353.html

„Kommunikationsagentur“ statt Behörde
Regierung will BZgA neu ausrichten
Gesundheitsminister Jens Spahn will die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung umbauen, deren Arbeit in der Pandemie bisher seltsam blass bleibt. Sie soll reichweitenstark kommunizieren – und doch die Wissenschaftlichkeit nicht vernachlässigen.
Veröffentlicht: 19.01.2021, 16:12 Uhr
Berlin. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) soll zu einer „zentralen Vertrauensinstanz“ in Gesundheitsfragen werden und sich „zu einer echten Kommunikationsagentur für alle Altersklassen“ entwickeln. Das teilt die Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag mit. Bedenken, diese Neuausrichtung könne zu Lasten der wissenschaftlichen Ausrichtung der Behörde gehen, weist die Regierung zurück. „Wissenschaft und Forschung“ seien Grundvoraussetzungen für eine „erfolgreiche Aufgabenwahrnehmung der BZgA“, heißt es.
Doch die Vorbehalte hatte die Regierung mit ihrer Ausschreibung des Leitungspostens der Behörde selbst ausgelöst. In der Anzeige vom September 2020 hieß es, die BZgA benötige „ein Update“: „Im Auftreten, im Selbstverständnis, in der Kommunikation“. Aktuell ist ein Nachfolger für BZgA-Direktorin Professor Heidrun Thaiss, die zum 1. Februar das Haus verlässt, noch nicht gefunden. 15 Bewerbungen sind bisher eingegangen. Doch stattdessen wurde BZgA-Vize Professor Martin Dietrich kommissarisch zum Behördenleiter ernannt.
Die Leitungsposition sei künftig mit einem „starken kommunikativen Anforderungsprofil“ versehen. Zudem soll die 1967 gegründete Behörde eine „organisatorische Verschlankung und inhaltliche Neustrukturierung“ verpasst bekommen. „Mehr Flexibilität“ sei gefordert, damit die BZgA „auf aktuelle Anforderungen zeitnah reagieren“ könne.
Genau das haben Beobachter bei der Kölner Behörde in der Corona-Pandemie vermisst. „Die BZgA füllt ihre wichtige Funktion in der Krise nicht angemessen aus. Wesentliche Teile der Kampagnenarbeit übernimmt das Bundesgesundheitsministerium mittlerweile selbst“, kritisiert die Grünen-Gesundheitspolitikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther. Dem widerspricht die Regierung: Die BZgA sei von Anfang an „maßgeblich“ an Aufklärungs- und Info-Kampagnen beteiligt gewesen – als Beispiel wird die Dachkampagne „Zusammen gegen Corona“ genannt, die mit dem Robert Koch-Institut aufgelegt worden sei.
Tatsächlich attestieren Wissenschaftler im Kompetenznetz Public Health COVID-19 der BZgA „eine ausgeprägte Expertise bei der Durchführung von bevölkerungsweiten Kampagnen“. Allerdings stammt die letzte Evaluation der Arbeit der Behörde aus dem Jahr 2012 – eine Neubewertung sei derzeit nicht geplant.
Für die Grünen ist die inhaltliche Bestimmung des BZgA-Updates unklar. „Es ist zu bezweifeln, dass Verschlankung und Rationalisierung die richtigen Antworten auf die bestehenden Probleme sind“, sagt Kappert-Gonther. Sie fordert, am Ende des Prozesses müsse eine „politisch unabhängige und gut ausgestattete Public Health-Institution stehen“. (fst)

Ungewöhnliche Transplantation am UKM
Patientin erhält Organe von Säugling
Münster -
Sandra Giese war seit rund 40 Jahren Diabetikerin (Typ-I), als sich im Herbst ihre Werte so dramatisch verschlechterten, dass sie drohte, dialysepflichtig zu werden. Nach der Transplantation zweier Nieren in Kombination mit einer Bauchspeicheldrüse lebt die Beckumerin nun mit den jüngsten Organen, die je in Deutschland transplantiert wurden, weiter.
Von Westfälische Nachrichten

Erst im September hatten die Ärzte der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Münster (UKM) sie auf die Warteliste für Organtransplantationen gesetzt. „In der Regel warten die Empfänger ein bis zwei Jahre auf ein Angebot“, erklärt der stellvertretende Klinikdirektor, Prof. Jens Brockmann . Doch am 8. November klingelte es abends bei Familie Giese in Beckum: Die Polizei gab Bescheid, dass es ein Organangebot für sie gab. „Ich war noch gar nicht wirklich vorbereitet, hatte meine Sachen nicht gepackt“, erzählt Sandra Giese. Im UKM erfuhr sie, dass es sich um die Organe eines weit unter ein Jahr alten Kindes handelt.
Medizinisch gesehen sind ist es nicht selbstverständlich, dass die Organe eines Kleinkindes überhaupt transplantiert werden, informiert die Klinik in ihrem Pressebericht. Die technischen Risiken würden landläufig als zu groß eingeschätzt. Während alle anderen Zentren die durch die Stiftung Eurotransplant angebotenen Nieren ablehnten, nahm das UKM das kombinierte Angebot aus Nieren und Pankreas an. „Wir haben eine neue Operationstechnik angewendet, die weltweit nur von wenigen Chirurgen überhaupt durchgeführt wird“, sagt Brockmann. Dabei bleiben die eigenen Organe im Körper und der Empfangende bekommt diese Organe gewissermaßen in zweiter Ausführung noch einmal hinzu.
Junge Organe werden seltener abgestoßen
Einer der Vorteile ist, dass die Organe sehr schnell im Körper des Empfängers weiterwachsen. Maßen die Nieren im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Transplantation kaum vier Zentimeter, so sind sie jetzt, sechs Wochen später, schon fast doppelt so groß. Auch scheint es nach Darstellung des UKM so zu sein, dass juvenile Organe seltener abgestoßen werden.
Leid und Glück
Nicht ausblenden will Giese, die selbst Mutter ist, dass der Tod eines Kindes ihr zu einem neuen Leben verholfen hat. „Leid und Glück sind in der Transplantation untrennbar miteinander verknüpft“, sagt Klinikdirektor Prof. Andreas Pascher. Und Brockmann, der die Transplantation mit seinem Team durchgeführt hat, ergänzt: „Es muss ein unvorstellbar schwerer Schritt für Eltern sein, die Organe des eigenen Kindes zur Transplantation freizugeben.“ Gleichzeitig beschreibt er es für Mütter und Väter auch als tröstend, zu wissen, dass sie mit diesem Einverständnis mehreren Menschen das Leben retten. „Das hilft, ein Stück weit bei der Verarbeitung.“
https://www.aerztezeitung.de/Politik/Keine-Auffaelligkeiten-bei-Organspenden-415541.html

Tätigkeitsbericht
Keine Auffälligkeiten bei Organspenden
Kontrollgremien für die Überwachung der Transplantationszentren findet keine systematischen Verstöße.
Veröffentlicht: 11.12.2020
Berlin. Bei der Überprüfung von 30 Transplantationsprogrammen wurden keinerlei systematische Richtlinienverstöße gefunden. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht 2019/2020 der Kontrollgremien von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband hervor. Geprüft wurden Programme der Herz-, Lungen-, Leber-, Nieren- und Pankreastransplantationen von 2016 bis 2018.
Wegen der besonderen Umstände in diesem Jahr wurden nur drei Transplantationszentren vor Ort und 27 im schriftlichen Verfahren geprüft. Die positive Entwicklung der vergangenen Jahre habe sich weiter fortgesetzt, kommentiert der Vorsitzende der Überwachungskommission, Professor Hans Lippert, die Ergebnisse.
Verdachtsunabhängige Prüfungen
Bei der Vertrauensstelle Transplantationsmedizin zur Meldung von Auffälligkeiten und Verstößen gegen das Transplantationsrecht gingen im Berichtsraum 2019/2020 21 Eingaben ein. „Diese betrafen neben allgemeinen und einzelfallbezogenen Fragen zur Organspende und -transplantationen insbesondere Fragestellungen zur Lebendorganspende, wie etwa zu den Voraussetzungen und zur Kostenerstattung der Nachsorgebehandlung“, erklärt der Leiter der Vertrauensstelle, Professor Hans Lilie.
Die Prüfungskommission und die Überwachungskommission kontrollieren in der Regel alle drei Jahre verdachtsunabhängig die 126 Transplantationsprogramme der 46 Transplantationszentren in Deutschland. Auch die Vermittlungsstelle Eurotransplant sowie die Koordinierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplantation werden regelmäßig überprüft. (chb)
https://www.rtl.de/cms/ist-eine-patientenverfuegung-nichtig-wenn-man-einen-organspendeausweis-hat-4665480.html

Wir erklären, was Sie bei ihren Willensbekundungen unbedingt beachten sollen
Ist eine Patientenverfügung nichtig, wenn man einen Organspendeausweis hat?
10. Dezember 2020 - 8:48 Uhr
Egal ob Patientenverfügung oder Organspendeausweis: Vorsorge ist wichtig!
Auch wenn wir die Gedanken über mögliche Krankheiten, Leiden und den Tod am liebsten ganz weit von uns wegschieben wollen, ist es wichtig, sich auch mit diesen unbequemen Themen auseinanderzusetzen. Bei uns in Deutschland gibt es zwei wichtige Verfügungen, durch die wir im Vorfeld entscheiden können, was mit uns in einem medizinischen Notfall passieren soll und ob wir unsere Organe spenden wollen oder nicht. Doch häufig passiert es, dass sich diese zwei unterschiedlichen Willenserklärungen – Patientenverfügung und Organspendeausweis – widersprechen. Wir erklären Ihnen, welche Folgen das für Sie als Patient mit sich bringen kann und was sie unbedingt berücksichtigen sollten.
Wie kommt es dazu, dass eine Patientenverfügung einer Organspende widerspricht?
Eine Patientenverfügung soll dabei helfen, im medizinischen Ernstfall den eigenen Willen durchzusetzen. So haben viele Menschen beispielsweise für den Fall einer schweren, irreversiblen Gehirnschädigung festgelegt, dass keine lebenserhaltenden Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Gleichzeitig besitzen viele aber auch einen Organspendeausweis. Doch damit Organe entnommen werden können, müssen intensivmedizinische Maßnahmen weiter fortgesetzt werden, um zweifelsfrei den Hirntod feststellen zu können. Dies wiederum würde allerdings – sollte der Patient beispielsweise eine künstliche Beatmung ablehnen – der Patientenverfügung widersprechen. Was passiert also, wenn sich Patientenverfügung und Organspendeausweis gegenseitig ausschließen? Verliert die Patientenverfügung dann ihre Gültigkeit?
Wie handeln Ärzte, wenn sich Patientenverfügung und Organspendeausweis widersprechen?
In einem solchen Fall ist für die Ärzte und Ärztinnen nicht eindeutig klar, wie sie nun handeln sollen. "In der medizinischen Praxis kann diese unklare Situation dazu führen, dass eine Organentnahme oftmals gar nicht in Betracht gezogen wird", erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auf der Homepage der deutschen Organspende.
+++ Corona und die Patientenverfügung: Gilt diese auch bei Covid-19? +++
Welche Lösungen gibt es bei einem Widerspruch?
Um solche Situationen zu vermeiden, hat die Bundesärztekammer (BÄK) ein Arbeitspapier veröffentlicht, worin sie für eine solche Situation ethische und rechtliche Empfehlungen ausspricht. Sollte der Fall eintreten, dass ein Patient, der in seiner Patientenverordnung angegeben hat, keine lebenserhaltenden Maßnahmen erhalten zu wollen, gleichzeitig aber der Organspende zugestimmt hat, bereits auf der Intensivstation liegen und künstlich beatmet werden, unterscheidet die BÄK zwischen drei verschiedenen Situationen:
Sollten die Ärzte vermuten, dass der Hirntod bereits eingetreten ist, ist es laut der BÄK ethisch und rechtlich vertretbar, die erforderlichen Maßnahmen kurzzeitig aufrechtzuerhalten, um eine Organspende durchführen zu können: "Dieses Vorgehen beachtet auch den in der Patientenverfügung ausgedrückten Willen sterben zu dürfen, weil die intensivmedizinischen Maßnahmen nur für den Zeitraum fortgesetzt werden, der für die Realisierung der vom Patienten gewünschten Organspende erforderlich ist. Eine isolierte Betrachtung der Patientenverfügung ohne Rücksicht auf die Organspendererklärung würde dem Willen des Patienten nicht gerecht werden", heißt es dazu in dem Arbeitspapier. Ob ein Hirntod tatsächlich eingetreten ist, kann immer erst durch eine Hirntoddiagnostik festegestellt werden.
Anders ist es, wenn die Ärzte vermuten, dass ein Hirntod möglicherweise erst in wenigen Tagen eintreten wird. Sollte der Patient allerdings schon versterben, bevor ein Hirntod eintritt, dürfen die Ärzte laut der BÄK keine lebenserhaltenden Maßnahmen durchführen. Zuvor müssen sie mit den Angehörigen oder einem Patientenvertreter – dabei handelt es sich um eine von dem Patienten zuvor festgelegte Person für Gesundheitsfragen – beraten, wie weiter vorgegangen werden soll.
Sollte der Patient einen Herzstillstand erleiden und in der Patientenverfügung angeordnet haben, keine Reanimation durchzuführen, sollte nur aufgrund eines Organspendeausweises auf keinen Fall ein Wiederbelebungsversuch unternommen werden, da völlig ungewiss ist, ob ein Hirntod, der ja für eine Organspende Voraussetzung ist, eintreten wird.
Worauf muss ich bei der Erstellung meiner Patientenverfügung achten?
Beachten Sie also bei der Erstellung ihrer Patientenverfügung, dass diese – sofern sie einer Organspende zustimmen – nicht im Widerspruch mit ihrem Organspendeausweis steht. Dafür sollten Sie in ihrer Patientenverfügung ausdrücklich festlegen, was für Sie in einer solchen Situation Vorrang hat: Die Möglichkeit der Organspende oder auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten.
Wie sie dies am besten ausformulieren ist Ihnen überlassen, eine standartisierte Patientenverfügung gibt es in Deutschland nicht. Allerdings gibt es auf der Homepage der deutschen Organspende – auf der Sie im übrigen auch kostenlos einen Organspendeausweis bestellen können – Formulierungshilfen, um ihre Entscheidung für oder gegen einer Organspende unmissverständlich und klar auszudrücken.
DSO-Jahrestagung
Organspende: Noch zu häufig entscheiden Angehörige
Die Zahl der Organspender steigt. Doch damit geben sich Transplantationsmediziner nicht zufrieden: Der Patientenwille werde zu selten von den Betroffenen selbst, also noch zu Lebzeiten, dokumentiert.
Veröffentlicht: 03.11.2020, 19:59 Uhr
Frankfurt/Main. Kein Abwärtstrend trotz SARS-CoV-2: Bereits im Sommer hatte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) vermeldet, dass die Zahl der Organspender trotz der Corona-Pandemie gestiegen ist. Bis Ende Juni registrierte die Stiftung 487 postmortale Spender, Stand Ende Oktober sind es 793.
Das ist eine leichte Steigerung von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, hieß es am Dienstag auf dem DSO-Jahreskongress, der wegen der Pandemie dieses Jahr rein digital stattfindet.
Der Blick in die europäischen Nachbarländer zeigt aber, dass dieses kleine Plus mehr wiegt als in den Jahren zuvor. In Spanien etwa seien im Frühjahr die Organspenderzahlen auf fast ein Viertel der früheren Aktivität zurückgegangen. Spanien gilt als besonders schwer betroffen von der Pandemie.
Mehr Kontakte zwischen Kliniken und DSO
Die DSO schreibt das Plus vor allem dem Engagement in den Kliniken zu, trotz des Fokus auf Corona an die Organspende zu denken. So hätten die organspendebezogenen Kontakte zur DSO als Koordinierungsstelle ebenfalls zugenommen, um 4,1 Prozent auf 2626 Kontakte.
Dennoch müsse mehr und vor allem früher über das Thema Organspende gesprochen werden, mahnten Transplantationsmediziner auf der Tagung. „Wir müssen wissen, was der Patient möchte“, sagte Professor Klaus Hahnenkamp, Sprecher der Sektion Organspende und Organtransplantation bei der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
Die gelebte Praxis in der Intensivmedizin in den letzten Jahren habe dabei sicherlich nicht förderlich gewirkt, sondern das bewusste Auseinandersetzen mit dem Organspendewillen auch in der Patientenverfügung eher in den Hintergrund gerückt, gestand er ein. Oft hätten die Patienten auch Angst, dass zu viel an medizinischen Maßnahmen auf den Intensivstationen getan werde.
Transparenz für Angehörige schaffen
Helfen soll die überarbeitete Richtlinie „Spendererkennung“ der Bundesärztekammer (BÄK), die seit September – wenn auch bislang etwas zu geräuschlos, wie Tagungsteilnehmer kritisierten – in Kraft ist. Danach soll bereits vor einer Entscheidung zur Therapiebegrenzung der Wille zur Organspende erkundet werden.
„Ich glaube wir können uns allen und den Patientenvertretern auch mehr zutrauen“, ermunterte er die Kollegen aus den Kliniken. Das Gespräch mit den Angehörigen sollte bereits stattfinden, wenn der Eintritt des Hirntods wahrscheinlich sei, so Hahnenkamp, der Mitautor der Richtlinie ist.
Wichtig sei dabei Transparenz, nicht nur über die medizinischen Maßnahmen, die ergriffen würden. Die Angehörigen sollten auch auf den zeitlichen Rahmen der Organspende bzw. dafür notwendigen intensivmedizinischen Maßnahmen vorbereitet werden.
Zu wenige besitzen einen Organspendeausweis
Dennoch appelliert auch Hahnenkamp, möglichst zu Lebzeiten selbst eine persönliche Entscheidung zur Organspende zu treffen und diese auch zu dokumentieren. Das hatten von den bei der DSO gemeldeten möglichen Organspendern im vergangenen Jahr allerdings gerade einmal 15 Prozent getan.
Hinzu kommen außerdem neue Zahlen, wonach tatsächlich mehr Gestorbene für eine Organspende infrage kommen könnten als bislang realisiert werden. Seit vergangenen Jahr müssen alle der rund 1200 Entnahmekrankenhäuser Daten für die „Todesfallanalyse“ bereitstellen.
Darin werden alle Todesfälle mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung erfasst – damit maßgeblichen Kriterium pro postmortaler Organentnahme – sowie die Gründe, die eine Organspende verhindert haben. Nach einer ersten Auswertung der DSO hätten 2019 bundesweit doppelt so viele Menschen nach ihrem Tod Organspender werden können. (reh)
03.11.2020 – 11:13
Deutsche Stiftung Organtransplantation
DSO-Jahreskongress startet heute online mit über 700 Teilnehmern
Frankfurt am Main (ots)
- Aktuelles zum Stand der Gesetzesreform - Transplantationsbeauftragte sind Wegbereiter - Zahl der Organspender trotz Coronavirus-Pandemie leicht steigend
Die Jahrestagung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) startet heute mit über 700 Anmeldungen in ihr dreitägiges virtuelles Programm. Besonders erfreulich: Knapp die Hälfte der registrierten Teilnehmer sind Transplantationsbeauftragte, die im Mittelpunkt der gesetzlichen Novellierungen vom letzten Jahr stehen. "Die Transplantationsbeauftragten sind unsere wichtigsten Partner im Organspendeprozess in den Kliniken", erklärt der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. med. Axel Rahmel. "Daher liegt der Fokus beim Kongress auch darauf, was sich seit Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen in den Entnahmekrankenhäusern getan hat und was sich aus Sicht der Transplantationsbeauftragten noch verbessern müsste. Die große Resonanz bei den Anmeldungen bestätigt erneut unsere Ausrichtung auf eine praxisnahe Fortbildungsveranstaltung mit aktuellen Beiträgen aus Medizin und Politik und spiegelt zudem das gestiegene Interesse der Transplantationsbeauftragten wider, ihre neuen Aufgaben in den Kliniken als Wegbereiter für die Organspende bestmöglich wahrzunehmen."
Ziel des "Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende" vom 1. April 2019 ist die Erhöhung der Organspendezahlen - und zwar primär durch strukturelle Änderungen bei der Erkennung möglicher Spender in den Kliniken. Eine wichtige Maßnahme, die Zahl der Organspenden zu erhöhen, ist dabei auch die seit letztem April gesetzlich vorgeschriebene Todesfallanalyse. Damit sind alle der rund 1.200 Entnahmekrankenhäuser verpflichtet, die Todesfälle mit primärer oder sekundärer Hirnschädigung zu erfassen und die Gründe zu eruieren, die eine Organspende verhindert haben. Eine erste Auswertung der bisher erstmals bundesweit eingegangenen Daten an die DSO zeigt, dass 2019 potenziell die Anzahl der Organspender hätte verdoppelt werden können. Dies verdeutlicht erneut, dass dem hiesigen Organspendemangel durch verbesserte Abläufe in den Kliniken weiter entgegengewirkt werden kann.
Eine andere Lücke bei der Erkennung möglicher Organspender schließt nun die seit Anfang September geltende neue Richtlinie Spendererkennung der Bundesärztekammer.
Sie rückt die frühzeitige Beachtung des Patentenwillens in den Mittelpunkt, sodass jeder Organspendewunsch auch umgesetzt werden kann. Prof. Dr. med. Klaus Hahnenkamp, Mitautor der Richtlinie, erläutert, dass es die Aufgabe der Ärzte sei, bereits zum Zeitpunkt eines zu erwartenden oder vermuteten Hirnfunktionsausfalls den möglichen Wunsch einer Organspende zu ermitteln. Das bedeute, diese Frage sei mit den Angehörigen zu klären - und zwar bevor die Einleitung einer palliativen Behandlung eine spätere Organspende ausschließe.
Eine bedeutende Neuerung brachte das Gesetz vom letzten April auch bei der Angehörigenbetreuung mit sich, die nun offiziell der DSO übertragen wurde. Anne-Bärbel Blaes-Eise, Koordinatorin der DSO-Region Mitte, ist froh über die rechtliche Grundlage für die damit verbundene Wertschätzung und Würdigung der Organspender und ihrer Familien. So ist es z.B. für die nächsten Angehörigen bzw. nahestehende Personen eines Organspenders wichtig zu erfahren, ob die gespendeten Organe transplantiert werden konnten und wie es den Organempfängern geht. "Sie haben so das Gefühl, dass dem plötzlichen Tod ein wenig von seiner Sinnlosigkeit genommen wurde," erklärt die Koordinatorin.
In den ersten 10 Monaten des Jahres gab es mit 793 postmortalen Organspendern eine leichte Steigerung von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Gegensatz zu Spanien, wo die Zahlen im Frühjahr auf fast ein Viertel der früheren Aktivität zurückgingen, oder auch Italien mit einem zeitweisen 30-prozentigen Rückgang, konnten Organspende und Transplantation hierzulande relativ konstant weitergeführt werden. Dies liegt insbesondere an dem andauernden Engagement in den Kliniken, trotz der Krise an die Organspende zu denken. Dies zeigen auch die organspendebezogenen Kontakte zur DSO als Koordinierungsstelle, die bis Ende Oktober bei 2.626 Kontakten und damit um 4,1 Prozent über dem Vorjahr lagen.
In seinem 16. Jahr findet der DSO-Jahreskongress aufgrund der Coronavirus-Pandemie virtuell statt und bietet an drei Kongresstagen lebendigen Wissensaustausch zwischen Teilnehmern und Experten.
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Pressekontakt:
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Nadine Körner, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Göttinger Organspendeskandal : Freigesprochener Arzt bekommt 1,2 Millionen Euro Entschädigung
Das Land Niedersachsen muss einem Mediziner rund 1,2 Millionen Euro Entschädigung zahlen. Zuvor war der Mann in einem Prozess um den Organspendeskandal an der Göttinger Uniklinik freigesprochen worden.
Im Verfahren um eine Entschädigung für den im Göttinger Organspendeskandal freigesprochenen Arzt ist das Land Niedersachsen dazu verurteilt worden, dem Mediziner rund 1,2 Millionen Euro zu zahlen. Das teilte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig am Mittwoch mit. Das Land hatte sich in dem Berufungsprozess am OLG gegen die Entschädigungszahlung an den Mediziner gewehrt. Das Oberlandesgericht bestätigte nun im Wesentlichen das Urteil des Landgerichts Braunschweig, das dem Arzt im vergangenen Jahr eine Entschädigung von rund 1,2 Millionen Euro zugesprochen hatte.
2015 war der frühere Chirurg an der Göttinger Uniklinik in einem bundesweit aufsehenerregenden Prozess vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen worden. Zuvor hatte der heute Dreiundfünfzigjährige fast das komplette Jahr 2013 in Untersuchungshaft verbracht und wurde nach Zahlung einer Kaution von 500.000 Euro entlassen.
Seine Forderung nach der Millionen-Entschädigung begründete er nicht nur mit der U-Haft und Zinsschäden durch die Kaution von 500.000 Euro. Es ging ihm vor allem um ein verpasstes Gehalt von 50.000 US-Dollar pro Monat in Jordanien, wo er eine neue Stelle antreten wollte. Dieser Posten machte nach Angaben des Oberlandesgerichts mit circa 1,1 Millionen Euro den größten Teil der Klage aus.
Die Revision hat der Senat nicht zugelassen. Das Land kann innerhalb von vier Wochen Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.
Quelle: dpa
MT 13.06.2020
Spenderlunge für Corona-Patientin
Die Pandemie bremst die Transplantationsmedizin weltweit aus. Doch wie ist die Situation in Deutschland? Herzchirurg Jan Gummert aus Bad Oeynhausen klärt auf.
Carolin Nieder-Entgelmeier
Berlin/Bad Oeynhausen.
Die Ausbreitung des Coronavirus stellt die Transplantationsmedizin
weltweit vor gewaltige Herausforderungen. Vielerorts kann nur noch eingeschränkt gearbeitet werden. In Italien und Spanien sind die Zahlen der Organspenden massiv eingebrochen und in China wurden Transplantationen zeitweise sogar komplett ausgesetzt.
Gleichzeitig machen erste Erfolge bei Transplantationen bei Covid-19-Patienten Hoffnung. Doch wie ist die Situation in Deutschland?
„Da die Pandemie in Deutschland bislang sehr glimpflich verlaufen ist, konnte die Transplantationsmedizin ungehindert weiterarbeiten“, erklärt der ärztliche Direktor des Herz- und Diabeteszentrums (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen, Jan Gummert. „Mir ist kein Fall bekannt, dass eine Transplantation aufgrund der Krise abgesagt werden musste.“ Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) belegen die Einschätzung: „Im März und April ist es im Vergleich zum Vorjahr nicht zu einem deutlichen Rückgang der Organspende in Deutschland gekommen.“ Patienten müssen laut DSO nicht länger warten als vor der Krise. Insgesamt haben zwischen Januar und Mai 410 Menschen in Deutschland ein oder mehrere Organe gespendet. Im Vergleichszeitraum 2019 waren es 379 und 2018 396. Ein leichter Rückgang der Zahlen im April kann laut Gummert auch auf eine normale Schwankung zurückzuführen sein. „Bei den leider noch immer geringen Spenderzahlen in Deutschland lässt sich nicht sicher sagen, ob der leichte Rückgang im Vergleich zum Vorjahr auf die Pandemie zurückzuführen ist“, ergänzt Gummert. Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland etwa 11,5 Organtransplantationen.
Zum Vergleich: In Spanien sind es 48 auf eine Million Einwohner. In anderen Ländern sind die einbrechenden Zahlen der Organspenden hingegen eine deutlich sichtbare Folge der Pandemie. In Italien und Spanien sind die Zahlen mitunter um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. „Das ist eine Folge der überlasteten Krankenhäuser. Die Krise hat die Gesundheitswesen der Länder so stark überfordert, dass nicht mehr alle Patienten, die auf eine intensivmedizinische Behandlung angewiesen waren, auch auf einer Intensivstation behandelt werden konnten“, erklärt Gummert. „In solchen Krisensituationen ist keine Zeit für Hirntod-Diagnostik, mit der Folge, dass mögliche Organspender nicht identifiziert werden.“ Da das Gesundheitswesen in Deutschland nach Angaben Gummerts zu keinem Zeitpunkt überlastet war, ist auch die Zahl der Organspenden stabil geblieben. „In Deutschland konnten alle Patienten, die auf intensivmedizinische Behandlung angewiesen waren, auch betreut werden. Es war also weiter Zeit für die Hirntod-Diagnostik, die mitunter mehrere Tage dauert.“ Trotz der stabilen Lage belastet die Pandemie auch die Transplantationsmedizin in Deutschland. Risikominimierung ist hier das wichtigste Stichwort. Organspender und -empfänger werden auf das Coronavirus getestet. Zudem wird bei beiden Gruppen auch nach Aufenthalten in Corona-Risikogebieten und Kontakt zu Infizierten oder Verdachtsfällen gefragt. Laut Gummert kann eine Infektion mit dem Coronavirus durch eine Organtransplantation unvorhersehbare Folgen für den Empfänger haben. „Eine aktive Infektion schließt Spende und Transplantation deshalb aus.“ Möglich sind aber offenbar auch Transplantationen bei Covid-19-Patienten, wenn diese nicht mehr infektiös sind. Im Allgemeinen Krankenhaus Wien gelang Ärzten im Mai die erste Lungentransplantation bei einer Covid-19-Patientin in Europa. Nach Angaben der Klinikleitung wäre die 45-jährige Patientin ohne Transplantation aufgrund eines schweren Lungenversagens gestorben. Grundsätzlich gilt laut DSO auch in der Corona- Krise für alle Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, der Grundsatz, dass die Entscheidung über die Transplantation nur unter sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiko für den Empfänger erfolgt. Spätestens seit der Transplantation bei der Covid-19-Patientin in Wien stellen sich Experten die Frage, ob das Coronavirus den Bedarf an Transplantationen erhöhen wird. Trotz der noch vielen offenen Fragen zum Virus beobachten Intensivmediziner, dass Covid-19 nicht nur die Lunge, sondern auch andere Organe wie das Herz oder die Nieren schwer schädigen kann. „Trotzdem kann aktuell niemand seriös abschätzen, ob der Bedarf an Transplantationen steigen wird“, sagt Gummert. Doch auch wer ein dringend benötigtes Organ erhalten hat, ist durch das Coronavirus weiterhin in Gefahr,weil Transplantierte zur Hochrisikogruppe zählen. Insbesondere in Ländern, in denen das Gesundheitssystem überfordert wurde, lag die Mortalität transplantierter Patienten laut der Deutschen Transplantationsgesellschaft nochmals höher.



Wachsendes Interesse an Organspende
22.05.2020
Hamburg – Immer mehr Menschen setzen sich offenbar mit dem Thema Organspende auseinander. Von Januar bis Ende April dieses Jahres gingen bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Bestellungen für rund 2,23 Millionen Organspendeausweise ein, wie der Spiegel berichtet.
Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1,69 Millionen) entspricht das einem Anstieg von 33 Prozent. Auch die Nachfrage nach Informationsbroschüren mit integriertem Ausweis wuchs demnach. Die Daten gehen aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Frage von Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock hervor.
Im Januar hatte der Bundestag über eine Neuregelung der Organspende entschieden. Die Mehrheit im Parlament stimmte für ein Modell, das Baerbock mitentwickelt hatte: Die Bereitschaft zur Organspende kann von 2022 an in ein Onlineregister eingetragen werden.
„Das Interesse an Organspendeausweisen ist deutlich gewachsen“, sagte die Grünen-Vorsitzende. Damit es zu mehr Transplantationen komme, müsse das neue Register jetzt „zügig kommen“. Das Gesundheitsministerium hat zu dessen Umsetzung eine Projektgruppe einrichten lassen, die von Sicherheits- und Datenschutzexperten begleitet wird.
Die öffentliche Diskussion zum Thema hat nach Einschätzung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) zu vermehrtem Interesse geführt. Die Zahl der Organspender stieg laut DSO in den ersten vier Monaten 2020 im Vorjahresvergleich um 11,5 Prozent auf 330 Spender.
Im April hatte die DSO zudem gewarnt, durch die Coronapandemie könnte sich die Situation wieder verschärfen. In Nachbarländern sei die Zahl der Organspenden teils deutlich zurückgegangen. © kna/aerzteblatt.de

17.05.2020
Pandemie
Corona bremst Organspenden
Die Pandemie erschwert Transplantationen, Lebendspenden sind teilweise ausgesetzt. Weil die Kliniken jetzt wieder mehr operieren, werden auch mehr Blutspender gesucht.
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation verzeichnete im ersten Quartal 2020 noch 41 postmortale Organspender mehr als im Vorjahr. Das entspricht einem Anstieg von 16,1 Prozent in Deutschland. Aktuelle Zahlen liegen noch nicht vor, so lässt sich noch nicht genau sagen, ob und inwieweit sich die Corona-Krise auf die Organspende auswirkt. In Deutschland gibt es aber nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation noch genügend Intensivkapazitäten in den Kliniken. „Nach unseren Erfahrungen in den vergangenen Wochen denken die Entnahmekrankenhäuser weiterhin an die Organspende. Organspender werden weiterhin gemeldet und Organtransplantationen finden weiterhin statt“, sagte eine Sprecherin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Derzeit ist auch ein negativer Sars-CoV-2-Befund bei einer klinischen Untersuchung für eine Organspende notwendig.
Gleichwohl könnte die Corona-Krise laut Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, zu einem Rückgang der Spender und Transplantationen führen: „Derzeit stellt die Coronavirus-Pandemie unser gesamtes Gesundheitssystem vor bisher nicht gekannte Herausforderungen, die möglicherweise auch an der Organspende und Transplantation nicht spurlos vorbeigehen werden“, sagt er. In Italien, in den USA, aber auch in anderen Ländern gebe es jedoch dramatische Rückgänge um bis zu 30 Prozent.
Während Verstorbenen-Organspenden noch möglich sind, ist die sogenannte Lebendspende in vielen deutschen Transplantationszentren eingestellt worden, so die Sprecherin. Bei einer Lebendspende spenden Angehörige beispielsweise eine ihrer Nieren oder einen Teil ihrer Leber. Sie müssen dafür Verwandte ersten Grades (Eltern, Großeltern) oder zweiten Grades (Tanten, Onkel) des Empfängers sein oder ein sehr enges Verhältnis zu ihm haben. Derzeit werde die Lebendspende nur in Ausnahmefällen durchgeführt. „Nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit ist man bei der Lebendspende aktuell sehr zurückhaltend“, sagte die Sprecherin.
Anfang März waren die Blutkonserven im Zuge der Corona-Krise knapp: Die Zahl der Blutspender ging stark zurück, der Bedarf an Blutkonserven konnte nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nicht gedeckt werden. Der DRK-Blutspendedienst konnte zudem vielerorts nicht mehr auf vorherige Spendeorte wie Schulen, Turnhallen und Gemeindehäuser zurückgreifen, da diese geschlossen wurden. Und Menschen hatten hinsichtlich einer möglichen Ansteckung mit dem Coronavirus beim Blutspenden Bedenken. Doch darüber müssen sich potenzielle Spender laut DRK und der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie keine Sorgen machen: Bei der Blutspende seien die hohen Hygienestandards noch verschärft worden. Da gerade in Corona-Zeiten Blutspenden benötigt werden, wurden bundesweit zahlreiche Aufrufe gestartet.
„Die Aufrufe haben gefruchtet: Wir haben derzeit bundesweit genügend Spender“, sagte ein Sprecher des DRK-Blutspendedienstes dem RND. Seit dem Beginn der Corona-Krise habe das DRK trotz der anfänglichen Rückgänge einen Anstieg an Erstspendern und jungen Spendern erlebt. Seit Ende März gab es keine Engpässe mehr, so der DRK-Sprecher, was nicht zuletzt auch an den Maßnahmen der Krankenhäuser gelegen hat, den Blutverbrauch zu reduzieren. So wurden nicht dringende Operationen verschoben. Der Blutverbrauch lag demnach Ende März um etwa 30 Prozent niedriger als vor der Corona-Krise.
Nun wollen die Kliniken allerdings angesichts der schrittweisen Lockerung der Corona-Maßnahmen auch ihren Betrieb langsam wieder hochfahren. Vorher verschobene Operationen, für die Blutkonserven benötigt werden, sollen also nach und nach wieder durchgeführt werden. Der Blutspende-Bedarf werde also nun langsam wieder steigen, sagte der DRK-Sprecher: „Somit sind wir auch auf mehr Spender angewiesen.“
Von Ben Kendal
NW 15.04.2020
17künstliche Lungen stehen bereit
Das Herz- und Diabeteszentrum hat die speziellen Beatmungsgeräte schon seit Jahren im Einsatz. Jetzt wird auch ein Corona-Patient mit Lungenversagen damit behandelt.
Heidi Froreich
Bad Oeynhausen. Einer der Patienten, die jetzt mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation des Herz- und Diabeteszentrums NRW behandelt werden, erfordert besondere Behandlungskompetenz. Weil seine Lunge infolge der Infektion versagt, braucht er eine sogenannte extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO): „Das ist eine künstliche Lunge“, erläutert Jan Gummert, Ärztlicher Direktor des HDZ. Und diese speziellen Beatmungsgeräte gibt es längst nicht auf jeder Intensivstation eines Krankenhauses. 17 solcher Geräte stehen im HDZ zur Verfügung.“Sie wurden nicht eigens für die Behandlung von Patienten angeschafft, die mit einer schweren Coronavirusinfektion stationär bei uns aufgenommen werden“, betont Gummert. Vielmehr sei die ECMO-Therapie ein seit vielen Jahren im HDZ eingesetztes, bewährtes Verfahren. Technisch ähnelt das Gerät einer Herz-Lungen Maschine und wie diese kommt es am HDZ auch in anderen Notfällen zum Einsatz. Beispielsweise bei schwerherzkranken Patienten, die eine notfallmäßige mechanische Kreislaufunterstützung brauchen. „Wir betreten kein Neuland“, betont Gummert. Allerdings könnten bei Covid19-Patientenaufgrund von Begleiterkrankungen oder aufgrund der Behandlungsdauer Besonderheiten auftreten. „Daher stehen unsere Behandlungsteams im engen Austausch mit Kollegen aus anderen Ländern, in denen bereits sehr viele Covid-19-Patienten mit ECMO behandelt worden sind. Unschätzbar wertvoll sei es dabei in diesen Tagen, sich auf die große Erfahrung der Mitarbeiter der HDZ-Intensivstationen und der fachärztlichen Kollegen wie Lukasz Kizner (Leiter der herzchirurgischen Intensivstationen), Jost Niedermeyer (Spezialist in der Behandlung von Lungenerkrankungen) und Vera von Dossow (Direktorin des Instituts für Anästhesiologie und Schmerztherapie) verlassen zu können. Ebenso habe sich das Konzept, die verschiedenen Fachbereiche im HDZ gemeinsam zur bestmöglichen Therapie interdisziplinär zu bündeln (die NW berichtete), bewährt. „Das ist bei der Covid19-Behandlung nicht anders. Pflege, Kardiologie, Innere Medizin, Diabetologie, Anästhesiologie,Labormedizin und viele weitere Disziplinen sind beteiligt“, betont der Ärztliche Direktor. „Eine künstliche Lunge wird nur bei einem von 200 Patienten mit schwerster Coronavirus- Infektion benötigt“, stellt er klar. Weil die Infektion eben nur ganz selten zu einem Totalversagen der Lunge führt. Immerhin 80 Prozent erleben einen grippeähnlichen Verlauf ohne Notwendigkeit einer Behandlung im Krankenhaus. Bei 15 Prozent der Infizierten reichen während der Krankenhausbehandlung zusätzliche Sauerstoffgaben aus. Fünf Prozent liegen auf einer Intensivstation, weil sie wegen der schweren Lungenerkrankung beatmet werden müssen. Hierbei wird ein Schlauch, der über Mund oder Nase bis in die Luftröhre geschoben wird, mit einer Beatmungsmaschine verbunden. Derzeit sind es zwei Patienten im Herz-und Diabeteszentrum, die aufgrund ihrer schweren Lungenerkrankung auf diese invasive Form der Beatmung angewiesen sind. Ein weiterer Patient wird derzeit zusätzlich mit einer ECMO behandelt; ein vierter Patient benötige lediglich Sauerstoffgaben. 89 Intensivbetten mit Beatmungsgeräten stehen derzeit im HDZ bereit, elf Betten stellt das Klinikum aktuell für intensivpflichtige Covid-19-Patienten zur Verfügung, darüber hinaus weitere neun Betten im Isolationsbereich mit Möglichkeit einer Sauerstoffversorgung per Maske. „Wir sind auf steigende Infektionszahlen vorbereitet“, betont Gummert. Und deshalb seien vorsorglich Operationen bei Patienten,bei denen„ für mindestens zwei Monate ein stabiler Zustand zu erwarten sei“, abgesagt worden. „Aber Patienten mit akuten Herzbeschwerden kommen nicht zu kurz“, stellt er klar, eine notfallmäßige Behandlung sei jederzeit garantiert. Und falls die Patienten nach einem Eingriff eine intensivmedizinische Behandlung brauchen,ist auch die gewährleistet. Gummert: „Für unsere Herz-Notfälle halten wir immer Betten bereit. Und natürlich auch Kreislaufunterstützungssysteme.“

Deutschen Stiftung Organtransplantation
Mehr Organspenden - Transplantationsgesellschaft noch unzufrieden
Veröffentlicht: 13.04.2020, 12:03 Uhr
Berlin. Die Zahl der Organspenden hat in den ersten drei Monaten des Jahres offenbar deutlich zugenommen. Wie die „Augsburger Allgemeine“ unter Berufung auf Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) berichtete, spendeten im ersten Quartal 260 Menschen postmortal ihre Organe. Das entspricht demnach einem Zuwachs von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
„Wir sehen die Entwicklung als positives Zeichen“, sagte Axel Rahmel, Medizinischer DSO-Vorstand, der Zeitung. Er erklärt sich den Anstieg unter anderem mit der öffentlichen Diskussionen um eine Organspende-Reform.
Der Bundestag hatte Mitte Januar eine moderate Neuregelung beschlossen: Die Menschen in Deutschland sollen auch künftig nicht automatisch als Organspender gelten. Allerdings soll eine stärkere Aufklärung mehr Bürger zu konkreten Entscheidungen für eine Spende bewegen.
Unabhängig von diesen Zahlen monierte am Wochenende die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG), dass das bereits seit einem Jahr geltende Gesetz für bessere Organspende-Bedingungen in den Kliniken noch keine grundlegenden Fortschritte zeige. So verwies die DTG auf Anfrage darauf, dass wichtige Teile wie eine bessere Organisation der Hirntoddiagnostik noch nicht umgesetzt seien. „Im internationalen Vergleich können in Deutschland nur ein Drittel bis ein Viertel der anderswo üblichen Transplantationen durchgeführt werden“, sagte DTG-Vorstandsmitglied Bernhard Banas.
Das am 1. April 2019 in Kraft getretene Gesetz sieht mehr Zeit und mehr Geld für die Kliniken vor, um zu mehr Organspenden zu kommen. Transplantationsbeauftragte der Häuser sollen zum Beispiel von anderen Aufgaben befreit sein. Und ein neuer Bereitschaftsdienst mit mobilen Ärzteteams soll sichern, dass der Hirntod als Voraussetzung für Entnahmen überall festgestellt werden kann - auch in kleinen Häusern. Die Akteure des Gesundheitswesens sollen bis Ende 2020 eine geeignete Einrichtung mit der Organisation dafür beauftragen.
Dieser „Neurodienst“ sei allerdings noch nicht etabliert, merkt dazu die Deutsche Krankenhausgesellschaft an. „Derzeit haben wir noch keinen umfassenden Überblick, welchen Effekt die Neuregelungen hatten.“ Die leicht erhöhte Zahl von Organspenden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stimme zwar optimistisch, lasse aber eine fundierte Bewertung noch nicht zu. (dpa)

Anstieg bei Organspenden in Deutschland
Montag, 13. April 2020
Augsburg – Die Zahl der Organspenden in Deutschland hat sich seit Beginn des Jahres erhöht. Im ersten Quartal spendeten 260 Menschen postmortal ihre Organe, wie die Augsburger Allgemeine unter Berufung auf Daten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) berichtet.
Auch die Zahl der Organspendeausweise erhöhte sich demnach deutlich. Der Zuwachs bei den Organspenden liegt demnach bei 16 Prozent. „Wir sehen die Entwicklung als positives Zeichen“, sagte Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO, der Zeitung.
Die erhöhte Bereitschaft zur Organspende wurde nach Rahmels Einschätzung auch die Diskussion um die Widerspruchslösung ausgelöst, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplant hatte. Deren Einführung hätte dazu geführt, dass jeder Bürger nach seinem Tod potenzieller Organspender geworden wäre, wenn er dem nicht aktiv widersprochen hätte.
Zwar scheiterte der Vorstoß letztlich im Bundestag. Die Debatte um die Widerspruchslösung habe die Öffentlichkeit jedoch die für das Thema sensibilisiert, sagte Rahmel.
Dafür spreche auch ein Anstieg bei den Organspendeausweisen, sagte der Experte. Allein im Januar haben demnach 740.000 Menschen einen Organspendeausweis bestellt doppelt so viele wie dies durchschnittlich im Monat der Fall ist. © afp/aerzteblatt.de
MT 10.04.2020
Zahl der Organspender sinkt
2019 haben in Deutschland 932 Menschen nach ihrem Tod für eine
Transplantation gespendet. Patienten auf den Wartelisten sind aktuell
besonders gefährdet.
Carolin Nieder-Entgelmeier
Berlin/Bad Oeynhausen. 932 Organspender haben im vergangenen Jahr 2.995 Organe gespendet und Leben gerettet. Die Zahl der Organspender in Deutschland ist damit erneut rückläufig. Der Blick auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigt nach einem deutlichen Plus im Jahr 2018 nun einen aktuellen Rückgang um 2,4 Prozent. Die ersten beiden Monate 2020 zeigten dagegen wieder eine deutliche Steigerung, doch mit Ausbruch des Coronavirus ist nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) aktuell unklar, wie sich die Zahl entwickeln wird.
Fest steht hingegen, dass das Coronavirus für die Menschen, die auf ein Organ warten oder bereits transplantiert wurden, ein besonderes Risiko darstellt, erklären die DSO-Vorstände Axel Rahmel und Thomas Biet. Zudem befürchten die Experten Einschränkungen der Organtransplantationstätigkeit aufgrund der Pandemie.
Damit rechnet auch Deutschlands größtes Herztransplantationszentrum, das das Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen. „Durch Besuchsverbote in den Krankenhäusern sind zum Beispiel Gespräche zwischen Ärzten und Angehörigen von Verstorbenen erschwert. Auch sind die Pflegekräfte und Ärzte schon jetzt überlastet und mit vielen zusätzlichen Aufgaben konfrontiert. Diese schwierige Situation wird dazu führen, dass noch weniger potenzielle Organspender überhaupt als solche identifiziert werden“, erklärt der ärztliche Direktor des HDZ, Jan Gummert. „Das ist keine Kritik am Vorgehen der Krankenhäuser, denn Besuchsverbote sind zum Schutz der Patienten und Mitarbeiter wichtig. Vielmehr wird es sich bei einem tatsächlichen Rückgang der Zahl der Organspenden um einen Kollateralschaden als Folge der Coronavirus-Ausbreitung handeln.“
Einige Länder, wie zum Beispiel China, haben Organtransplantationen während der Krise teilweise ausgesetzt. Doch auch während der Krise gibt es Patienten, die dringend auf eine lebensrettende Organspende angewiesen sind. Aktuell warten nach Angaben der Stiftung Eurotransplant 9.004 schwer kranke Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan.
Viele Patienten stehen schon länger auf der Warteliste, andere sind während der Wartezeit im vergangenen Jahr verstorben, weil die Zahl der Organspenden nicht ausreicht. Ein Blick auf die Warteliste für Spenderherzen zeigt, dass viele Patienten die lange Wartezeit nicht überleben. 2019 haben 599 Patienten in Deutschland auf ein Spenderherz gewartet, doch nur 344 von ihnen konnten auch transplantiert werden. 101 Patienten sind 2019 verstorben.
Erstmals veröffentlicht die DSO in diesem Jahr auch Zahlen zu Transplantationen bei Kindern bis 15 Jahre. „Für Kinder und ihre Familien ist allein schon die Wartezeit eine große psychische Belastung“, erklären die DSO-Vorstände Axel Rahmel und Thomas Biet. 2019 standen 340 Kinder auf der Warteliste für ein Organ, die meisten für eine Leber und eine Niere. Die Lebendspende ist laut DSO für die Transplantation bei Kindern eine lebenswichtige Alternative zur postmortalen Spende. 22 Prozent der Nierentransplantationen und 32 Prozent der Lebertransplantationen seien 2019 aufgrund einer Lebendspende ermöglicht worden.
Doch auch Kinder sind auf Organspenden nach dem Tod angewiesen. Vor allem für junge Patienten mit angeborenen oder erworbenen Herzerkrankungen stellt das laut DSO die einzige Therapie dar. Doch in den vergangenen zehn Jahren sind bereits 95 Kinder auf der Warteliste für ein Herz gestorben. Über die Hälfte der Todesfälle waren Kinder im Alter bis drei Jahre.
Die Bereitschaft, Organe nach dem Tod zu spenden, soll in Deutschland künftig regelmäßig erfragt werden. Das hat der Deutsche Bundestag mit einem Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft beschlossen. Künftig soll eine Erklärung auch in Ausweisstellen möglich sein. Nach wie vor ist jedoch das Ausfüllen eines Organspendeausweises wichtig. Das ist online möglich: www.organspende-info.de

Organspenden: Kinder mit Transplantationsbedarf aufs Ausland angewiesen
Dienstag, 7. April 2020
Frankfurt am Main – Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 15 Jahren, die eine Transplantation benötigen, sind besonders auf Organspenden aus dem Ausland angewiesen. Das geht aus dem neuen Jahresbericht 2019 der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) hervor.
Bei der Nierentransplantation der Kinder in der Altersgruppe der 0 – 15-Jährigen kamen laut dem Bericht 34 Prozent aus dem Ausland. Bei Erwachsenen waren es im Berichtsjahr 17 Prozent der Organe. 54 Kinder kamen demnach neu auf die Liste für eine Herztransplantation. 61 Kinder wurden von der Liste genommen, davon zehn, weil sie starben.
„Wie auch bei den Erwachsenen macht die Kardiomyopathie bei den Kindern circa 60 Prozent der Indikationen für eine Herztransplantation aus“, berichten die Autoren des DSO-Jahresberichtes. 111 Kinder kamen 2019 auf die Liste für Nierentransplantationen, 93 Kinder konnten von der Liste genommen werden.
„Die Fehlbildung der Niere mit Zysten und die chronische Nierenkrankheit bilden die zwei häufigsten Indikationen für eine Nierentransplantation sowohl bei den Erwachsenen (33 Prozent) als auch bei den Kindern (52 Prozent)“, so die Autoren.
177 Kinder kamen neu auf die Liste für die Lebertransplantationen, 124 konnten von der Liste genommen werden. „Bei den Kindern sind die drei Hauptdiagnosen (63 Prozent): angeborene Fehlbildung, Fibrose/Zirrhose und Leberversagen“, berichten die Autoren.
„Die Lebendspende ist für die Transplantation bei Kindern eine lebenswichtige Alternative zur postmortalen Spende“, heißt es in dem Jahresbericht. 22 Prozent der Nierentransplantationen und 32 Prozent der Lebertransplantationen wurden aufgrund einer Lebendspende ermöglicht.
Bei der Leber wurden weitere 32 Prozent der Transplantationen aufgrund eines Lebersplits ermöglicht. „Diese Alternativen gibt es bei der Herztransplantation nicht, so dass die Todesfälle hier höher sind“, so die DSO. © hil/aerzteblatt.de
Westfalen Blatt 28.03.2020
Transplantationen: HDZ erwartet Rückgang
Lebensnotwendige Operationen: Klinik setzt Programm für Herz und
Lunge bis auf Weiteres fort
Bad Oeynhausen (WB).
17 Herzen und zwei Lungen sind in diesem Jahr bereits erfolgreich am Herz-
und Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen transplantiert worden.
Ob es wie im Vorjahr wieder 99 Transplantationen werden, wagt Prof. Dr. Jan
Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am
HDZ, zu bezweifeln: „Das hat vor allem mit der Entnahme der
Spenderorgane zu tun, die derzeit alle Fachgesellschaften gemeinsam mit
dem Robert-KochInstitut und dem Bundesgesundheitsministerium angesichts
der dynamischen Entwicklung der Coronavirusinfektion laufend bewerten
müssen.“
Nach dem Prinzip der Risikominimierung werde für jeden Patienten der
Nutzen einer Transplantation gegenüber dem bestehenden Infektionsrisiko
abgewägt, das gelte grundsätzlich für alle lebensrettenden Operationen, die
derzeit am HDZ NRW durchgeführt werden. „Dabei muss ausgeschlossen
werden, dass ein Patient ein Spenderorgan eines infizierten Verstorbenen
erhält.“ Denn hochdosierte Medikamente, die der Patient stets zur
Vermeidung einer Abstoßungsreaktion erhält, schwächen die Immunabwehr
und erhöhen damit das Risiko einer Infektion. Sowohl Spender, als auch
Empfänger werden deshalb vor der Transplantation –soweit möglich – auf
das SARSCoV-2-Virus getestet. Ist das Ergebnis in
beiden Fällen negativ, kann transplantiert werden. Ein chirurgisches
Entnahmeteam aus dem Herz- und Diabeteszentrum entnimmt das
Spenderorgan in einer auswärtigen Klinik und bringt es nach Bad
Oeynhausen. Auch hier werden strenge Hygienerichtlinien eingehalten.
„Derzeit spricht nichts dagegen, unsere Teams wie gewohnt zur Entnahme in
andere Häuser zu schicken“, sagt Prof. Gummert. „Aber die Situation kann
sich natürlich täglich ändern, daher stimmen wir uns derzeit laufend mit
allen Fachgesellschaften ab und folgen den Empfehlungen.“
Da europaweit alle Krankenhäuser ein Besuchsverbot ausgesprochen haben
und man sich mit Hochdruck auf eine zunehmende Aufnahme Schwerkranker
vorbereiten müsse, sei durchaus zu befürchten, dass in diesem Jahr weniger
potenzielle Organspender gefunden werden könnten. „Die Situation ist
momentan schwierig, in einigen deutschen Transplantationszentren
pausieren aktuell bereits die Lebendspende-Programme,“ sagt Gummert, der
mit weiteren Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf die
medizinische Versorgung der Bevölkerung rechnet. Davon sei die
Transplantationsmedizin leider nicht ausgenommen.
Mindener Tageblatt 23.03.2020
Hohes Risiko bei
Organtransplantation
In Deutschland werden in einigen Transplantationszentren bereits Lebendspendeprogramme
ausgesetzt.
Das bleibt nicht folgenlos. Denn aktuell warten 9.004 Menschen in Deutschland auf ein
Spenderorgan.
Carolin Nieder-Entgelmeier
Berlin/Bad Oeynhausen. Die Ausbreitung des Coronavirus stellt das Gesundheitswesen
vor gewaltige Herausforderungen.
Die Krankenhäuser in Deutschland bereiten sich aktuellauf steigende Infektionszahlen
und Patienten mit schweren Krankheitsverläufen vor. Noch nicht absehbar sind die
Folgen für die Transplantationsmedizin in Deutschland, denn China und andere Länder
haben wegen der Ausbreitung des Virus Organtransplantationen zeitweise komplett
ausgesetzt. Droht dieses Szenario
auch den 9.000 Menschen in Deutschland, die aktuell auf ein neues
Organ warten? „Aktuell läuft das System der Organtransplantationen
in Deutschland weiter. Ein Aussetzen der Organentnahmetätigkeit wird aber über
Ländergrenzen hinweg diskutiert“, erklärt der ärztliche Direktor des Herz und
Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad Oeynhausen, Jan Gummert. Die
Entscheidung über die Transplantation jedes Empfängers erfolgt nach
Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) weiter unter sorgfältiger
Abwägung von Nutzen und Risiko für den Empfänger.„Aktuell wird dabei auch das
Risiko einer möglichen SARS-CoV-2-Infektion
berücksichtigt“, sagt Gummert. „Organspender und -empfänger werden getestet. Zudem
wird zur Risikominimierung bei beiden Gruppe auch nach Aufenthalten in Corona-
Risikogebieten und Kontakt zu Infizierten oder Verdachtsfällen gefragt.“ Solange diese
Risikominimierung noch umsetzbar sei, hält Gummert eine Aussetzung der
Organentnahmetätigkeit in Deutschland nicht für nötig. „Wenn wir es schaffen, das
Infektionsrisiko für den Empfänger
unter Kontrolle zu halten.“ Laut Gummert kann eine SARSCoV-
2-Infektion durch eine Organtransplantation unvorhersehbare Folgen für den Empfänger
haben. „Bei Empfängern einer Organspende sorgen Medikamente dafür, dass das
Spenderorgan nicht abgestoßen sind. Dadurch ist ihr Immunsystem extrem geschwächt,
doch gerade das ist im Kampf gegen Infektionskrankheiten überlebenswichtig. Deshalb
ist die Risikominimierung einer SARS-CoV- 2-Infektion bei Organtransplantationen so
wichtig.“
Allerdings sind nach Angaben des Mediziners derzeit viele Fragen offen.
„Wenn in Österreich ein Spenderorgan zur Verfügung steht und wir ein Team schicken,
muss es dann nach der Rückkehr in häusliche Quarantäne? Das wäre für uns nicht
machbar, da wir derzeit auf alle Mitarbeiter angewiesen sind“, sagt Gummert.
Empfehlungen für eine spezifische Behandlung oder Veränderung der Behandlung bei
SARS-CoV-2-infizierten Organtransplantierten existieren
nach Angaben der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) ebenfalls
nicht. „Wir wissen auch noch nicht, welche Folgen auftreten, wenn das Herz eines
Infizierten transplantiert wird“, sagt Gummert. „Bei einer Lungentransplantationen wäre
eine Infektion des Spenders aber vermutlich
tödlich.“ Für das weitere Vorgehen der Organtransplantationen in Deutschland
stimmen sich aktuell das Bundesgesundheitsministerium, das Robert-
Koch-Institut und die Bundesärztekammer mit der DTG und der DSO ab. Ein Aussetzen
von Organentnahmetätigkeit hätte nach Angaben der DTG tiefgreifende Konsequenzen
für die Organtransplantation in Deutschland und für Patienten mit lebensbedrohlichen
Organversagen. Aktuell stehen laut der Stiftung Eurotransplant 9.004 Menschen in
Deutschland auf der Warteliste.
„Zum jetzigen Zeitpunkt kann ein Aussetzen von Organentnahmetätigkeit
nicht empfohlen werden“, erklärt ein Sprecher. „Da sich diese Einschätzung bei der
dynamischen Entwicklung aber ändern kann, kann dies künftig nicht ausgeschlossen
werden.“ In anderen Ländern ruhen aktuell bereits Transplantationsprogramme für
einzelne Organe. In Deutschland pausieren in einigen Transplantationszentren bereits
Lebendspendeprogramme.
Die DTG weist daraufhin, dass Transplantationen wie die Nierenlebendspende
verschoben werden können, wenn das für Patienten ohne größere Probleme
möglich ist. In Deutschlands größtem Herztransplantationszentrum,
dem HDZ in Bad Oeynhausen, wurden in diesem Jahr 17 Spenderherzen und zwei
Spenderlungen transplantiert. Gummert rechnet allerdings damit, dass
die Zahl der Organspenden in den nächsten Wochen zurück gehen wird.
„Durch Besuchsverbote in den Krankenhäusern sind zum Beispiel Gespräche
zwischen Ärzten und Angehörigen von Verstorbenen erschwert. Auch sind die
Pflegekräfte und Ärzte schon jetzt überlastet und mit vielen zusätzlichen Aufgaben
konfrontiert. Diese schwierige Situation wird dazu führen, dass noch weniger potenzielle
Organspender überhaupt als solche identifiziert werden“, erklärt der Mediziner. „Das ist
keine Kritik am Vorgehen der Krankenhäuser,
denn Besuchsverbote sind zum Schutz der Patienten und Mitarbeiter wichtig. Vielmehr
wird es sich bei einem tatsächlichen Rückgang der Zahl der Organspenden um einen
Kollateralschaden als Folge der Coronavirus-Ausbreitung handeln.“
Pressemitteilungen HDZ Bad Oeynhausen
20.02.2020 – Pressemitteilungen
Weltweite Innovation zur mobilen Herzunterstützung erstmals in Bad Oeynhausen eingesetzt
Die kleine Barbare (5) ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, als Dr. Eugen Sandica, Direktor der Klinik für Kinderherzchirurgie und angeborene Herzfehler am Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ NRW), Bad Oeynhausen, eine neue Epoche der künstlichen Herzunterstützung für Kinder und Jugendliche einleitete: Der erfahrene Herzspezialist nahm in dieser Woche das weltweit erste und einzige, nur 15 Kilogramm leichte und leistungsfähigste Antriebssystem (Excor® Active, Berlin Heart) für eine mobile Herzunterstützung in Betrieb. Schwer herzkranken Kindern wie Barbare bietet es künftig eine größere Bewegungsfreiheit und eine deutlich verbesserte Lebensqualität.
„Auf diesen riesigen technischen Fortschritt haben wir lange gewartet“, sagt Dr. Sandica, der im Bad Oeynhausener Kinderherzzentrum und Zentrum für angeborene Herzfehler Hand in Hand mit der Kinderkardiologie das gesamte Spektrum der Therapiemöglichkeiten für herzkranke Kinder und Jugendliche anbietet. „Vor allem kleine Patienten mit schwerster Herzschwäche werden oft über lange Zeit in unserer Klinik versorgt. Sie waren bisher auf ein rund 90 Kilogramm schweres Antriebsgerät angewiesen, das die Bewegungsfreiheit enorm einschränkt.“ Die große Konsole muss ständig mit der implantierten Unterstützungspumpe sowie einer Stromquelle in Verbindung bleiben. Nur etwa 30 Minuten kommt das System ohne Strom aus. Es wird eingesetzt, um den Herzmuskel zu entlasten, bis sich das kranke Herz wieder erholen kann. In den meisten Fällen dient es jedoch dazu, das Herz vor einem Pumpversagen zu retten und die Wartezeit bis zu einer Herztransplantation zu überbrücken.
Den Wechsel von Barbares großem Antrieb auf das neue mobile System hat Dr. Sandica auf der Intensivstation des Kinderherzzentrums durchgeführt. Das Mädchen wurde mit einer erblich bedingten Herzmuskelerkrankung geboren und wartet seit fast vier Monaten in Bad Oeynhausen auf ein Spenderherz. Seit Anfang Januar ist es auf auf eine künstliche Herzunterstützung angewiesen. Mit dem neuen System durfte Barbare schon erste kleine Ausflüge auf der Station unternehmen. Zudem wird sie im Kinderherzzentrum auch physiotherapeutisch betreut.
Im größten Herztransplantationszentrum Deutschlands in Bad Oeynhausen sind die Erfahrungen mit den künstlichen Herzpumpen (Ventricular Assist Devices - VAD) bei Kindern und Jugendlichen besonders gut: 47 dieser Berlin Heart Systeme haben Dr. Eugen Sandica und sein Team bereits bei Kindern im Alter von 0 bis 16 Jahren implantiert, die längste Unterstützungszeit lag bei 619 Tagen. Fast alle Kinder konnten erfolgreich transplantiert werden. Bei acht Patienten führte die Therapie zur Erholung des Herzens. Die Bad Oeynhausener Statistik zeigt dabei eine hervorragende Überlebensrate von 93 Prozent bei den eingesetzten Berlin-Heart-Kinderherzpumpen. Damit gehört das Klinikum in Bad Oeynhausen zu den weltweit erfolgreichsten Therapiezentren.
Der neue Antrieb, den der deutsche Hersteller Berlin Heart GmbH (Berlin) jetzt erstmals weltweit zur Verfügung stellt, wiegt nur noch 15 Kilogramm und kann in der Größe eines Koffertrolleys mitgeführt oder als Handgepäck zusammen mit einem Kinderwagen bewegt werden. Die Akkulaufzeit beträgt bis zu sieben Stunden. Das System trägt den Namen Excor® Active, es hat im November des vergangenen Jahres die CE-Kennzeichnung für den europäischen Einsatz erhalten. „Wir sind sehr stolz, dass man sich bei der Markteinführung des neuen Antriebs auf die langjährige Erfahrung unseres Zentrums verlassen hat“, bestätigt Chefarzt Dr. Eugen Sandica, der das System in Bad Oeynhausen am Dienstag nahezu zeitgleich mit dem Deutschen Herzzentrum in Berlin in Betrieb nahm.

Quelle Bild: 21.02.2020 NW

Länderkammer billigt Neuregelung der Organspende
Freitag, 14. Februar 2020
Berlin – Der Bundesrat hat die Neuregelung der Organspende gebilligt. Damit bleiben Organspenden in Deutschland weiterhin nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. Die Entscheidungslösung war im Januar vom Bundestag beschlossen worden.
Danach sollen künftig alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim Abholen von Ausweisen auf das Thema angesprochen werden. Auch Hausärzte sollen ihre Patienten regelmäßig darauf hinweisen.
Zudem wird ein bundesweites Online-Register eingerichtet, in dem Bürger ihre Spendebereitschaft dokumentieren und jederzeit ändern können. Ziel ist, die Zahl der Organspenden zu erhöhen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatten in der Debatte um die Neuregelung der Organspende eine doppelte Widerspruchslösung gefordert.
Danach hätte jeder Bürger als potenzieller Spender gegolten, sofern er dem nicht widersprochen hätte. Dieser Vorschlag war von der Mehrheit des Bundestags abgelehnt worden.
Für die Entscheidungslösung hatte sich dagegen eine Gruppe von Abgeordneten um Grünen-Chefin Annalena Baerbock, Linken-Chefin Katja Kipping sowie Spahns Amtsvorgänger Hermann Gröhe (CDU) ausgesprochen.
Der Bundesrat bedauerte in einer Entschließung, dass die künftigen Informationspflichten auch für Ausländerbehörden gelten sollen. Angesichts von Sprachbarrieren könne fälschlicherweise der Eindruck einer Verknüpfung zwischen der Organspendebereitschaft und der amtlichen Entscheidung über aufenthaltsrechtliche Anträge erweckt werden. Dies sei aber unbedingt zu vermeiden. © kna/dpa/aerzteblatt.de

Politik
Der Bundesrat hat am Freitag eine Organspende-Reform gebilligt, die Bürger stärker für Spenden sensibilisieren soll.
Demnach sollen alle Bürger künftig mindestens alle zehn Jahre direkt beim Ausweisabholen auf das Thema angesprochen werden. Die neuen Regeln zielen darauf, die Zahl der potenziellen Organspender zu erhöhen. In Kraft treten sollen sie voraussichtlich 2022.
Das Info-Material zu Organspenden werde man auch alle zwei Jahre von seinem Hausarzt bekommen können. Die künftigen Informationspflichten sollen ebenfalls für Ausländerbehörden gelten, was aus Sicht des Bundesrates falsch interpretiert werden könnte. Denn man könnte den Eindruck bekommen, dass eine Organspendebereitschaft einen Einfluss auf die amtliche Entscheidung über den aufenthaltsrechtlichen Antrag haben könne. Dies sei aber unbedingt zu vermeiden.
Der Bundestag hatte Mitte Januar eine moderate Reform der Organspenderegeln beschlossen. Der Entwurf sieht die Möglichkeit vor, eine Entscheidung dazu in ein neues zentrales Online-Register einzutragen.
Rückgang der Organspenden
Die Zahl der Spender ging im vergangenen Jahr wieder leicht auf 932 zurück, nachdem 2018 noch 955 Menschen nach ihrem Tod Organe für andere Patienten überlassen hatten. Es gab jetzt aber weiterhin mehr Spender als beim bisherigen Tiefstand von 797 im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr wurden 2995 Organe an die Vermittlungsstelle Eurotransplant übergeben – vor allem Nieren, Lebern und Lungen.
aa/sb/dpa

Nach moderater ReformBericht: Bestellungen von Organspende-Ausweisen verdoppelt
09.02.2020
Es geht doch: Die Zahl der Bestellungen von Spenderausweisen soll sich innerhalb eines Monats verdoppelt haben. Vorangegangen waren eine moderate Reform der Organspende und eine aufwendige Werbekampagne.
Im Zuge der Diskussion vor der Bundestagsentscheidung über eine Organspende-Reform hat sich die Zahl der Bestellungen von Spenderausweisen laut einem Medienbericht im Januar verdoppelt.
In dem Monat wurden 740.000 Ausweise bestellt, wie das Wirtschaftsmagazin «Business Insider» unter Berufung auf Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) berichtet. Zuvor gab es nach Angaben des BZgA im Schnitt rund 330.000 Bestellungen pro Monat.
Außerdem verzeichne die Informationsseite des BZgA eine stark erhöhte Nachfrage. Die Aufrufe stiegen demnach von 30.000 monatlich auf über 175.000 Aufrufe im Januar.
Der Bundestag hatte Mitte Januar nach kontroverser Debatte eine moderate Reform der Organspende beschlossen. Künftig sollen alle Bürger mindestens alle zehn Jahre direkt auf das Thema Organspende angesprochen werden - etwa wenn sie im Bürgeramt einen Personalausweis beantragen oder verlängern. Auch das Informationsangebot zum Thema Organspende soll ausgeweitet werden.
Westfalen Blatt; 1. Februar 2020
Fabian Wittbrock hatte einen großen Freundeskreis. 300 Menschen seien zur
Trauerfeier gekommen, sagen seine Eltern, die die ungezählten
Kondolenzkarten und Briefe in diesem Koffer aufbewahren. Sie haben ihre
Kritik übrigens auch dem Krankenhaus übermittelt, aber bis heute keine
Reaktion erhalten. Foto: Althoff
„Es ging nur um Fabians Organe“ Was Eltern in den
Tagen nach dem Tod ihres Sohnes empfanden
Von Christian Althoff
Borchen (WB). Der 11. August 2019 war ein Sonntag. Am
Nachmittag klingelten Polizisten am Haus von Hiltrud (55)
und Jochen Wittbrock (62) in Borchen und informierten sie,
dass ihr Sohn Fabian (23) mit seinem Motorrad im Sauerland
verunglückt und in eine Unfallklinik geflogen worden sei. „Wir
ahnten nicht, dass er da bereits klinisch tot war“, sagt der
Vater, ein Oberstudienrat. Was die Eltern in den folgenden
drei Tagen erlebten, wühlt sie bis heute auf. „Es ging den
Ärzten nur um die Organe unseres Sohnes“, sagt
Sonderpädagogin Hiltrud Wittbrock. „Wir Angehörige waren
denen völlig egal.“ An jenem Sonntag fuhren die Eltern mit
Fabians Freundin und seinen beiden Schwestern in die 120
Kilometer entfernte Unfallklinik. „Der Arzt, der uns empfing,
war der einzige emphatische Mensch, den wir dort
kennenlernen sollten. Er sagte, Fabian sei hirntod, und so ein
Unfall gehe auch ihnen nahe.“ In der Erwartung, die Familie
werde einer Organspende zustimmen, sei ihr Sohn noch
operiert worden. „Er hatte unter anderem einen offenen
Beinbruch, und damit wollten die Ärzte ihn nicht bis zur
endgültigen Hirntoddiagnose liegenlassen – vielleicht wegen
einer Emboliegefahr“, sagt der Vater.
Eigentlich sei es für die Familie keine Frage gewesen, die
Organspende zu erlauben, erzählt die Mutter. „Fabians
Spruch war: ‚Wenn mir was passiert, können die alles haben.
Ich brauche es ja nicht mehr.‘“ Diese Einstellung habe dem
Wesen ihres Sohnes entsprochen, sagt Hiltrud Wittbrock.
„Fabian hat in Bielefeld soziale Arbeit und Management
studiert und ein Praktikum im Kinderheim gemacht. Er war
ein liebevoller Chaot mit einem Riesen-Herzen.“ Bis spät in
die Nacht saßen die Angehörigen an jenem Sonntag am Bett
des 23-Jährigen. Er wurde beatmet, um den Kreislauf in
Gang zu halten. Nach drei Tagen, so sei es ihnen erklärt
worden, sollte von zwei Ärzten der Hirntod offiziell
festgestellt werden. Hiltrud Wittbock: „Wir waren völlig fertig,
und weil man uns gesagte hatte, dass Fabian nichts mehr
mitbekommt, sind wir in der Nacht zurück nach Hause
gefahren.“ Am nächsten Morgen hätten sie einen Anruf
bekommen und seien vorwurfsvoll gefragt worden, warum sie
nicht in der Nähe der Klinik geblieben seien. „Wir sind sofort
zurückgefahren und wurden von einem Pfleger mit den
Worten empfangen: ‚Und? Wofür haben Sie sich entschieden?
Organspende?‘“ Jochen Wittbrock: „In diesem Moment weiß
man gar nicht, was man einem so gefühllosen Menschen
antworten soll.“ Seine Frau sagt, sie sei damals versucht
gewesen, ‚Jetzt nicht mehr!‘ zu antworten. „Nur der Wille
unseres Sohnes hat mich davon abgehalten. Also haben wir
zugestimmt.“ Es habe in den drei Tagen niemanden gegeben,
der mit ihnen über ihren Verlust gesprochen habe. „Wir
wurden uns selbst überlassen. Es gab keinen Raum, in dem
wir uns hätten aufhalten können, und wir hatten keinen
zentralen Ansprechpartner“, sagt der Vater. Sie seien immer
wieder aus dem Krankenzimmer geschickt worden und hätten
sich auf dem Flur oder im überfüllten Wartezimmer
herumdrücken müssen. „Als eine unserer Töchter abbaute
und ich eine Schwester fragte ob sie etwas zu trinken
bekommen könne, wurden wir auf den Colaautomaten im
Erdgeschoss verwiesen“, erzählt Hiltrud Wittbrock. Am
dritten Tag hätten sie sich in die Cafeteria gesetzt. „Dort
wurden wir angerufen und sollten kommen.“ Als sie das
Zimmer ihres Sohnes erreicht hätten, seien sie wieder
fortgeschickt worden und hätten fast eine Stunde im
Wartebereich verbracht. Der Vater: „Dann durften wir endlich
ans Totenbett, wo wir über den offiziellen Hirntod informiert
wurden. Ich bat den Arzt, das nicht an Fabians Bett zu
besprechen, aber er sagte, es gebe keinen anderen Raum
und schaute auf seine Uhr.“ Als Fabians Schwestern in Ruhe
Abschied von ihrem Bruder nehmen wollten, seien permanent
Pflegekräfte ins Zimmer und wieder hinaus gehuscht. „Eine
Pflegerin hat unsere Tochter sogar Richtung Bett geschoben
und gesagt: ‚Gehen Sie doch näher ran!‘“, sagt die Mutter.
Später sei ein Mitarbeiter der Deutschen Stiftung
Organspende aus Essen erschienen. „Er war der erste
Mensch, der sich Zeit für uns nahm und sich angemessen
verhielt. Er wollte uns erklären, welche Organe nun
entnommen würden, aber das wollten wir nicht wissen, das
haben wir abgebrochen“, sagt der Vater. Hiltrud Wittbrock
erzählt, sie könne Berichte über kranke Menschen, die ein
Spenderorgan benötigten, nicht mehr unbefangen lesen. „Sie
machen mich wütend. Alles fokussiert sich auf den Kranken
und seine Erwartung, aber der Spender und seine Familie
werden komplett ausgeblendet.“ Sie hätten erfahren müssen,
dass der Tod ihres Sohnes „auf eine unmenschliche Art“ auf
seine Organe reduziert worden sei. „Wir Angehörigen waren
nur die, die zustimmen sollten. Ansonsten interessierten wir
nicht. Uns hat übrigens auch niemand aus dem Krankenhaus
jemals sein Beileid ausgesprochen.“ Die Unfallklinik habe sich
bis heute nicht zu der Kritik geäußert. Sie als Eltern, sagt
Hiltrud Wittbrock, hätten ihre eigene Bereitschaft zur
Organspende nach diesen Erfahrungen aufgegeben. „Wir
können unseren Töchtern einfach nicht zumuten, im Ernstfall
noch einmal so etwas durchzumachen.“ Emphatie hätten sie
schließlich von Menschen erfahren, von denen sie es
überhaupt nicht hätten erwarten können, sagt die Mutter und
lächelt zum ersten Mal. „Zur Trauerfeier erschien die
türkische Familie, deren Auto unser Sohn mit seinem
Motorrad gerammt hatte. Sie sprach uns ihr Beileid aus.“

Westfalen Blatt 18.1.2020
Zentrum für Lungentransplantierte
Klinik in Bad Lippspringe übernimmt Nachsorge
für ganz Norddeutschland
Bad Lippspringe (WB). Etwa 350 Patienten bekommen
jedes Jahr in Deutschland eine neue Lunge, etwa 400
Menschen stehen regelmäßig auf der Warteliste. Die
Klinik Martinusquelle in Bad Lippspringe übernimmt von
sofort an die Rehabilitation von Patienten, die eine
Spender-Lunge erhalten haben. Damit ist Bad
Lippspringe neben der Schön-Klinik Berchtesgadener
Land einer von zwei Standorten in ganz Deutschland,
die im Bereich der Transplantationsnachsorge für
Lungenkranke mit großen Patientenzahlen aktiv sind.
Im Anschluss an eine Transplantation kommen die
Patienten für mehrere Wochen nach Bad Lippspringe,
um unter anderem mit gezieltem Training von Ausdauer
und Kraft eine möglichst große Verbesserung ihres
Gesundheitszustandes zu erlangen. „Nach der
Rehabilitation sollen die Patienten ohne zusätzlichen
Sauerstoff und andere Hilfsmittel auskommen können.
Im Idealfall erreicht man sogar
nach etwa einem halben Jahr die Wiedererlangung der
Berufsfähigkeit“, sagt Chefarzt Dr. Ralf Schipmann.
Erste Patienten seien bereits in den ersten Wochen des
Jahres aufgenommen worden. Für das Medizinische
Zentrum für Gesundheit (MZG), zu dem die Klinik
gehört, stelle die Weiterentwicklung zu einem Zentrum
für die Rehabilitation von Menschen mit einer neuen
Lunge eine konsequente Weiterentwicklung dar, sagte
ein Sprecher. In der jüngeren Vergangenheit habe sich
die Klinik Martinusquelle bereits als
Spezialeinrichtung etabliert, in der Patienten mit
schweren Lungenerkrankungen behandelt würden. Im
Jahr 2019 litten mehr als 50 Prozent der 2459
Lungenpatienten an erheblichen Einschränkungen der
Atemwege, beispielsweise einer schweren oder sehr
schweren Erkrankung mit Husten, vermehrten Auswurf
und Atemnot. Durch den Rückzug der bisherigen Klinik
für die Transplantationsnachsorge in Norddeutschland
konnte Bad Lippspringe deren Position übernehmen. Als
neuer Kooperationspartner wird die Klinik
Martinusquelle insbesondere mit der Medizinischen
Hochschule Hannover und dem Westdeutschen Zentrum
für Lungentransplantationen in Essen
zusammenarbeiten, die oberhalb der
Mainlinie die meisten Lungentransplantationen
durchführen und nach eigenen Angaben einen
qualifizierten Partner für die Nachsorge von etwa 150
Patienten pro Jahr benötigen. „Für den
Gesundheitsstandort Bad Lippspringe ist die neue
Aufgabe eine großartige Auszeichnung. Wir werden
damit unsere Position als Top Standort im Bereich der
Lungen Rehabilitation weiter ausbauen können“, sagt
MZG-Geschäftsführer Achim Schäfer. Sein Dank gelte
Chefarzt Schipmann, der die Herausforderung mit
seinem Team angehe: „Wir sind optimal vorbereitet für
die Transplantationsnachsorge.“ Neben der Einrichtung
einer speziellen Station stocke man auch das Personal
auf, um eine individuelle Betreuung zu ermöglichen.

Mindener Tageblatt 17. Januar 2020

Carolin Nieder-Entgelmeier
Berlin/Bad Oeynhausen.
Organspender wird in Deutschland auch künftig
nur, wer dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Ein
vom Bundestag beschlossenes Gesetz sieht vor,
die Bürger bei Behördengängen und
Hausarztbesuchen zu einer Entscheidung zu
ermuntern. Die geplante Einführung der
Widerspruchslösung als Reform der
Organspende hat der Bundestag abgelehnt. In
Deutschlands größtem
Herztransplantationszentrum,dem Herz und
Diabeteszentrum (HDZ) NRW in Bad
Oeynhausen, löst die Entscheidung Bestürzung
aus. „Mit dem Beschluss wird sich nur wenig
verändern. Unregelmäßige Beratungen in
Hausarztpraxen oder Kommunalverwaltungen
reichen nicht aus, um das Problem niedriger
Organspender Zahlen zu lösen“,erklärt der
ärztliche Direktor des HDZ,Jan Gummert. „Mit
der Entscheidung gegen die Widerspruchslösung
hat der Bundestag die historische Chance eines
dringend notwendigen Paradigmenwechsels
verpasst und damit auch gegen den Willen der
Bevölkerung gestimmt, da sich die Mehrheit für
Organspenden ausspricht.“ Die
Widerspruchslösung ist laut Gummert eine
einfache Möglichkeit, um den Willen der
Bevölkerung zu dokumentieren und die
Solidargemeinschaft im Organspendesystem in
ein Gesetz zupacken. DieErfahrungender 23 EU-
Staaten, in denen die Widerspruchslösung gilt,
zeigen laut Gummert zudem,dass so die
Organspender-Zahl steigt. „Es ist nur ein
Baustein, aber der entscheidende. Ohne diesen
werden auch die Verbesserungen in
Krankenhäusern kaum Wirkung entfalten.“ Die
Abgeordneten, die gegen die
Widerspruchslösung gestimmt haben, sind laut
Gummert jetzt in der Pflicht, alles zu tun, um
die Zahl der Organspender zu erhöhen, damit
sich die Situation der 10.000 Schwerkranken
auf der Warteliste verbessert. „Daran müssen
wir die Abgeordneten messen. Sie akzeptieren,
dass Deutschland Organe aus Ländern mit
Widerspruchslösung akzeptiert, tun aber selbst
nichts dafür, um die Zahlen in Deutschland zu
erhöhen.“ Auch Bundesärztekammer-Präsident
Klaus Reinhardt aus Bielefeld hat sich für die
Widerspruchslösung stark gemacht. „Trotzdem
ist das Gesetz zur Stärkung der
Entscheidungsbereitschaft ein Fortschritt
gegenüber der bisherigen Regelung“, sagt
Reinhardt auf Anfrage dieser Zeitung. Sinnvoll
sei vor allem das Onlineregister zur schnellen
Feststellung der Spendebereitschaft. „Auch
wenn wir uns eine andere Entscheidung
gewünscht hätten,werden wir alles daransetzen,
dieses Gesetz zu einem Erfolg zu machen.“
■ So haben die Bundestagsabgeordneten
aus Ostwestfalen-Lippe abgestimmt:
■ Entscheidungslösung:
Achim Post (SPD)
Frank Schäffler (FDP),
Wiebke Esdar(SPD),
Britta Haßelmann (Grüne),
Christian Haase(CDU),
Elvan Korkmaz-Emre (SPD),
Carsten Linnemann(CDU),
Christian Sauter(FDP)und
Friedrich Straetmanns (Linke).
■ Widerspruchslösung:
Ralph Brinkhaus (CDU),
Stefan Schwartze (SPD) und
Kerstin Vieregge (CDU).
■ Vertrauenslösung:
Udo Hemmelgarn (AfD).
Kommentar
Gegen den Willen der Bevölkerung Thema:
Bundestag lehnt Organspende-Reform ab
Carolin Nieder-Entgelmeier
Der Status quo bleibt bestehen. Der Bundestag
hat entschieden, die Situation für Menschen,die
auf ein lebensrettendes Organ warten, nicht zu
verbessern. 379 Bundestagsabgeordnete haben
mit ihrem Nein zur Einführung der
Widerspruchslösung in kauf genommen, dass
auch weiterhin jedes Jahr Tausende Menschen
sterben werden. Eine Entscheidung gegen den
Willen der Mehrheit der Bevölkerung.
Die Ursache der niedrigen Zahl an
Organspendern sind nicht die Menschen, die
eine Organspende ablehnen, sondern die, die
sich vor einer Entscheidung drücken. Dieses
Problem hätte die Widerspruchslösung beseitigt,
doch der Bundestag hat sich dagegen
entschieden. Deutschland geht in der von den
Abgeordneten vielbeschworenen Einheit
europäischer Länder weiter einen Sonderweg.
Und wird weiter Organe aus Ländern
importieren, in denen die Zahl der
Organspender aufgrund der Widerspruchslösung
höher ist, tut aber selbst nichts, um die Zahl
deutscher Organspender zu erhöhen.
Der Entscheidungslösung fehlt hingegen das
Abverlangen einer Entscheidung. In einer
Solidargemeinschaft kann eine Entscheidung
abverlangt werden, die über Leben und Tod von
Tausenden Menschen entscheidet.Die Umkehr
der bisherigen gesellschaftlichen
Vertragsgrundlage, in jedem zunächst einen
potenziellen Organspender zusehen, es sei
denn, er widerspricht, ist keine Zumutung,
sondern Ausdruck von Zutrauen. Dem
Zutrauen, dass wir verantwortungsvoll über das
Leben anderer Menschen entscheiden.
Es ist zutiefst bedauerlich, dass so viele
Abgeordnete, die gewählt wurden, um sich für
das Gemeinwohl einzusetzen, ihre persönlichen
Beweggründe über ihre eigentliche Aufgabe als
Mandatsträger stellen. Es ist zutiefst
bedauerlich, dass die Gegner der
Widerspruchslösung die Debatte für sich genutzt
haben, um Ängste zu schüren, Halbwissen zu
verbreiten und zu verschweigen,dass der
Grundsatz der Freiwilligkeit auch mit der
Widerspruchslösung unangetastet bleibt. Die
Reformgegner müssen jetzt alles dafür tun, um
die Zahl der Organspender anders zu erhöhen.
Das sind sie nicht nur den 10.000 Menschen auf
der Warteliste schuldig, sondern der gesamten
Bevölkerung.
carolin.nieder-entgelmeier@ihr-kommentar.de

16. Januar 2020
Organspende-Reform kommt: Was bringen die neuen Impulse?
Direkt aus dem dpa-Newskanal
Berlin (dpa) - Das Ziel ist klar: Angesichts Tausender todkranker Menschen auf den Wartelisten sollen in Deutschland dauerhaft mehr Organe gespendet werden. Doch wie soll das gelingen?
Der Bundestag beschloss am Donnerstag eine Reform, die auf mehr Impulse setzt, damit sich mehr mögliche Spender auch konkret entscheiden.
Was soll sich konkret ändern?
Umgesetzt werden soll ein Vorstoß, den eine Abgeordnetengruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linke-Chefin Katja Kipping erarbeitet hat. Der etwas komplizierte Name ist Programm: Ziel ist die "Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende". Dafür sollen mehr regelmäßige Denkanstöße organisiert werden - und leichtere Möglichkeiten, eine Entscheidung zu dokumentieren. Wer ab 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn nach zehn Jahren verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll im Amt Info-Material bekommen. Beim Abholen soll man sich dann schon direkt vor Ort, aber auch jederzeit später zu Hause in ein neues Online-Register eintragen können - mit Ja oder Nein, Änderungen bleiben immer möglich. Auch in Ausländerbehörden soll es ein solches Angebot geben.
Was ist ergänzend geplant?
Selbst beraten sollen die Mitarbeiter der Ämter nicht. Dafür sollen Hausärzte eine größere Rolle spielen, zu denen viele besonderes Vertrauen haben. Sie sollen Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre über Organspenden informieren und zum Eintragen ins Register ermuntern - aber ergebnisoffen und mit dem Hinweis, dass es weiter keine Pflicht zu einer Erklärung gibt. Grundwissen über Organspenden soll auch Teil der Erste-Hilfe-Kurse vor einer Führerscheinprüfung werden, um vor allem junge Leute zu erreichen. Auch bei der Ärzteausbildung soll die Thematik größeres Gewicht bekommen und Prüfungsstoff werden.
Wie rasch greifen die Neuregelungen?
Die Umsetzung braucht noch Zeit. Vor allem, um das zentrale Register beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte aufzubauen. In Kraft treten sollen die Neuregelungen daher zwei Jahre nach Verkündung des Gesetzes - bei Veröffentlichung in diesem Jahr also 2022. Im Register soll dann jeder ab 16 Jahren Erklärungen zur persönlichen Entscheidung zu Organspenden abgeben, ändern oder widerrufen können. Ein Widerspruch ist schon ab 14 möglich. Abrufen können die Angaben dann nur der Betroffene selbst sowie rund um die Uhr benannte Ärzte, die aber nicht an der Organspende beteiligt sind. Wer die Angaben nicht per Internet machen kann oder möchte, kann auch weiter einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung nutzen.
Was ist überhaupt das Problem mit der Spendebereitschaft?
Mehr als 9000 Menschen in Deutschland warten auf Organe. Für sie geht es um Leben und Tod. Und jeder kann ja in diese Situation kommen. Doch nur 40 Prozent haben laut einer Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse einen Spendeausweis, auf dem man Ja oder Nein ankreuzen kann. Dabei haben 84 Prozent generell eine positive Einstellung dazu. Obwohl die Kassen regelmäßig Vordrucke durch die Republik schicken, schieben viele eine Festlegung immer wieder vor sich her. Und ohne ausdrücklich erklärtes Ja dürfen keine Organe entnommen werden.
Was können Vorbehalte sein?
Für Organspenden muss der Tod zweifelsfrei sein: Dafür müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den vollständigen und unumkehrbaren Ausfall des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bestätigen. Manche machen sich Sorgen, dass der Tod zu früh festgestellt werden könnte. Auch Organspendeskandale 2012 verunsicherten viele Leute. Es ging um Manipulationen bei Wartezeiten für Transplantationen. Und generell verhindert eine Spende, dass Angehörige im letzten Moment dabei sein können. Hirntote sind noch warm, das Herz schlägt.
Wie haben sich die Zahlen entwickelt?
Alarmiert hat Ärzte und Politik der Tiefstand von 797 Spendern im Jahr 2017. Womöglich auch angesichts der anziehenden Debatte gingen die Zahlen dann aber herauf - im vergangenen Jahr überließen 955 Menschen nach dem Tod Organe für andere Patienten, etwas weniger als 2018. Jedoch waren es 2012 noch 1200 gewesen. Jeder Spender schenkte zuletzt im Schnitt mehr als drei Schwerkranken neue Lebenschancen.
Was wird noch für mehr Organspenden getan?
Die bundesweit rund 1300 Kliniken, die Organe entnehmen, sollen mehr Geld und Zeit dafür bekommen. Eine Gesetzesänderung dafür ist aber erst im vergangenen Jahr in Kraft getreten. Eigens für Transplantationen beauftragte Mitarbeiter sollen nun mehr Freiräume haben. Kliniken werden für den Prozess von Organspenden besser vergütet. Ein neuer Bereitschaftsdienst mit mobilen Ärzteteams soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen des Hirntods überall festgestellt werden können.
Wie ist die Organspende in anderen Ländern geregelt?
Befürworter der im Bundestag gescheiterten Widerspruchslösung verweisen etwa auf Spanien, das auf viel höhere Spenderzahlen kommt. Dort werden aber auch Spenden nach Herztod einbezogen, wie die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärt. In Frankreich, Belgien, Österreich, Tschechien und Polen gilt ebenfalls die Widerspruchslösung. In Norwegen werden in der Praxis Angehörige vor einer Entnahme gefragt, ob sich der Verstorbene dagegen ausgesprochen hat. In Schweden muss der Verstorbene in der Regel vor dem Tod zugestimmt haben. Sonst werden Angehörige gefragt.
NW 16.01.2020
Herzstiftung für doppelte Widerspruchslösung
An diesem Donnerstag Beratung im Bundestag zum Thema Organspende – Gummert:
„Wichtiger Baustein“
An diesem Donnerstag will der Bundestag über
mögliche Gesetzesänderungen bei der Entscheidung
über die Organspende abstimmen. Potenzial für eine
positive Entwicklung der Organspende sieht die
Deutsche Herzstiftung vor allem in der Einführung einer
doppelten Widerspruchslösung. Eines der Ziele dieser
Lösung ist, dass mehr Patienten eine Organ- oder
Gewebespende erhalten. „Die Kluft zwischen
schwerkranken Herzpatienten, die auf ein Spenderherz
warten, und den verfügbaren Spenderorganen ist weiter
alarmierend“, warnt der Herzchirurg und
Transplantationsmediziner Prof. Dr. Jan Gummert. Er ist
Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung und
Direktor der Klinik für Thorax- und
Kardiovaskularchirurgie am Herzund Diabeteszentrum
(HDZ) NRW in Bad Oeynhausen. Nur leicht ist die Zahl
der transplantierten Herzen von 318 (2018) auf 344
(2019) angestiegen. „Dem stehen auf der Warteliste
mehr als 1000 Herzpatienten gegenüber, die auf ein
Spenderorgan warten. Die doppelte Widerspruchslösung
wäre ein wichtiger Baustein, um Menschen zu helfen,
die dringlich auf ein Spenderorgan warten“, meint
Gummert. „Zudem“, erklärt er, „ist es schwer
verständlich, dass in Deutschland Spenderorgane aus
Ländern mit einer Widerspruchslösung wie Belgien,
Slowenien, Frankreich und Österreich akzeptiert
werden, während bei uns aber eine solche Lösung
bisher nicht eingeführt wurde.“ Die häufigsten Ursachen
und Indikationen für eine Herztransplantation seien
schwerwiegende Herzmuskelerkrankungen, die
koronare Herzkrankheit, die Grund
liert Prof. Gummert seine Position. Er ist auch Präsident
der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie. Die Einführung einer doppelten
Widerspruchslösung dürfte die Auseinandersetzung mit
der Organspende und damit die Dokumentation des
Patientenwillens stärken, heißt es in einer
Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung. Zudem
würden bei dieser Lösung gezielt die Angehörigen zur
sicheren Feststellung des Patientenwillens des
Verstorbenen mit eingebunden. Anders als bei der
bisherigen Entscheidungslösung führe eine nicht
abgegebene Erklärung dazu, dass eine Organ- oder
Gewebeentnahme zulässig sei, wenn die sonstigen
Voraussetzungen für eine Entnahme erfüllt seien. Als
weitere Punkte zur doppelten Widerspruchslösung
nenntdie Deutsche Herzstiftung diese: l Alle
Bürgerinnen und Bürger, die das 16. Lebensjahr
vollendet haben, sollen sich entscheiden. Vor der
Entscheidung erfolgt dreimal eine umfangreiche
schriftliche Information durch die
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Wer nach dreimaliger Information keinen Widerspruch
einlegt, gilt als potenzielle Spenderin oder potenzieller
Spender. l Ein nachträglicher Widerspruch ist jederzeit
möglich. l Es wird ein Register eingerichtet, in dem die
Erklärung zur Organ- und Gewebespende registriert
werden kann. l Vor einer Organ- und Gewebespende
wird der nächste Angehörige der verstorbenen Person
gefragt, ob ein der Entnahme entgegenstehender Wille
der verstorbenen Person bekannt ist.

Politik
Änderungsanträge zur Organspende eingebracht
Mittwoch, 18. Dezember 2019
Berlin – Der Bundestag will sich im Januar des kommenden Jahres mit einer Novelle der Organspende befassen. Im Gesundheitsausschuss wurden heute noch Änderungsanträge zur Widerspruchslösung eingebracht, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegen. Es geht unter anderem um Klarstellungen und Korrekturen beim geplanten Register und eine Werbekampagne für die Organspende.
Eine Gruppe von Abgeordneten um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach strebt mit ihrem Entwurf eine sogenannte doppelte Widerspruchslösung an. Demnach gilt jeder Bürger als möglicher Organspender, der zu Lebzeiten keinen Widerspruch erklärt hat.
Wenn zugleich auch den nächsten Angehörigen kein entgegenstehender Wille bekannt ist, gilt die Organentnahme als zulässig. Die Bürger sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Erklärung zur Organspende in ein Online-Register einzutragen.
Dieses sollte bislang beim Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) angesiedelt werden. Einem Änderungsantrag zufolge soll dies nun das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) übernehmen.
Klarstellungen für Ärzte
Mit den Änderungen werde auch klargestellt, dass die Auskunft aus dem Register an den vom Krankenhaus benannten Arzt weitergegeben werden darf, der mit dem nächsten Angehörigen zu klären hat, ob ein Widerspruch oder ein der Organ- oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille bekannt ist, heißt es in der Begründung zum Antrag.
Eine Klarstellung haben die Abgeordneten um Spahn und Lauterbach in Bezug auf konkrete Abläufe bei der Organspende in einem weiteren Antrag eingebracht. Geregelt wird darin, dass der Arzt, der im Falle eines fehlenden Registereintrags zu klären hat, ob eine Erklärung des möglichen Organ- oder Gewebespenders für eine Spende vorliegt, weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe beteiligt sein darf.
Informationskampagne geplant
„Mit der Regelung werden Interessenkonflikte vermieden, die insbesondere dann entstehen können, wenn der Entnahmearzt oder der transplantatierende Arzt diese Klärung herbeiführen“, heißt es in der Begründung. Die Regelung diene damit der Transparenz des Spendeverfahrens.
Ein dritter Antrag sieht eine umfassende Informationskampagne vor. Wenn es eine Entscheidung für die Widerspruchslösung im Bundestag gibt, soll dadurch die Bevölkerung in einer Übergangsphase über die geänderte Rechtslage angemessen informiert werden, heißt es. Mit einer „umfassenden, geeigneten und multimedialen Kampagne durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ solle sichergestellt werden, dass alle Bürger erreicht werden.

Premiere in Österreich Erstmals "reanimiertes" Spenderherz transplantiert
Üblicherweise werden Organe von hirntoten Organspendern, bei denen das Herz noch schlägt, entnommen und den Patienten transplantiert.
09. Dezember 2019
Zum ersten Mal in Österreich ist in der vergangenen Woche ein Herz nach Tod durch Kreislaufstillstand transplantiert worden. Die sehr seltene Operation wurde am AKH Wien im Herztransplantationsprogramm an der Abteilung für Herzchirurgie (Leitung Günther Laufer) durchgeführt, teilte die MedUni am Montag mit.
Neue Methode
Üblicherweise werden Organe von hirntoten Organspendern, bei denen das Herz noch schlägt, entnommen und den Patienten transplantiert. Die neue Methode mit der Bezeichnung "Donation after Circulatory Death" (DCD) wird bei Lungen-, Leber und Nierentransplantation bereits erfolgreich angewendet. Für das Herz wurde diese Methode aber lange als unmöglich angesehen, da das Herz durch einen längeren Kreislaufstillstand massiv geschädigt werde.
Auch die erste erfolgreiche Herztransplantation, die 1967 von Christian Barnard in Kapstadt durchgeführt wurde, war eine DCD-Transplantation, da damals noch keine Kriterien für die Hirntoddiagnostik existierten, erklärte Günther Laufer. Spender und Empfänger lagen damals in benachbarten Operationssälen. 2014 wurde in Sydney die erste erfolgreiche DCD-Herztransplantation, bei der Spender und Empfänger in unterschiedlichen Spitälern lagen, durchgeführt. Weitere Zentren folgten, vor allem in Großbritannien.
Das DCD-Herz-Programm an der MedUni wird von Arezu Aliabadi geleitet, die sich in Sydney in der neuen Technik schulen ließ und vier Jahre lang die Operation in Wien vorbereitete. Die Transplantation wurde durch den Einsatz des "Organ Care Systems" (Transmedics) ermöglicht, einer transportablen Maschine, in der das Spenderherz wieder zum Schlagen gebracht, laufend analysiert und therapiert werden kann. Wie die "Kronen Zeitung" am Montag berichtete, hat die OP insgesamt neun Stunden gedauert, dem 61-jährigen Empfänger geht es laut MedUni bereits sehr gut. Die DCD-Herztransplantation könne in Zukunft dazu beitragen, Transplantationszahlen zu steigern, die Wartezeit für Patienten zu verkürzen und damit die Sterblichkeit auf der Warteliste zu verringern, hieß es von der MedUni.

Entscheidung über Organspendereform erst im kommenden Jahr
Donnerstag, 7. November 2019
Berlin – Der Bundestag wird nicht mehr in diesem Jahr über eine Reform in der Organspende entscheiden. Darauf haben sich die beiden Abgeordnetengruppen im Bundestag verständigt, wie die SPD heute auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes bestätigte.
Demnach soll eine Entscheidung des Parlaments in der ersten Sitzungswoche Mitte Januar angestrebt werden. Einen genauen Termin gebe es aber noch nicht, hieß es weiter. Eigentlich waren Abschlussdebatte und Beschluss des Bundestages noch für dieses Jahr vorgesehen.
Die Gruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Experten Karl Lauterbach (SPD), die eine Widerspruchslösung vorschlägt, habe jedoch wegen Änderungsanträgen noch einmal um Terminverschiebung gebeten, berichtet der Tagesspiegel.
Dem habe die andere Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Vorsitzende Katja Kipping zugestimmt. Nach deren Antrag soll eine Organentnahme ohne ausdrücklich geäußerten Willen des Spenders auch künftig nicht möglich sein. Allerdings soll die Spendebereitschaft regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt erfragt werden.
Die Abgeordneten um Spahn und Lauterbach dagegen regen an, künftig bei allen Bürgern eine Organentnahme zu erlauben, die dem nicht vorher widersprochen haben. Beide Vorschläge zielen darauf ab, die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Der Ausgang der Abstimmung ist bislang völlig offen. © may/kna/aerzteblatt.de
NW 08.11.2019
Frankfurt (dpa).
In Deutschland warten weiterhin viele Kranke auf ein Spenderorgan.
In den ersten zehn Monaten 2019 sei die Zahl der Spender und der gespendeten Organe nicht angestiegen, teiltedieDeutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit. Die DSO zählte bundesweit bis Oktober 775 postmortale Organspender, im Vorjahreszeitraum waren es 787 Organspender. Die Anzahl der gespendeten Organe liegt laut DSO aktuell bei 2.507 gegenüber 2.566 im Vergleichszeitraum. „Seit zwei Jahrzehnten basteln wir an den Symptomen des anhaltenden Organmangels,ohne dass sich für die Patienten auf den Wartelisten etwas verbessert hat“,sagte der medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel.

Gesundheit
Organspenden: Kärnten mit Vorreiterrolle
Nach Vorwürfen stellt Eurotrasplant und das Wiener Transplantationszentrum klar: Es konnten keine Regelverletzungen bei der Organvergabe festgestellt werden. Im internationalen Vergleich warten Österreicher verhältnismäßig kurz auf ein Spenderorgan, denn es werden mehr gespendet. Bei der Organspenderate ist Kärnten top, hierzulande warten derzeit 60 Personen auf ein Organ.
1. November 2019
Auf eine neue Niere wartet man im Schnitt drei Jahre, auf eine Bauchspeicheldrüse sechs Monate, vier Monate muss man im Schnitt auf ein neues Herz oder eine neue Lunge warten. Zwei Monate auf eine neue Leber.
Ein Weg zurück zur Lebensqualität
Ulf Scheriau erhielt heuer im März ein neues Herz. Der Wirtschaftsjurist aus Klagenfurt erlitt vor neun Jahren einen massiven Herzinfarkt bei einer Bergtour. Seit damals verschlechterte sich der Zustand seines Herzens kontinuierlich, die letzten Jahre war er auf ein Kunstherz angewiesen. Seit der Transplantation im März geht es gesundheitlich wieder bergauf. „Es ist der Weg zurück zur neuen Lebensqualität. Ich bin ganz positiv überrascht wie gut das Ergebnis dieser Transplantation ist. Ich spüre die Verbesserung von Monat zu Monat“, so Scheriau.
Kärnten hat Vorreiterrolle
Möglich geworden ist das Dank eines Spenders. Und Kärnten nimmt bei den Organspenden eine Vorreiterrolle ein, sagt der Transplantationsreferent für Südösterreich, Michael Zink. „Kärnten ist Top in Österreich. Wir haben mit einer Organspenderate mit etwa 40 pro Million Einwohner fast eine doppelt so hohe Rate, wie in Restösterreich“.
Alter der Organspender steigt
In Österreich gilt die Widerspruchsregel, das heißt, wer sich zu Lebzeiten nicht explizit gegen eine Organspende ausspricht, gilt im Todesfall als potentieller Spender. Im Vorjahr haben in Kärnten 23 Menschen Organe gespendet. Kommt jemand in Frage, werden die Angehörigen gefragt. 90 Prozent der befragten Angehörigen stimmen der Organentnahme zu. Der typische Organspender ist mittlerweile nicht mehr das junge Unfallopfer.
„Vor 25 Jahren war der junge Motorradfahrer der klassische Organspender. Heute ist es der 65-Jährige mit Zuckererkrankung und Bluthochdruck, der eine Hirnblutung bekommt. Diese Änderung führt dazu, dass unsere Organspender auch älter werden. War es früher das mittlere Alter ungefähr bei 30 Jahren ist es heute bei 60 Jahren. Bis 90 Jahren ist es kein Problem, wir haben aber auch schon die Organe eines 93-Jährigen übertragen. Wichtig ist, dass die Organe in einem guten Zustand sind“, so Zink.
Zeitdruck beim Transplantieren
Die Entnahme der Organe erfolgt durch ein eigenes Operationsteam aus Graz. Parallel dazu wird die Empfängerin oder der Empfänger auf die Transplantation vorbereitet. „Zeitdruck ist eines der größten Probleme in der Transplantationsmedizin, weil die Zeit, die das Organ außerhalb des Körpers sein darf, ist sehr limitiert“, so Zink. Bei einem Herz bleiben ab der Entnahme maximal acht Stunden Zeit, bei einer Niere bis zu 24 Stunden. In Österreich werden Transplantationen im AKH Wien und in den Universitätskliniken Innsbruck, Graz und Linz durchgeführt.

5. Oktober 2019
Nieren: Organspende trotz Hepatitis?
Behandlung mit antiviralen Medikamenten ermöglicht Transplantation infizierter Nieren
Doch verwertbar: Auch Organe von Hepatitis-C-Patienten könnten sich für eine Transplantation eignen. Denn wie das Beispiel von sieben Nierentransplantationen zeigt, gelangen mit den Organen zwar Hepatitis-Viren in den Körper der Empfänger. Diese lassen sich jedoch erfolgreich mit antiviralen Medikamenten bekämpfen. Nach Ansicht der Mediziner ist die Verpflanzung infizierter Nieren daher bedenkenlos möglich.
In Deutschland mangelt es noch immer massiv an Spenderorganen. Neben der geringen Zahl an Organspendern begrenzen auch Qualitätsanforderungen das Angebot. Um transplantiert werden zu können, müssen Leber, Niere und Co in einem ausreichend guten Zustand sein. Und: Sie dürfen die Gesundheit des Empfängers nicht gefährden – etwa, indem sie ihn mit einer ernsthaften Krankheit anstecken.
Aus diesem Grund galten Organe von Patienten mit Hepatitis C lange Zeit als unverwertbar für Transplantationen. Denn mit dem Gewebe betroffener Spender gelangen zwangsläufig auch die Erreger der leberzerstörenden Infektion in den Körper der Transplantierten. Doch wie gravierend ist das? Weil es inzwischen recht gut wirkende antivirale Medikamente gegen Hepatitis C gibt, scheint die Verpflanzung infizierter Organe heute durchaus eine Option zu sein, wie Mediziner um Justa Friebus‐Kardash vom Universitätsklinikum Essen erklären.
Erfolgreich bekämpft
Die Wissenschaftler berichten nun von sieben Fällen, bei denen Patienten ohne Hepatitis-Infektion die Nieren Hepatitiskranker verpflanzt wurden. Für alle an der Untersuchung beteiligten Empfänger gab es kein anderes passendes Spenderorgan und alle wurden im Vorfeld ausführlich über die Besonderheit ihrer neuen Niere aufgeklärt.
Was passierte nach der Transplantation? Wie erwartet, war das Hepatitis-Virus bei allen sieben Patienten innerhalb von drei Tagen nach dem Eingriff nachweisbar. Aus diesem Grund wurden sie sofort mit antiviralen Mitteln behandelt – und zwar acht bis zwölf Wochen lang. Diese Therapie hatte dem Forscherteam zufolge einen durchschlagenden Effekt. So hatte nicht nur die transplantierte Niere ihre Aufgabe im Körper übernommen. Auch die Leber der Patienten funktionierte ganz normal und das Virus war im Blut der Empfänger nicht mehr nachweisbar.
„Machbar und auch sicher“
„Dank der Expertise unserer Kliniken und Chirurgen konnten wir hier in Essen Organe erfolgreich transplantieren, die zuvor als nicht benutzbar galten. Derzeit ist unsere Stichprobe noch klein, aber es zeigt sich, dass eine frühzeitige antivirale Medikamentierung machbar und auch sicher ist“, konstatiert Mitautorin Ute Eisenberger. „Jetzt werden wir versuchen, in weiteren Untersuchungen den therapeutischen Ansatz zu finden, der für die Patienten optimal ist.“
Bestätigen sich die vielversprechenden Ergebnisse, wäre damit ein wichtiger Schritt im Kampf gegen das Organmangel-Problem gelungen. Denn je mehr Organe für eine Transplantation in Frage kommen, desto mehr Patienten kann in Zukunft geholfen werden.
Quelle: Universität Duisburg-Essen
4. Oktober 2019
- Daniela Albat

24.09.2019
"Doppelte Widerspruchslösung"
Organspende-Anhörung: Viele Experten fordern große Reform
Wie kann man zu mehr lebensrettenden Organspenden kommen? Und mit welchen ethischen Folgen? Der Bundestag berät über zwei Alternativen, und beide Lager sammeln Argumente - auch von Sachverständigen.
Berlin (dpa) - Im Ringen um mehr Organspenden in Deutschland wird unter Experten viel Unterstützung für eine tiefgreifende Reform deutlich.
Anhörung im Bundestag für eine "doppelte Widerspruchslösung" aus, die eine Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) anstrebt.
Demnach sollen alle Volljährigen als Organspender gelten. Man soll dazu aber später Nein sagen können, ansonsten wäre auch noch bei Angehörigen nachzufragen. Dagegen wenden sich unter anderem die beiden Kirchen. Bisher sind Organentnahmen nur bei ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt.
Die Bundesärztekammer erklärt in ihrer Stellungnahme für die Anhörung im Gesundheitsausschuss an diesem Mittwoch, es sei "seit zehn Jahren keine durchschlagend positive Entwicklung der Spenderzahlen" zu verzeichnen. Es sei an der Zeit, den Aspekt der Organspende als solidarische und auf Gegenseitigkeit beruhende Gemeinschaftsaufgabe durch die doppelte Widerspruchslösung auch gesetzlich eindeutig abzubilden. Diese zwinge niemanden dazu, Organe zu spenden, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt am Dienstag. Sie nehme Menschen aber in die Pflicht, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden.
Die großen Kirchen melden indes "erhebliche rechtliche und ethische Bedenken" gegen eine Widerspruchslösung an und unterstützen einen anderen Vorschlag einer Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Dieser sehe "behutsame Modifikationen" im System vor, erklären die evangelische und die katholische Kirche. Sie seien geeignet, "das Vertrauen in die Organspende zu erhöhen und Menschen zu befähigen, eine informierte Entscheidung zu treffen".
Der Entwurf schlägt vor, alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim Ausweisabholen auf das Thema Organspende anzusprechen. Dazu soll ein bundesweites Online-Register gehören, in dem man seine Entscheidung für oder gegen eine Spende eintragen und ändern kann. Zudem sollen Hausärzte bei Bedarf alle zwei Jahre informieren.
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation gibt zu bedenken, dass bei dieser Vorgehensweise eine mehrjährige Umsetzungszeit zu erwarten sei. Eine von Gesellschaft und Politik getragene Widerspruchslösung gäbe "ein klares Signal an die Bevölkerung im Hinblick auf die Organspende".
Dafür spricht sich auch die Stiftung Eurotransplant aus, die für die Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern zuständig ist. Die Einführung der Widerspruchslösung sei nötig "zum Erhalt der Solidarität" im Verbund. Ab kommendem Jahr hätten sie alle Eurotransplant-Länder außer Deutschland. Auch die Deutsche Transplantationsgesellschaft wirbt dafür.
Dagegen argumentiert der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen werde eingeschränkt. Menschen könnten sich zur Organspende gedrängt fühlen, was die Vertrauenskrise verschärfe.
Der Erlanger Theologe Peter Dabrock warnt, die Widerspruchslösung sei auch mit Blick auf Sorgen der nächsten Angehörigen und die Auswirkungen auf die Gesellschaft "schädlich und damit insgesamt unverhältnismäßig". Die Bezeichnung "doppelte" Widerspruchslösung sei zudem irreführend. Davon wäre nur zu sprechen, wenn Angehörige eine eigenständige Entscheidungsmöglichkeit hätten - das werde aber eigens verneint.
Über die beiden Gesetzentwürfe soll der Bundestag voraussichtlich noch in diesem Jahr in freier Abstimmung entscheiden. Auch die AfD hat einen Antrag vorgelegt. Ziel ist es, angesichts von fast 10.000 Menschen auf den Wartelisten zu mehr Spenden zu kommen.
Die Zahl der Spender war nach langem Abwärtstrend 2018 wieder spürbar gestiegen - auf 955. In diesem Jahr gab es aber zunächst wieder einen Rückgang. Von Januar bis August waren es 614 Spender - nach 650 im selben Zeitraum des Vorjahres. Unabhängig von der Debatte gelten inzwischen neue Regeln, um die Organspende-Bedingungen in Kliniken zu verbessern - mit mehr Geld und mehr Freiraum für Transplantationsbeauftragte.

24.09.2019
Interview
„Die Zustimmungsregelung reicht einfach nicht aus“
vonTimot Szent-Ivany
Herr Professor Nuscheler, Gesundheitsökonomen schauen sicher nüchterner auf die sehr emotional geführte Debatte über die künftigen Regeln zur Organspende. Unterstützen Sie den Vorschlag einer Widerspruchslösung von Gesundheitsminister Spahn oder den Gegenentwurf?
Seit Jahrzehnten wird die Bevölkerung darüber informiert, wie wichtig die Organspende ist. Die Krankenversicherung klärt auf, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Stiftung Organtransplantation. Man kann sich diesem Thema doch gar nicht mehr entziehen. Und dennoch sind die Spenderzahlen auf bescheidenem Niveau geblieben. Die bisherige Zustimmungsregelung reicht einfach nicht aus, noch mehr Informationen machen sie nicht besser. Deshalb müssen wir mit der Widerspruchslösung eine neue Variante ausprobieren.
Wie bewerten Sie das Argument der Kritiker, das sei ein unzulässiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht?
Das kann man nicht wegdiskutieren. Aber die Frage ist doch, wie schwer dieser Eingriff wiegt. Man geht davon aus, dass die Widerspruchslösung die Spenderzahlen erhöht. Dann jedoch steigen die Überlebenschancen derer, die auf ein Organ warten. Vor diesem Hintergrund relativiert sich der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht doch ganz erheblich. In einer Situation, in der in Deutschland jährlich gut 1000 Menschen auf der Warteliste sterben, darf man von den Bürgern verlangen, sich mit dem Thema Organspende zu beschäftigen. Dabei muss sich der Einzelne gar nicht mit dem eigenen Tod auseinandersetzen, wie das manche Kritiker ja behaupten. Er kann einfach widersprechen und dann hat sich die Sache erledigt.
Aber führt die Widerspruchslösung auch in der Praxis zu mehr Spenderorganen?
Das ist in der Tat nicht ganz so einfach zu sagen, aber es spricht doch sehr viel dafür. So haben Länder mit einer Widerspruchslösung in der Regel zum Teil deutlich höhere Spenderzahlen als Länder mit einer Zustimmungslösung.
Liegt das tatsächlich an der Widerspruchslösung?
Einfache Ländervergleiche sind nicht ganz unproblematisch, da sich die Länder nicht nur in den Regelungen zur Organspende unterscheiden. Spanien hat europaweit die höchsten Spenderzahlen und hat seit langem eine Widerspruchslösung sowie exzellente Strukturen zur Organgewinnung in den Krankenhäusern. Es spricht viel dafür, dass es die Kombination dieser beiden Dinge ist, die Spanien weit nach vorne bringt. Im Frühjahr wurden in Deutschland per Gesetz die Bedingungen für die Organgewinnung in den Krankenhäusern verbessert. Wenn nun noch die Widerspruchslösung kommt, bin ich hinsichtlich der Spenderzahlen optimistisch. Sollten die Spenderzahlen dann immer noch unzureichend sein, sollte man über Anreize zur Organspende nachdenken.
Was schlagen Sie vor?
Wir plädieren für ein Malus-System. Wer einer Spende widerspricht, wird dann, wenn er selbst einmal ein Organ benötigt, weiter hinten auf die Warteliste gesetzt. Er muss also länger auf ein Organ warten. Wir nennen das Reziprozität. Eine Reihe von Experimenten von Verhaltensforschern hat ergeben, dass die Spendebereitschaft dadurch deutlich steigt. Israel, Singapur und Chile haben übrigens Reziprozitätsregelungen.
Das klingt brutal und unethisch, und in Deutschland gibt es den gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen, unabhängig vom eigenen Verhalten.
Die Knappheit an Organen ist brutal und unethisch. Wir sind moralisch dazu verpflichtet alles rechtlich Mögliche zu unternehmen, diese Knappheit zu beseitigen. Reziprozität kann Teil der Lösung sein. So erhöht man durch die Spendebereitschaft seine Überlebenschancen, sollte man selbst ein Organ benötigen. Außerdem wird die Organverteilung dadurch gerechter. Es ist nicht einzusehen, warum Menschen, die nicht zur Organspende bereit sind, dieselben Chancen auf ein Organ haben sollen wie potenzielle Spender. Schließlich sind die Verweigerer die Ursache für die Knappheit.

Gerichtsurteil: Göttinger Transplantationsarzt erhält Entschädigung
Der Chirurg hatte im Transplantationsskandal ein Jahr in Untersuchungshaft gesessen. Eine Gericht sprach ihm nun eine Entschädigung in Millionenhöhe zu.
13. September 2019, 12:12 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, dpa,
Der 2015 im Göttinger Transplantationsskandal freigesprochene Chirurg soll vom Land Niedersachsen mit mehr als einer Million Euro entschädigt werden. Das hat das Landgericht Braunschweig in einem Zivilverfahren entschieden. Nach Angaben des Richters müsse das Land dem Mediziner etwa 1,1 Millionen Euro zahlen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Arzt Verdienstausfall wegen der Untersuchungshaft hatte. Gegen das Urteil ist Berufung möglich.
Der Mediziner, der das Lebertransplantationszentrum in Göttingen von 2008 bis 2011 leitete, war 2014 in einem bundesweit aufsehenerregenden Prozess um illegale Organspenden verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm unter anderem vorgeworfen, medizinische Daten manipuliert zu haben. Durch falsche Angaben gegenüber Eurotransplant, der Vermittlungsstelle für Spenderorgane in Europa, waren so eigene Patienten des Mediziners bevorzugt mit Spenderlebern versorgt worden. Andere Patienten hatten auf dieser Grundlage dagegen keine Spenderorgane erhalten.
2015 hatte das Landgericht Göttingen den Arzt vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen. Die Richter bescheinigten ihm damals zwar, er habe medizinische Daten manipuliert, um schneller Spenderorgane für seine Patienten zu bekommen. Dem Gericht zufolge war das Verhalten des Chirurgen jedoch auf Basis der damaligen Rechtslage nicht strafbar. Der Bundesgerichtshof schloss sich 2017 dieser Auffassung an.
Verdienstausfall wegen Untersuchungshaft
Nach dem Freispruch hatte der Mediziner Schadensersatzansprüche geltend gemacht, unter anderem als Ausgleich für seinen Verdienstausfall während einer einjährigen Untersuchungshaft. Zudem gab er an, dass er in dieser Zeit eine gut dotierte Stelle in Jordanien nicht habe antreten können. Nach eigenen Angaben war diese mit einem Gehalt von 50.000 Dollar pro Monat dotiert. Der ärztliche Leiter der Klinik in Jordanien bestätigte diese Absprache als Zeuge. Der mögliche Verdienstausfall war der mit Abstand größte Posten unter den Forderungen des Arztes. Nach eigenen Angaben arbeitet der Mediziner mittlerweile für das Krankenhaus in der jordanischen Hauptstadt Amman. Was er dabei seit 2017 verdient, ist nicht bekannt.
Der 2012 öffentlich gewordene Skandal gehört zu den größten Transplantationsskandalen um manipulierte Patientendaten in der Bundesrepublik. Seit dem Bekanntwerden war das Vertrauen in die Organspende signifikant gesunken. 2014 sank die Zahl der Organspender mit 864 auf den niedrigsten Stand seit 1997.
Quelle: Die Zeit
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-09
/gerichtsurteil-transplantationsarzt-organspende-
freispruch-entschaedigung-goettingen

„Supercooling“ macht Organe länger haltbar
Forscher konservieren menschliche Lebern erstmals für 27 Stunden bei Minustemperaturen
10. September 2019
Extrem heruntergekühlt: Forschern ist es zum ersten Mal gelungen, menschliche Spenderorgane bei Minustemperaturen zu konservieren. Sie kühlten Lebern auf minus vier Grad Celsius herunter, ohne dass das Gewebe gefror. Durch dieses sogenannte Supercooling überlebten die Lebern bis zu 27 Stunden außerhalb des Körpers. Das ist dreimal länger als mit gängigen Verfahren in der Regel möglich ist, wie das Team im Fachmagazin „Nature Biotechnology“ berichtet.
Für Menschen mit akutem Organversagen oder einer schweren chronischen Erkrankung ist eine Organtransplantation oftmals die letzte Hoffnung auf Heilung. Doch Spenderorgane sind knapp: Neben der geringen Zahl an Organspenden begrenzt auch der Faktor Zeit das Angebot. So müssen entnommene Lebern, Nieren und Co im Schnitt innerhalb von neun Stunden beim Empfänger sein. Denn außerhalb des Körpers gehen die sensiblen Zellen und Strukturen sehr schnell kaputt.
Forscher suchen daher schon länger nach Alternativen zum gängigen Transport bei vier Grad Celsius in der Kühlbox, die die Überlebensdauer der Organe verlängern könnten. In den Fokus ist dabei zuletzt das sogenannte Supercooling gerückt. Bei dieser Methode werden die Organe auf Minustemperaturen heruntergekühlt, ohne dass sich dabei für das Gewebe schädliche Eiskristalle bilden. Inspiriert ist das Prinzip von der Natur: Auch einige Tiere können dank eines solchen Tricks die kalte Jahreszeit überstehen.
Frostschutz-Cocktail für Lebern
Wie aber gelingt dies bei Organen? Bereits vor fünf Jahren hatte ein Team von US-Wissenschaftlern gezeigt, dass sich Rattenlebern auf minus sechs Grad herunterkühlen lassen, ohne einzufrieren. Möglich wurde dies unter anderem durch die Zugabe spezieller Frostschutzmittel. Auf die 200-mal größeren menschlichen Organe ist dieses Verfahren allerdings nicht so einfach übertragbar. „Je größer das Volumen, desto schwieriger wird es, die Bildung von Eiskristallen bei Minustemperaturen zu verhindern“, erklärt Reinier de Vries von der Harvard Medical School in Boston.
Ihm und seinen Kollegen ist genau dies nun trotzdem gelungen: Sie haben die Supercooling-Methode zum ersten Mal erfolgreich bei menschlichen Lebern angewandt. Um ihr Ziel zu erreichen, passten die Forscher das zuvor bei Ratten erprobte Verfahren in einigen Punkten an. Zunächst optimierten sie die Zusammensetzung der Antifrost-Lösung: Zusätzlich zu den Frostschutzmitteln 3-O-Methyl-D- Glukose und einem Polyethylenglykol gaben sie dabei Trehalose und Glycerin zu der Mischung. Gemeinsam schützen und stabilisieren diese Stoffe die Zellen und verhindern die Eisbildung.
Langsam heruntergekühlt
Für den entscheidenden Schritt koppelten die Forscher menschliche Lebern an eine Perfusionsmaschine, die die Organe ähnlich einem künstlichen Blutkreislauf mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Über diese Maschine speisten sie dann nach und nach die Konservierungsflüssigkeit ein, die sich dadurch besonders gleichmäßig im gesamten Organ verteilte.
Anschließend wurde die Leber langsam auf minus vier Grad Celsius heruntergekühlt. Dabei sorgte das Team dafür, dass kein Kontakt zu Luft bestand. Denn sie hatten herausgefunden, dass Interaktionen mit Luft das Risiko für die spontane Kristallbildung auf der Organoberfläche erhöhen. Nach der Konservierung wurden die Lebern über die Perfusionsmaschine allmählich wieder auf Raumtemperatur gebracht.
Aufgetaut und funktionsfähig
Wie gut hatten die Organe die Prozedur überstanden? Die Ergebnisse zeigten, dass die Lebern dank der Supercooling-Methode bis zu 27 Stunden außerhalb des Körpers überlebten – und damit dreimal länger als beim herkömmlichen Transport in der Kühlbox üblich. Wie die Wissenschaftler berichten, war die Funktionsfähigkeit der Lebern nach der Unterkühlungsprozedur noch genauso gut wie vorher. Transplantiert haben sie die Organe zwar nicht. Simulationen legten jedoch nahe, dass die Lebern die Verpflanzung in einen neuen Körper wahrscheinlich problemlos überstehen würden.
Bestätigen weitere Untersuchungen den Nutzen der neuen Methode, wäre dadurch wertvolle Zeit gewonnen: „Wenn ein Organ verfügbar wird, ist ein geeigneter Empfänger nicht immer in der Nähe“, erklärt de Vries‘ Kollegin Shannon Tessier. „Eine längere Haltbarkeit bedeutet mehr Zeit für die Suche nach einem passenden Patienten und den Transport. Und das bedeutet, dass weniger Spenderorgane entsorgt werden müssen und mehr Patienten gut geeignete Organe erhalten, mit denen sie lange leben können.“
Weitere Alternativen im Test
Das Supercooling-Verfahren ist jedoch nicht die einzige Methode, die derzeit als Alternative zur Kühlbox diskutiert wird. So erproben Mediziner zum Beispiel auch Verfahren, bei dem Organe nicht gekühlt, sondern in einem Zustand wie im Körper gehalten werden. Dabei wird den Organen während des Transports quasi vorgegaukelt, sich noch im Organismus zu befinden. Diese Technik könnte sich vor allem für vorgeschädigte Organe eignen, die Kühlprozesse häufig weniger gut überstehen.
(Nature Biotechnology, 2019; doi: 10.1038/s41587-019-0223-y)
Quelle: Harvard Medical School/ National Institute of Biomedical Imaging & Bioengineering/ Massachusetts General Hospital
10. September 2019
- Daniela Albat

Ärzteschaft
Hausärzteverband und BZgA informieren gemeinsam über Organspenden
Dienstag, 27. August 2019
Berlin/Köln – Der Deutsche Hausärzteverband (DHÄV) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) informieren Patienten gemeinsam über das Thema Organspende. Sie haben dazu ein Magazin namens „entscheiden. Das Magazin zur Organ- und Gewebespende“ erstellt, das künftig in Wartezimmern von Hausarztpraxen ausliegen soll.
„Organspende ist ein sehr persönliches Thema, das für Patienten mit vielen individuellen Fragen verbunden ist“, sagte der DHÄV-Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt. Hausärzte seien in der Regel mit der Krankheitsgeschichte ihrer Patienten und ihrem sozialen Umfeld über Jahre vertraut und daher die idealen Ansprechpartner. Insbesondere der persönliche Ansatz sei wichtig, um Patienten vertrauensvoll und kompetent über ein so sensibles Thema zu informieren
Die erste Ausgabe des Magazins beleuchtet auf rund 30 Seiten unterschiedliche Aspekte der Organspende. In mehreren Portraits und Interviews schildern Menschen ihre persönlichen Geschichten, Erfahrungen und Gedanken rund um die Organspende. Ergänzt werden die Erfahrungsberichte durch Daten und Fakten, eine Zusammenstellung der häufigsten Fragen und Antworten sowie praktische Tipps – beispielsweise, wie man einen Organspendeausweis ausfüllt.
Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA, verwies auf eine Befragung der BZgA wonach 44 Prozent gerne mehr Information zum Thema Organspende hätten. „Diesem großen Bedarf nach Information kommen wir mit dem neuen Wartezimmermagazin zum Thema Organspende nach, indem wir Menschen bei ihrer Entscheidung mit seriösen Informationen unterstützen“, sagte sie.
Gleichzeitig wolle man auch diejenigen erreichen, für die das Thema Organspende bisher nicht relevant gewesen sei. Das neue Magazin soll künftig ein- bis zweimal pro Jahr erscheinen. Hausarztpraxen und interessierte Bürger können es kostenfrei bei der BZgA bestellen. © hil/aerzteblatt.de

1,2 Millionen Euro gefordert Nach Freispruch im Organspende-Skandal: Arzt will Schadenersatz
Von dpa

Göttingen/Braunschweig. Gut vier Jahre nach seinem Freispruch im Prozess um den Göttinger Transplantationsskandal verlangt ein Arzt gut 1,2 Millionen Euro Schadenersatz vom Land Niedersachsen. Eine Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig werde am Freitag über die Klage des Mediziners verhandeln, teilte das Gericht am Dienstag mit.
Der damals vom Dienst suspendierte Chirurg, der während der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig 2013 gut elf Monate lang in Untersuchungshaft gesessen hatte, fordert unter anderem einen Ausgleich für seinen Verdienstausfall. Seine Begründung: Er habe als Folge der Untersuchungshaft eine gut dotierte Stelle in Jordanien nicht antreten können.
Das Landgericht Göttingen hatte den früheren Leiter der Transplantations-Chirurgie an der Göttinger Universitätsmedizin im Mai 2015 nach 64 Prozesstagen vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen.
Entschädigung von 8500 Euro zugesprochen
Die Richter bescheinigten dem Arzt zwar eine verwerfliche Manipulatione medizinischer Daten, die eine schnellere Zuteilung von Organen für seine Patienten bewirkt hätten. Wegen der damaligen Rechtslage sah das Gericht aber keine Strafbarkeit. Der Bundesgerichtshof hatte sich dieser Auffassung angeschlossen und die Revision der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den Freispruch zurückgewiesen. Für die Untersuchungshaft hatte das Landgericht Göttingen dem Arzt damals eine Entschädigung von 8500 Euro zugesprochen.
Der Mediziner verlangt nach Darstellung des Landgerichts Braunschweig mit seiner Klage jetzt in Vielfaches dieser Summe. Es geht um insgesamt 1,207 Millionen Euro. Der Arzt macht vor allem einen Verdienstausfall während der Untersuchungshaft geltend, weil er in dieser Zeit eine Stelle in einen Krankenhaus in Jordanien nicht habe antreten können, die mit 50 000 Dollar im Monat dotiert gewesen sei.
Land weist Forderungen zurück
Zudem verlangt der Arzt laut Gericht die Erstattung eines sogenannten Zinsschadens, weil er die für die Außerkraftsetzung des Haftbefehls verlangte Kaution von 500.000 Euro habe finanzieren müssen. Schließlich fordere der Mediziner die Erstattung der Kosten für eine Verfassungsbeschwerde, durch die er die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft hatte überprüfen lassen wollen. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Das beklagte Land Niedersachsen weist die Forderungen des Mediziners nach Angaben des Landgerichts Braunschweig zurück. Es bestreite, dass der Mediziner tatsächlich in dem jordanischen Krankenhaus angestellt worden wäre und ein Monatsgehalt in Höhe von 50.000 Dollar bezogen hätte.
Unabhängig von der Schadensersatzklage hat das Oberlandesgericht Braunschweig dem Chirurgen kürzlich Auslagenersatz für zwei Verteidiger in dem 2015 abgeschlossenen Göttinger Prozess zugesprochen und das Land Niedersachsen angewiesen, dem Arzt rund 166.000 Euro plus Zinsen zu erstatten. Das Landgericht Göttingen hatte dem Mediziner nur Auslagenersatz für einen Verteidiger zugebilligt.

Ralf Nowotny 5. August 2019
Immer wieder kursiert in sozialen Medien ein Schriftstück, welches diverse Behauptungen über die Praxis bei einer Organentnahme enthält.
Einige Stellen dieses Schriftstücks, dessen Quelle leider nicht bekannt ist, erwecken den Eindruck, dass eine Organentnahme ein grundsätzlich barbarischer Akt ist, der zu verurteilen sei.
Es handelt sich um jenes Schriftstück:

Folgende Stellen sind explizit mit roter Umrandung, Unterstreichung und Pfeilen hervorgehoben:
Der „Spender“ wird an Armen und Beinen festgebunden, um Bewegungen zu verhindern.
Er bekommt muskelentspannende Medikamente und oft auch Narkosemittel, die Schmerzmittel enthalten. Doch viele Anästhesisten verzichten auf Anraten von Ärzteorganisationen auf Narkose- und Schmerzmittel. Das Problem der Bundesärztekammer ist, dass mit einer verpflichtenden Erklärung zur Narkose bestätigt würde, es handele sich bei den „Hirntoten“ um noch lebende Menschen. Also nimmt man billigend in Kauf, dass Menschen während der Organentnahme Schmerzen erleiden könnten.
Bei „normalen“ Operationen werden diese Zeichen [Blutdruck-, Herzfrequenz- und Adrenalinanstieg] als Schmerzreaktionen gewertet. Nicht jedoch bei „Hirntoten“!
Die Organe werden bei schlagendem Herzen freigelegt und für die Entnahme präpariert.
Mit der Entnahme der Organe ist der „Hirntote“ gestorben.
Den Pflegekräften bleibt es am Ende oft allein überlassen, den Körper auszustopfen und die riesigen Wunden zu verschliessen.
Ein friedvolles und behütetes Sterben im Beisein von Angehörigen oder Freunden ist bei einer Organentnahme nicht möglich. Sterbebegleiter sind die Transplantationsmediziner.
Zusammengefasst soll jener Text also belegen, dass eine Organentnahme eine unaussprechliche Qual für den Spender darstellt.
Ob dies nun auch allerdings den Tatsachen entspricht, möchten wir im Folgenden betrachten!
Wann ist ein Mensch wirklich tot?
Immer wieder wird von verschiedenen Arten des Todes gesprochen: Hirntod, Herztod, Erstickungstod, Organtod. Allerdings weisen all diese Namen zumeist nur auf die Ursache eines Todes hin und erwecken nur einen scheinbaren Eindruck, dass man den endgültigen Tod eines Menschen verschieden definieren könne.
Wie aber Stefanie Förderreuther vom Neurologischen Konsiliardienst der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in einem Gespräch mit Bayern2 erklärte, gibt es im Prinzip nur einen Tod: Den Hirntod!
Wie wird der Hirntod festgestellt?
Der medizinisch sogenannte „Irreversible Ausfalls der Hirnfunktionen“ besagt, dass die Gesamtfunktion des Gehirns dauerhaft außer Kraft gesetzt ist und sich auch nicht mehr erholen kann. Dabei wird von allen Hirnarealen gesprochen, also Großhirn, Kleinhirn, Zwischenhirn und Hirnstamm. Wenn auch nur eines davon noch funktionsfähig ist, liegt auch kein Hirntod vor.
Bei der neurologischen Untersuchung von Patienten müssen Ärzte immer wieder den Zustand des Gehirns überprüfen, bevor ein Gehirntod diagnostiziert werden kann. Dies geschieht beispielsweise durch Überprüfung des Atemantriebes, Hustenreflex, Reaktion der Pupillen auf Licht und Blinzelreflex bei Berührung der Hornhaut des Auges.
Zusätzlich wird überprüft, ob bestimmte Einflüsse die neurologischen Untersuchungen beeinflussen, beispielsweise ob ein bestimmtes Medikament oder Besonderheiten im Stoffwechsel des Patienten dazu führen, dass nur ein scheinbarer Hirntod vorliegt. Letztendlich werden auch bei
manchen Patienten EEG-Messungen vorgenommen, um Gehirnströme nachzuweisen, dazu
noch Durchblutungsuntersuchungen, also ob das Gehirn überhaupt noch mit Blut versorgt
wird.
Und all diese Tests werden nicht etwa von einem Arzt alleine gemacht, sondern von zwei Ärzten unabhängig voneinander. Beide Ärzte müssen jahrelang Erfahrung in der Intensivstation vorweisen können, eine spezielle Ausbildung bekommen haben und dürfen nichts mit einer eventuellen, späteren Organentnahme bei einem Patienten zu tun haben.
Bevor also ein Patient für hirntod erklärt wird, werden eine Vielzahl von Untersuchungen durchgeführt. Wenn dieser aber dann schließlich von zwei Ärzten unabhängig voneinander festgestellt wurde, steht fest, dass das Gehirn, die Schaltzentrale des Menschen, nicht mehr funktioniert.
Ohne Hirnfunktion kein Schmerz!
Was viele Angehörige von hirntoten Patienten verunsichert (und letztendlich wohl auch zu jenem obigen Schriftstück führte), ist der Anblick des Patienten:
Ein hirntoter Mensch sieht im Krankenhaus keineswegs tot aus! Der Kreislauf funktioniert noch, der Brustkorb hebt und senkt sich, die Haut hat eine relativ gesunde Farbe, sogar Schwitzen und Fieber sind bei einem solchen Patienten möglich.
Dies alles geschieht allerdings nur, weil diese Körperfunktionen durch die Maschinen am Krankenbett aufrecht erhalten werden. Würde man die Maschinen abschalten, stünde der Kreislauf in kürzester Zeit still, das Herz würde aufhören zu schlagen, die Leichenstarre würde einsetzen.
Wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert, kann ein Patient auch nichts mehr empfinden, auch keinen Schmerz mehr, da die Signale der Nerven im Körper vom Gehirn nicht mehr verarbeitet werden!
Warum wird der Körper dann festgeschnallt?
Zwar können vom Gehirn aus keine willentlichen Bewegungen mehr ausgeführt werden, ein hirntoter Patient kann aber durchaus noch Reflexe zeigen.
Als Beispiel sei das Hämmerchen genannt, welches einem der Arzt manchmal auf das Kniegelenk haut, um den Reflex zu testen: Der Unterschenkel schnellt automatisch nach vorne, obwohl er vom Gehirn keinen Befehl dazu bekommen hat.
Teilweise konnten Ärzte bei hirntoten Patienten auch komplexere Bewegungen feststellen, bei der der Patient beispielsweise bei einem Schmerzreiz am Brustbein mit den Armen versucht, die Hand des Arztes wegzuwischen. Dies sorgt bei unerfahrenen Arzthelfern natürlich für große Verunsicherung, doch mittlerwqeile konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass diese Reflexe von Nerven kommen, die sich im Rückenmark befinden.
Jene Nerven im Rückenmark werden weitgehenst vom Gehirn kontrolliert, doch wenn dieses nicht mehr funktioniert, reagieren die Nerven unkontrolliert und lösen manchmal jene Reflexe aus.
Auch aus diesem Grund müssen bei einer Organentnahme immer erfahrene Ärzte anwesend sein, die genau feststellen können, ob ein Reflex nur vom Rückenmark ausgeht oder ein Indiz für eine Hirntätigkeit ist.
Warum bekommt ein Hirntoter Narkosemittel?
Bei einer lebenden Person soll die Narkose dazu dienen, dass der Patient keine Schmerzen empfindet, in einen schlafähnlichen Zustand versetzt wird und die Muskeln des Patienten entspannt werden. Für jedes dieser Ziele gibt es ein Medikament:
Ein Mittel gegen Schmerzen = Analgetikum,
ein Schlafmittel = Hypnotikum und
ein Mittel zur Muskelerschlaffung = Muskelrelaxans
Bei einer Organentnahme werden Muskelrelaxantien werden verabreicht, um spinale Reflexe, die zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz während der Organentnahme führen, zu verhindern. Also keine Narkose, keine Schmerzmittel, aber ein Medikament um spontane Muskelbewegungen zu unterbinden.
Fazit
Das obige Schriftstück wurde anscheinend von einem Laien verfasst, der sich nicht wirklich mit dem medizinischen Hintergrund einer Organentnahme beschäftigt hat.
Vor einer Organentnahme muss der Hirntod zweifelsfrei von zwei Ärzten unabhängig voneinander durch verschiedene Untersuchungsmethoden festgestellt werden. Mit dem Hirntod hat ein Patient auch keinerlei Schmerzempfinden mehr. Alle Punkte in dem Schriftstück gehen aber davon aus, dass ein Patient noch prinzipiell am Leben ist.
So wird die Medikation eines hirntoten Patienten missgedeutet, ebenso die Reflexreaktionen des Körpers falsch interpretiert. Das schlagende Herz wird nur noch durch Maschinen am Leben erhalten, ist jedoch kein Indiz dafür, dass der Patient eigentlich noch lebt, wenn festgestellt wurde, dass das Hirn nicht mehr arbeitet.
Somit steht zwar auf dem Totenschein tatsächlich erst das Datum der Organentnahme als Todesdatum, allerdings auch nur deswegen, weil zu diesem Zeitpunkt dann auch die Maschinen abgeschaltet werden, welche den Kreislauf und die Organe am Leben erhalten haben, während das Hirn, somit auch der Mensch, im Prinzip schon tot waren.
Der Hirntod selbst wird auch deshalb nicht direkt als Todesdatum verwendet, da es nicht möglich ist, einen exakten Zeitpunkt dafür festzulegen: Ärzte schauen nicht einfach kurz, sagen „Hirntod“ und haken es ab, sondern das EEG des Patienten darf mindestens vier bis acht Wochen lang keinerlei Hirntätigkeiten vorweisen.
Schlussendlich ist das Schriftstück also eine Sammlung von falschen Behauptungen und Missinterpretationen über Organentnahmen
Quelle:
https://www.mimikama.at/allgemein/faktencheck-organspende/


Donnerstag, 18.07.2019, 10:24
Organspende ist ein schwieriges Thema - nicht nur hinsichtlich der aktuellen Diskussion um die Widerspruchslösung. Für viele Menschen ist immer noch die Frage nur unvollständig geklärt, ob es als Hirntoter wirklich keinen Weg mehr zurück gibt. Ein Kommentar von FOCUS-Online-Gastautor Heiko Burrack.
Die Frage, ob es als Hirntoter wirklich keinen Weg mehr ins Leben gibt, stellt auch Frau Kelle in ihrem Gastbeitrag und beantwortet sie gleich: Aus ihrer Sicht haben Mediziner das Hirntodkonzept geschaffen, damit sie straffrei Menschen Organe entnehmen können. Die offensichtliche Begründung liegt auf der Hand: Wie sonst könnten hirntote Frauen Kinder gebären und wie sonst kommt es bei der Organentnahme zu einem Anstieg des Blutdrucks.
Wären diese Menschen wirklich tot, wäre dies aus Sicht von Frau Kelle nicht möglich. Nun ist hier die Antwort ein wenig komplizierter. Ich beginne mit der Frage, warum überhaupt das Hirntodkonzept eingeführt wurde. Die Gründe finden wir Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Seinerzeit gab es in der Intensivmedizin viele Innovationen.
Die Intensivmedizin hat heute ganz andere Möglichkeiten als früher
Ärzte können seither Patienten künstlich beamten; vorher sind sie verstorben, wenn sie nicht mehr selbsttätig Luft holen konnten. Der Herztod war die Folge. Nun konnten die Ärzte vielen von ihnen eine Brücke zurück ins Leben bauen. Genau daraus hat sich aber die Frage entwickelt, wie lange die Ärzte diese und andere Maßnahmen durchführen durften. Wann ist dies ethisch nicht mehr zulässig?
Die Antwort ist Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts wie heute die gleiche: Man muss damit aufhören, wenn der Hirntod eingetreten ist. Damals wurde der Begriff Coma depasse eingeführt, der genau diesen Zustand beschreibt. An der Frage und der Antwort darauf hat sich nichts geändert. Der Hirntod hat also mit der Transplantation im ersten Schritt wenig zu tun. Er ist vielmehr auf Fortschritte in der Intensivmedizin zurückzuführen.
Einen Toten darf man nicht mehr beatmen
Ein zweiter Fehler besteht eben genau im unzulässigen Verknüpfen von Transplantation und Hirntod. Jeder Leser kommt zu der Annahme, dass beide Themen fest miteinander verwoben sind. Natürlich kann man in Deutschland nur dann Organe entnehmen, wenn der Hirntod festgestellt wurde. Aber wird diese Diagnose auch bei einem Patienten durchgeführt, bei dem die Organe definitiv nicht explantiert werden?
Die Antwort ist ein eindeutiges Ja. Im Zweifelsfall müssen die Ärzte diesen Diagnoseschritt gehen, weil man auch hier feststellen muss, ob jemand tot ist. Dabei schließt sich der Kreis, da die Ärzte nach der Feststellung des Hirntodes sofort mit jeder Therapie aufhören. Es gibt dann keinen Weg mehr zurück und genau deswegen ist es ethisch nicht mehr in Ordnung weitere Maßnahmen durchzuführen. Oder kurz: Einen Toten darf man nicht mehr beatmen.
Wie ein Kind in einer Toten heranwachsen kann
Wenn aber zum Beispiel eine Frau tot ist, wie kann sie dann noch ein Kind gebären und warum ist das Sperma eines Mannes noch zeugungsfähig? Beim Sperma ist die Sache einfach: Sterben ist ein Prozess. Auch wenn das Herz für immer aufgehört hat zu schlagen, bricht nicht das gesamte Leben im Körper zusammen. Der Magen verdaut noch einige Stunden weiter und die Hornhaut kann man noch 48 Stunden danach zur Spende für Blinde entnehmen.
Bei der hirntoten Schwangeren ist es etwas komplizierter: Hier geht es nicht mehr darum, das Leben dieser Frau zu retten; sie ist tot. Die Ärzte wollen nur noch ein lebendes Baby zur Welt bringen. Die Plazenta arbeitet dabei weitestgehend autonom, wenn genug Sauerstoff und Nährstoffe im Blut sind. Wie weitestgehend dies heute schon möglich ist, zeigt das Heranwachsen eines Lämmchens in einem Plastikbeutel.
Hirntote haben noch Reflexe
Wie sieht es aber mit dem im Text von Frau Kelle erwähnten Blutdruckanstieg aus? Solche Reaktionen gehören in das weite Feld der spinalen Reflexe und sind sicherlich das größte Problem. Sie sind es nicht, weil sich daraus Zweifel am Hirntod ableiten lassen. Für die Angehörigen, für die Ärzte und auch für das Pflegepersonal stellen sie vielmehr eine psychologische Herausforderung dar. Neben einem Anstieg des Blutdrucks kann es bei Hirntoten noch vor der Operation zu Bewegungen der Finger, aber auch der Hände und der Arme kommen.
Auch wenn ganz ausgeprägte Bewegungen selten sind, können sie gerade von den Angehörigen nur als Schock empfunden werden. Aber was passiert da genau? Reflexe, also eine unwillkürliche und gleichartige Reaktion auf einen bestimmten Reiz, können entweder über das Gehirn oder das Rückenmark geschaltet werden. Ein Reflex des Gehirns ist zum Beispiel das Verengen der Pupillen, wenn wir von einer dunklen in eine helle Umgebung gelangen. Auch die Atmung ist ein solcher Reflex des Stammhirnes.
Alle diese über unser Denkorgan gesteuerten Reaktionen sind bei einem hirntoten Menschen nicht mehr zu finden und kommen nie wieder. Da aber das Rückenmark noch funktionsfähig ist, sind diese darüber gesteuerten Reflexe noch voll sichtbar. Bei einem Hirntoten wird sich der Unterschenkel also bewegen, wenn man die richtige Stelle am Knie trifft. Die Bewegungen sind aber auch deshalb so ausgeprägt, weil das Gehirn nicht mehr regulierend eingreifen kann.
Die involvierten Ärzte profitieren vom Festellen des Hirntods nicht
Um überhaupt Organe spenden zu können, müssen außerdem Voraussetzungen gegeben sein. Ich nenne hier nur einige: Der Patient muss im tiefsten Koma liegen und befindet sich damit immer auf einer Intensivstation. Und er wird künstlich beatmet. Sind diese und weitere Vorrausetzungen erfüllt, werden in einem zweitstufigen Prozess die Hirnstammreflexe überprüft.
Beim zweiten Durchgang sprechen wir vom Unwiederbringlichkeitstest, weil er zeigt, dass das Gehirn nicht wiederherstellbar verloren ist. Aber auch an die Untersucher werden spezielle Anforderungen gestellt. Die Ärzte müssen voneinander unabhängig sein und es muss sich jeweils um Fachärzte handeln, also zum Beispiel um Neurologen oder Neurochirurgen. Beide müssen mehrjährige Intensivmediziner sein.
Auch wenn ich den Prozess hier nur ganz kurz angerissen habe, sieht man schon, dass er mit viel Aufwand verbunden ist. Es sei nochmals festgehalten, dass die involvierten Ärzte davon nicht profitieren. Sie haben nur mehr Arbeit.
Info: Organspende
Für eine Organspende müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
Bei dem Patienten muss durch mehrere Untersuchungen ein irreversibler Ausfall der Hirnfunktion zweifelsfrei festgestellt worden sein – unabhängig voneinander durch zwei verschiedene Ärzte.
Es muss eine Einwilligung des Patienten zur Organspende vorliegen, etwa in Form eines Organspendeausweises. Gibt es keine Aussage des Patienten dazu, werden die Angehörigen um eine Entscheidung im Sinne des Verstorbenen gebeten.
Gespendet werden können generell Herz, Lunge, Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse und Teile des Darms. Dabei ist es auch möglich, bestimmte Organe von der Spende auszuschließen.
Weniger Oberflächlichkeit, mehr Tiefe bitte
Was bleibt: Das Hirntodkonzept ist im Detail schwierig und kann in der Praxis schockierend sein. Das ändert aber nichts daran, dass man gerade bei einem solchen Thema keine Ängste schüren, sondern unter die Oberfläche blicken sollte.

"Für Hirntote gibt es keine Hoffnung, wieder aufzuwachen"
Viel zu wenige Deutsche spenden Organe. Manche haben Angst, dass etwas schiefläuft, zeigt eine ZEIT-ONLINE-Umfrage. Ein Experte erklärt, warum das nicht nötig ist.
Interview: Victor Karpinski
26. Juni 2019, 10:51 Uhr
Im Bundestag wird an diesem Mittwoch über zwei Gesetzentwürfe zur Reform des Organspenderechts debattiert. Drei Menschen sterben jeden Tag in Deutschland, weil sie kein Spenderorgan bekommen. Und das, obwohl die allermeisten Deutschen der Organspende positiv gegenüberstehen. Wo liegt also das Problem? ZEIT ONLINE hat seine Leserinnen und Leser gefragt, ob sie Angst vor der Organspende haben. Über die Zuschriften, die uns erreicht haben, haben wir mit Christian Hugo gesprochen, Generalsekretär der Deutschen Transplantationsgesellschaft.
ZEIT ONLINE: Einige unserer Leser haben Angst vor der Organspende. Besonders häufig davor, zu früh für hirntot erklärt zu werden.
Christian Hugo: Es kursieren viele Geschichten darüber, dass irgendwann mal irgendjemand fälschlicherweise zu früh für hirntot erklärt worden ist. Nur sind das eben Gerüchte. In Deutschland wurde bis heute kein einziger derartiger Fall nachgewiesen. Ich kann Ihren Lesern versichern: Diese Angst ist vollkommen unberechtigt.

Sobald ein Verdacht auf irreversiblen Hirnfunktionsausfall, also Hirntod, besteht, wird eine
ganze Palette an Untersuchungen durchgeführt (siehe Infobox). Zwei unabhängige Ärzte
prüfen und stellen fest, ob der Patient die typischen Symptome des Hirntodes aufweist.
Dazu müssen beispielsweise jegliche Hirnströme auf dem EEG erloschen und alle
Hirnstammreflexe ausgefallen sein. Bei der Prüfung muss immer ein erfahrener Neurologe
dabei sein. All das wird mindestens zweimal nach 12 oder 72 Stunden überprüft. Das
Verfahren ist extrem sicher.

ZEIT ONLINE: Einige Leser wollten wissen, ob der Spender bei der Entnahme eine Narkose erhält.
Hugo: Grundsätzlich braucht der Spender keine Narkose, denn bei einem festgestellten Hirntod kann er keine Schmerzen mehr empfinden. Sein Gehirn ist nicht mehr durchblutet, alle Zentren, die für die bewusste Wahrnehmung zuständig sind, arbeiten nicht mehr. Wenn manche Krankenhausärzte dennoch eine Narkose durchführen, machen sie das aus einem anderen Grund: Sie wollen unwillkürliche Muskelzuckungen unterbinden. Basale Teile des Nervensystems, die mit dem Bewusstsein rein gar nichts zu tun haben, wie zum Beispiel die Reflexbögen im Rückenmark, können auch bei Hirntoten noch funktionieren. Ich verstehe, dass das für Laien manchmal schwer zu verarbeiten ist, weil sie unwillkürliche Bewegungen für ein Lebenszeichen halten. Deshalb muss ich noch einmal betonen: Für Hirntote gibt es keine Hoffnung, wieder aufzuwachen.
ZEIT ONLINE: Eine andere Angst unserer Leser: Weil Ärzte oder Angehörige schnell an die Organe eines schwerkranken Menschen heranwollen, wird auf Maßnahmen verzichtet, um ihn zu heilen oder am Leben zu halten.
Hugo: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ärzten an deutschen Kliniken geht es immer darum, Leben zu retten. Oft sind Ärzte ja mit dem gegenteiligen Vorwurf konfrontiert: zu viel zu machen, Menschen auf der Intensivstation zu lange am Leben zu halten. Wenn manche Patienten trotz aller Maßnahmen nicht zu retten sind und der Krankheitsverlauf eine offensichtliche reine Leidensverlängerung ohne Chancen auf Erholung zeigt, werden die therapeutischen Maßnahmen eingefroren oder beendet, und der Patient stirbt. Leider denken die Ärzte in diesen Fällen und Situationen nicht immer daran, dass dieser Patient möglicherweise seine Organe hätte spenden wollen.
ZEIT ONLINE: Viele unserer Leserinnen und Leser sagen: Wenn ich schon bereit bin zu spenden, möchte ich auch, dass die Transplantation erfolgreich verläuft. Wie häufig kommt es vor, dass Transplantationen schiefgehen?
Hugo: Transplantationen sind an deutschen Kliniken Routine. In den allermeisten Fällen gehen sie gut. Aber natürlich kann es auch zu Komplikationen kommen. Wie erfolgreich eine Transplantation ist, hängt von ganz verschiedenen Dingen ab: vom Transplantationsteam, dem Krankheitszustand des Organempfängers, davon, unter welchen Umständen der Spender gestorben ist und natürlich von der Qualität der Organe. Wir haben in Deutschland im Schnitt alles andere als optimale Spenderorgane, aber auch überproportional kranke Organempfänger, da sich während der langen Wartezeit auf ein Organ der Gesundheitszustand der Empfänger kontinuierlich verschlechtert. Dennoch funktionieren zum Beispiel von 100 gespendeten Nieren nach einem Jahr noch weit über 90 Prozent.
ZEIT ONLINE: Woran liegt es, dass wir keine optimalen Organe haben?
Hugo: Je jünger der Spender, desto besser funktionieren die Organe und desto besser ist die Reservefunktion der Organe. Das Spendenalter aber liegt in Deutschland bei durchschnittlich 55 Jahren. Weil wir in Deutschland europaweit die geringste Spenderquote haben, können wir es uns nicht erlauben, auf ältere Organe zu verzichten. Für die Nierentransplantation gibt es deshalb das European Senior Program, in dem Spender, die älter als 65 Jahre sind, Organe von über 65-Jährigen bekommen.
ZEIT ONLINE: Hätten wir mehr Spender in Deutschland, hätten wir also auch höhere Erfolgsraten?
Hugo: Ja. In Deutschland sind die Ergebnisse in der Nieren-Lebendspende im Europäischen Vergleich besonders gut, aber bei der Spende nach dem Tod, wo die Spendersituation in Deutschland katastrophal ist, unterdurchschnittlich. In Ländern, in denen postmortal mehr Organe gespendet werden, warten die Patienten kürzer und überstehen die Operation im Schnitt besser, die Erfolgsrate steigt. Spanien ist mit 46,9 Spenderinnen und Spendern je eine Millionen Einwohner und Jahr das führende Land in Europa. In Deutschland kommen wir nur auf circa 10 Spender pro Million Einwohner.
ZEIT ONLINE: Noch etwas hat unsere Leserinnen und Leser bewegt. Passiert es manchmal, dass ein qualitativ hochwertiges Organ, das bereits entnommen wurde, nicht transplantiert wird, weil die Organisation versagt, es beispielsweise logistische Probleme gibt?
Hugo: Das kann man grundsätzlich nie ausschließen. Aber mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem das passiert ist. Die Organspende ist ein komplett durchorganisierter komplexer Prozess, der von der Deutschen Stiftung Organtransplantation sehr kompetent ausgeführt wird.

ZEIT ONLINE: Wie sieht es mit Missbrauch und Organhandel aus? Der deutschlandweite Organspendeskandal vor sieben Jahren hat Vertrauen gekostet. Was wird getan, damit sich so etwas nicht wiederholt?
Hugo: Vor sieben Jahren haben einige Ärzte an bestimmten Krankenhäusern und Transplantationszentren einzelne Patienten auf dem Papier kränker gemacht haben, als sie waren. Das ist Missbrauch, den man nicht entschuldigen kann. Es handelte sich aber nie um Organhandel, sondern darum, dass Ärzte ihre eigenen Patienten bevorzugt haben. Inzwischen ist das strafbar und an Krankenhäusern wurden zahlreiche Änderungen eingeführt. Es gibt jetzt Mehraugen-Transplantationskommissionen und regelmäßige strenge Kontrollen durch eine zentrale Prüfungs- und Überwachungskommission, außerdem wurde eine Vertrauensstelle für Transplantationsmedizin gegründet.
ZEIT ONLINE: In unserer Umfrage stellte sich auch heraus: Manche misstrauen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Können Sie das nachvollziehen?
Hugo: Nein, überhaupt nicht. Die DSO war gar nicht in den Skandal involviert. Sie kümmert sich erst, wenn der irreversible Hirnfunktionsausfall bereits festgestellt ist und organisiert dann den Ablauf der Organspende. Sie hat keinen Einfluss darauf, wer die Organe erhält und auch keinen Interessenkonflikt. Die DSO erfüllt kompetent eine wichtige, klar umschriebene, vor allem organisatorische Aufgabe, es gibt keinen Grund, ihr zu misstrauen.

Ärztepräsident: Empfang von Spenderorgan von Spendebereitschaft abhängig machen
In der Debatte um Organspenden hat Ärztepräsident Klaus Reinhardt dafür geworben, den Empfang eines Spenderorgans teilweise von der eigenen Spendebereitschaft abhängig zu machen.
20. Juni 2019
In der Debatte um Organspenden hat Ärztepräsident Klaus Reinhardt dafür geworben, den Empfang eines Spenderorgans teilweise von der eigenen Spendebereitschaft abhängig zu machen. Das sei "diskussionswürdig", sagte der neue Präsident der Bundesärztekammer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). "Wer bereit ist zu geben, kann bevorzugt empfangen."
Reinhardt verwies auf eine Regelung in Israel. Dort hänge der Platz auf der Empfängerliste bei Organtransplantationen auch davon ab, ob und wann sich jemand zum Spender erklärt habe. "Wer zu einer Spende bereit ist, wird bei der Transplantation eines Organs bevorzugt", sagte der Ärztekammerpräsident. "Das intensiviert den Gedanken, sich mit dem Thema zu befassen." Es wundere ihn, dass dies in der politischen Debatte in Deutschland bisher keine Rolle gespielt habe.
In der Diskussion um Organspenden wirbt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für die sogenannte Widerspruchslösung. Demnach soll künftig jeder Bürger als Organspender gelten, solange er dem nicht ausdrücklich widerspricht. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat Spahn zusammen mit dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach vorgelegt.
Kritiker, vor allem Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping, setzen stattdessen auf mehr Information und Beratung. Sie haben einen eigenen Gesetzentwurf vorgestellt.

Bundesärztekammerpräsident schlägt neue Regeln bei Organspende vor
Donnerstag, 20. Juni 2019
Berlin – Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat neue Regeln bei der Organspende vorgeschlagen. Wer selbst zur Organspende bereit sei, könne auch bei der Vergabe von Spenderorganen bessergestellt werden, sagte Reinhardt heute den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
„Den Empfang eines Spenderorgans von der eigenen Bereitschaft zur Spende abhängig zu machen, finde ich diskussionswürdig“, sagte er. „Wer bereit ist zu geben, kann bevorzugt empfangen.“ Reinhardt bezog sich bei seinem Vorschlag auf eine Regelung in Israel. Dort hänge der Platz auf der Empfängerliste bei Organtransplantationen auch davon ab, ob und wann sich jemand zu Lebzeiten zum Spender erklärt habe.
„Wer zu einer Spende bereit ist, wird bei der Transplantation eines Organs bevorzugt. Das intensiviert den Gedanken, sich mit dem Thema zu befassen“, sagte Reinhardt. Es wundere ihn, dass dies in der politischen Debatte in Deutschland bisher keine Rolle gespielt habe.
In der kommenden Woche wird der Bundestag das erste Mal über eine Neuregelung der Organspende debattieren. Zur Diskussion steht dabei unter anderem die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeschlagene Widerspruchslösung.
Danach wird automatisch jeder zum Organspender, der nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Reinhardt nennt das eine gute Lösung. „Länder wie Spanien, in denen es die Widerspruchslösung gibt, haben eine deutlich höhere Zahl von Transplantationen. Das erhoffe ich mir auch für Deutschland“, erklärte er.
Wenn die Menschen durch die Widerspruchslösung „wohlmeinend angestupst“ würden, um sich mit Organspende zu befassen, sei das gut. Auch der konkurrierende Gesetzentwurf zu Spahns Vorschlag, der eine regelmäßige Befragung der Bürger und die Einrichtung eines Spenderregisters vorsieht, sei „ein Fortschritt“, sagte Reinhardt. © kna/aerzteblatt.de

Stiftung Patientenschutz zum deutschen Organspendesystem: Der Staat sollte mehr Macht bekommen
Epoch Times1. Juni 2019
Bisher sind die Schlüsselfunktionen wie Organisation und Durchführung von Organspenden von privatrechtlichen Akteuren besetzt, erklärt Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz. Selbst bei den Verteilungsregeln und der Kontrolle sei der Staat weitestgehend außen vor. Er fordert eine Änderung.
Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz verlangt mehr Verantwortung für staatliche Institutionen beim Thema Organspende.
Er forderte, die Verantwortung für das Transplantationssystem auf eine staatliche Institution zu übertragen. Bisher seien die Schlüsselfunktionen wie Organisation und Durchführung von privatrechtlichen Akteuren besetzt.
Selbst bei den Verteilungsregeln und der Kontrolle sei der Staat weitestgehend außen vor. Daher sei es nicht verwunderlich, dass letztlich nur 36 Prozent einen Organspendeausweis besäßen, kritisierte Brysch.
Die Stiftung Patientenschutz kritisierte weiterhin, das alle bisherigen Bemühungen und Gesetzentwürfe zum Thema Organspende die Gerechtigkeitsfrage außer Acht lassen. Das Vertrauen in die Gerechtigkeit sei aber „eine Voraussetzung für eine positive Stimmung bei der Organspende“.
Ältere Bürger zweifeln an der Gerechtigkeit im Organspendersystem
Vor allem ältere Bundesbürger haben Zweifel an der Gerechtigkeit des Organspendesystems. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) halten das Transplantationssystem in Deutschland nicht für gerecht, wie aus einer Umfrage der Deutschen Stiftung Patientenschutz hervorgeht, die der Nachrichtenagentur AFP am Samstag vorlag. Die Hälfte der Befragten (50 Prozent) hält das System hingegen für gerecht.
Erhebliche Unterschiede zeigen sich in den Altersgruppen. Während bei den 14- bis 29-Jährigen fast zwei Drittel (65 Prozent) meinen, dass das Organspendesystem gerecht sei, sinkt die Zustimmung mit dem Alter.
Bei den 30- bis 59-Jährigen denkt weniger als die Hälfte so (47 Prozent), bei den über 60-Jährigen halten nur 44 Prozent das System für gerecht. Das Marktforschungsunternehmen Kantar hatte für die Erhebung Mitte Mai 1025 Menschen ab 14 Jahren befragt.
Tag der Organspende in Kiel
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb zum Tag der Organspende am Samstag erneut für die sogenannte Widerspruchslösung. „Ich finde, jeder Mensch sollte sich zumindest ein Mal im Leben mit dem Thema Organspende auseinandersetzen“ erklärte Spahn auf Twitter. Angesichts des großen Mangels an passenden Organen in Deutschland dankte Spahn den Spendern: Leben zu schenken bedeute „größtmögliche Solidarität“.
Der Tag der Organspende findet jährlich am ersten Samstag im Juni statt, zentraler Veranstaltungsort war in diesem Jahr Kiel. „Bei Begegnungen mit Menschen, die dank einer Organspende noch am Leben sind, kann man hautnah erleben, wie lebenswichtig Organspende ist“, sagte Spahn in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt.
In einem Gastbeitrag für die „Passauer Neue Presse“ vom Samstag hatte Spahn zuvor betont, dass es bei der Widerspruchslösung keinen Automatismus gebe. Volljährige Bürger als potenzielle Organspender sollten künftig „dreimal angeschrieben und auf diese Rechtsänderung hingewiesen“ werden – „und sie können jederzeit widersprechen“, schrieb der Minister. Falls dies nicht zu Lebzeiten passiere, würden die Angehörigen nach dem Willen der Verstorbenen gefragt.
„Die einzige Pflicht wäre, sich Gedanken zu machen“, erklärte der Minister. „Ich finde, ein ‚Nein‘ auszusprechen, ist angesichts der bedrückenden Lage auch in unserer freien Gesellschaft zumutbar.“
AfD: Widerspruchslösung und Zwangsmaßnahmen
Bei der Organspende gilt bislang die sogenannte Entscheidungsregelung, derzeit stehen bundesweit etwa 10.000 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan.
Spahn setzt sich mit dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach für die Widerspruchslösung ein; Kritiker, vor allem Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping, setzen stattdessen auf mehr Information und Beratung und stellten einen eigenen Gesetzentwurf vor.
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Axel Gehrke, bekräftigte am Samstag die Forderung der AfD nach einer „Vertrauenslösung“. Eine Widerspruchslösung werde „allein schon durch die damit verbundene Zwangsmaßnahme eher das Gegenteil erreichen“, kritisierte er. (afp/dpa)

TUM VORTRAG
Freisinger Forscherin: Das Schwein als künftiger Organspender
„Schwein gehabt“ könnte es bald schon heißen, wenn Menschen ein Spenderorgan brauchen. In Freising referierte Forscherin Prof. Angelika Schnieke.
Freising– Sicher erinnern sich viele noch an Dolly, das erste Schaf aus der Retorte. In den 1990er-Jahren schaffte es ein Team aus Wissenschaftlern, das Tier aus einer einzigen Zelle zu reproduzieren. Eine von ihnen war Professor Angelika Schnieke. Seitdem hat sich viel getan in der Forschung und Schnieke arbeitet heute an ihrem Lehrstuhl für Biotechnologie an der TUM daran, das Schwein zum Organspender des Menschen zu machen. In der beliebten Reihe „Wissensschaft für alle erklärt“ gab die Professorin jetzt Einblick in ihr Fach.
Dabei musste man als Zuhörer konzentriert dabei sein. Biotechnologie, Genforschung – ein komplexes Thema, das für Normalsterbliche schwer zu greifen ist. Noch schwieriger wird es, wenn die Folien in der Präsentation vor allem auf Englisch sind. Doch die Zuhörer lauschten gespannt, zu faszinierend fanden sie wohl die Vorstellung, dass ein Schweineherz einmal ihr Leben retten könnte.
Nur drei von 1000 Organen sind tauglich
Dass die Forschung nach alternativen Organspendemöglichkeiten enorm wichtig ist, zeigte Angelika Schnieke gleich zu Beginn auf. Deutschland sei im europaweiten Vergleich am unteren Ende der Liste, wenn es um die Spenderwilligkeit geht. Aber selbst wenn mehr Menschen spenden würden: „Es sind ohnehin nur drei von 1000 Organen tauglich“, sagte sie und folgerte: „Ein Mangel wird bleiben.“ Und hier kommt das Schwein ins Spiel, das Säugetier, dessen Organe denen des Menschen physiologisch sehr ähnlich sind. Langfristiges Ziel ist es, die Organe des Tieres genetisch so zu verändern, dass sie der menschliche Körper nicht mehr abstößt. Xenotransplantation nennt man das dann, die Transplantation zwischen zwei Spezies.
Algen sind die Lösung
Klingt verrückt? Ist aber mehr als reine Zukunftsmusik. Schweineherzklappen werden bereits transplantiert. Auch sogenannte Inselzellen, eine Zellgruppe in der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produziert, können bereits verpflanzt werden. Damit sie vom Körper nicht abgestoßen werden, müssen sie derzeit in einem kleinen Container in die Bauchdecke eingesetzt werden. Und weil die Zellen so nicht mit Sauerstoff versorgt werden, muss der von außen zugeführt werden. „Da hängen Schläuche aus dem Bauch, das ist noch nicht so optimal“, zog Schnieke Bilanz. Allerdings könnten Algen im Container die Lösung sein. Die würden durch Lichtbestrahlung Sauerstoff produzieren. Daran arbeitet man gerade. Ganze Organe hat man auch schon in Tierversuchen transplantiert. So hat zum Beispiel ein Affe mit einem zusätzlichen Schweineherz drei Jahre überlebt.
Die Sache mit den Inselzellen
Problem bei allen Transplantationen: ein Zuckermolekül, das sogenannte Alpha-Gal, aufgrund dessen der Mensch das Organ sofort abstößt.
Um das zu verhindern, wollen die Forscher die Schweinegenetik verändern. Das könnte auch andere menschliche Probleme lösen, etwa Fleischallergien. In etwa fünf Jahren soll die Methode mit den Inselzellen klinikreif sein, die Sache mit dem Herz allerdings frühestens erst in zehn Jahren.
Aber die Forschung schreitet weiter voran. Dann könnte man bald sagen „Schwein gehabt“.

Stand: 27.05.2019
Organspende: Ziel ist, den Empfängern Gutes zu tun
von Andreas Schmidt
Bundesweit warten fast 10.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Viele sterben, bevor sie eine rettende Spende erhalten können. Am 1. Juni ist Tag der Organspende. Im Schleswig-Holstein Magazin widmen wir dem Thema eine ganze Wochenserie: Wie ist es, jahrelang auf ein Organ zu warten, wie lebt es sich mit Organen eines anderen Menschen im eigenen Körper, wie läuft eine Spende ab?
Das Leben sucht sich seinen Weg, genau wie der Tod. Diesmal war es an einem Sonntagmorgen im Mai, als der Anruf kam. Im Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg ist eine Patientin verstorben. Der Kieler Chirurg Dr. Jan Beckmann fährt hin, um ihre Organe zu entnehmen. "Das ist für uns ein professionelles Herangehen und das Ziel dabei ist, am Ende auch den Empfängern mit den Organen Gutes zu tun", erklärt Beckmann. "Das ist sicherlich manchmal nicht ganz einfach. Jetzt bei älteren Personen ist es für uns vielleicht auch einfacher. Aber es gibt natürlich auch Situationen, wo Kinder zur Organentnahme anstehen. Da ist es für alle Beteiligten nochmal deutlich belastender", so Beckmann.
Die Vorbereitungen laufen den ganzenTag
Die Körperfunktionen der Patientin werden bis zur Organentnahme künstlich aufrecht erhalten. Ein irritierender Anblick: Der Brustkorb hebt und senkt sich, aber nur durch die Beatmungsmaschine. Schon den ganzen Tag über laufen die Vorbereitungen. Die Frage ist, ob die Organe gesund genug für eine Transplantation sind. Jan Beckmann wird es erst nach der Operation wissen.
Auch juristisch sind die Hürden für die Organentnahme genommen. Nach dem Organspendenskandal vor sieben Jahren sind die Regeln noch einmal verschärft worden. Richtig findet Beckmann. Er braucht Sicherheit. Denn er arbeitet in einem Grenzbereich. In diesem Fall ist die Zustimmung der Patientin eindeutig durch ihren Spenderausweis nachvollziehbar. Die ältere Frau ist nach einem erfüllten Leben gestorben. Schon vor der Operation waren Leber und Nieren der Verstorbenen an Kranke vergeben. Wer die Organe erhält und wo sie eingesetzt werden, das bleibt geheim.
Jeder sollte sich entscheiden - und darüber sprechen
Für niemanden im OP-Saal ist das hier leicht. "Man steht auch so ein bisschen vor der Frage, wie würde ich reagieren, wie würde ich für meine Angehörigen entscheiden", sagt Dr. Ingo Meisenburg von der Deutschen Stiftung Organspende. "Deswegen finde ich es auch so wichtig, dass jeder seine Entscheidung selber trifft und auch darüber spricht. Denn es ist oft eine große Last für Angehörige, eine solche Frage entscheiden zu müssen, so Meisenburg.
In diesem Fall war die Organspende eindeutig von der Patientin bestimmt. Das ist Beckmann am liebsten. Eine Leber kann etwa zwölf Stunden außerhalb eines Körpers überleben, eine Niere sogar 24 Stunden. Einpflanzen werden sie andere Chirurgen in den Empfängerkliniken. Vorher untersuchen Spezialisten noch Gewebeproben, damit nicht doch eine bislang unentdeckte Krankheit mit verpflanzt wird.
Eine Tote - und drei Menschen können wieder hoffen
Jan Beckmann ist fertig: "Gerade am Anfang handelt es sich eigentlich um eine normale Operation, wir machen einen Hautschnitt, der Patient ist anästhesiologisch betreut. Insofern ist das zu Beginn eine gewohnte Situation. Aber das Ende ist sicherlich abweichend", erklärt Beckmann sichtlich erschöpft. Zwei Nieren, eine Leber. Drei Menschen, die dem Tod nahe sind, können jetzt auf das Leben hoffen. Und die Chirurgen haben am nächsten Tag um sieben wieder Dienst.
Wissen Organspenden 19.05.2019
Forscher regenerieren Schweineherzen: Hilfe bei geschädigten Spenderlungen?
Der Mangel an Organspenden ist ein großes Problem. Einen möglichen medizinischen Ausweg haben US-Forscher geprüft. Der Wert für die klinische Praxis sei allerdings
begrenzt, gibt ein Experte zu bedenken.
New York
Mit dem Ziel, die Zahl verfügbarer Spenderlungen zu erhöhen, haben Wissenschaftler ein Verfahren zur schnellen Lungenregeneration entwickelt. Dabei wird das Organ außerhalb des Körpers therapiert, um es in einen Zustand zu bringen, in dem es für die Transplantation geeignet ist. „Bemerkenswerterweise werden bis zu 80 Prozent der gespendeten Lungen nicht verwendet, häufig als Folge einer Verletzung zum Zeitpunkt des Todes“, erläutern die Forscher um Matthew Bacchetta von der Vanderbilt University in Nashville (Tennessee/USA) in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.
Eine Ursache für Verletzungen ist das Verschlucken von Erbrochenem, das durch den hohen Säuregehalt die Luftwege der Lunge verätzt. Bacchetta und Kollegen entwickelten und testeten eine Methode, um solche Verletzungen schnell zu kurieren und die Lunge in einen transplantationsfähigen Zustand zu versetzen.
Schon nach 18 Stunden hatte sich die Lunge erholt
Die Forscher verwendeten Schweine als Modellorganismen. Sie platzierten Mageninhalt mit einem pH-Wert von 2 (sehr sauer) in einen Lungenflügel. Nach sechs Stunden entnahmen sie die komplette Lunge und schlossen den Blutkreislauf über Kanülen außerhalb des Körpers an ein zweites Schwein an („Cross Circulation“). Dann wurde die Lunge künstlich beatmet und die Wissenschaftler führten therapeutische Maßnahmen durch: Sie spülten innerhalb von 15 Minuten dreimal die Luftwege der Lunge. Dann ersetzten sie den oberflächenaktiven Stoff (Surfactant). Schließlich ergriffen sie Maßnahmen, um möglichst viele Lungenbläschen zu reaktivieren.
Während der Prozedur und des Heilungsprozesses maßen die Forscher zahlreiche biologische Funktionen, zum Teil über Biomarker. Schon nach 18 Stunden hatte sich die Lunge gut erholt. Nach 36 Stunden war der verletzte Lungenflügel zwar noch nicht wieder komplett regeneriert, doch waren die Werte so gut, dass die Lunge hätte transplantiert werden können. Die Forscher testeten ihr Verfahren an insgesamt acht Schweinen. Außerdem zeigten sie, dass der Heilungsprozess mit einer weiterentwickelten Thermografietechnik gut überwacht werden kann.
Methode in der Praxis ungeeignet?
Als Einschränkung ihrer Studie geben die Forscher an, dass nur eine von vielen Verletzungsarten getestet wurde und auch nur an einem Lungenflügel. Auch müssten in weiteren Studien die Auswirkungen der Immunsuppression – der Unterdrückung des Immunsystems zur Verringerung der Abstoßungsreaktion – untersucht werden. Jedes Jahr stürben Tausende Patienten, während sie auf geeignete Organe für die Transplantation warteten, schreiben die Forscher. „Die Wiederherstellung eines ungeeigneten Organs kann ihre einzige Chance für eine Transplantation und ein Überleben darstellen.“
Für grundsätzlich gut gemacht hält Gregor Warnecke von der Medizinischen Hochschule Hannover die Studie, an der er nicht beteiligt war. Ihm gefällt der Ansatz, dass im Tiermodell genau definierte Schäden zugefügt wurden, um exakte Messungen des Therapie- und Heilungsprozesses vornehmen zu können. Allerdings hält er die Behandlung der Lunge außerhalb des Körpers in der „Cross Circulation“ für veraltet: „Seit es Herz-Lungen-Maschinen und auch spezielle Organperfusionsmaschinen gibt, ist diese Methode eigentlich obsolet und beim Menschen auch im Grunde undurchführbar.“
Warnecke, der auch stellvertretender Vorsitzender der Kommission Herz/Lunge bei der Deutschen Transplantationsgesellschaft ist, sieht den Wert der Studie für die klinische Praxis als recht begrenzt an.
Von RND/dpa

Politik
Bundestag will Anfang Juni über Organspende beraten
Donnerstag, 16. Mai 2019
Berlin – Über eine Reform der Organspende will das Parlament in der ersten Juniwoche beraten. Das kündigte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach heute vor der Presse an. Zur Debatte stehen zwei Vorschläge, mit denen die derzeitige Situation des Mangels an Spenderorganen verbessert werden soll.
Der am 1. April von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Lauterbach sowie weiteren Abgeordneten vorgelegte Entwurf eines „Gesetzes zur Regelung der doppelten Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz“ sieht im Kern vor, dass jeder volljährige Mensch in Deutschland automatisch als Organspender gilt – es sei denn, er hat dem widersprochen.
Seit dem 6. Mai liegt zudem ein Alternativvorschlag einer Gruppe von Bundestagsabgeordneten aus Union, SPD, FDP, Linken und Grünen um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock vor. Ihr Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsfreiheit bei der Organspende“ setzt explizit auf eine bewusste und freiwillige Entscheidung der Menschen und deren ausdrückliche Zustimmung zur Organspende.
Für Lauterbach ist es zwar „großartig“, dass es diesen Alternativvorschlag gibt. Er sei ein guter Anstoß für die Debatte. „Inhaltlich geht er aber nicht weit genug“, sagte er. Allein durch die Einführung eines Onlineregisters sei kein Effekt auf die Zahl der gespendeten Organe zu erwarten.
„Wir drehen mit dem Vorschlag nur eine weitere Zeitschleife“, kritisierte er. Auch die bisherigen Bemühungen bei der Entscheidungslösung hätten schließlich nicht ausreichend gefruchtet. „Die einzige Möglichkeit zur Steigerung der Spenderzahlen ist die Widerspruchslösung“, betonte er.
Ob man tatsächlich eine doppelte Widerspruchslösung braucht, wie von Spahn und Lauterbach gefordert, war indes bei den Ärzten und Juristen der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) bei ihrem Treffen Mitte April umstritten.
Befürworter wie Bernhard Banas, Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft, und Henning Rosenau, Direktor des Interdisziplinären Wissenschaftlichen Zentrums Medizin – Ethik – Recht der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sind sich sicher, dass durch eine Einführung der Widerspruchslösung die Zahl der Organspenden um 20 bis 30 Prozent ansteigen würde. Sie plädierten für einen „Kulturwandel“ pro Organspende: „Wir brauchen eine gesellschaftliche Übereinkunft, dass man mit Organspende Leben retten kann.“
Kritiker der Widerspruchslösung hielten dagegen, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Organspender um 16 Prozent zugenommen, die Zahl der Organ-Transplantationen aber um 30 Prozent abgenommen habe. „Auch in den Ländern mit einer Widerspruchslösung sind die Organspenden nicht automatisch hoch gegangen“, betonte der Theologe Eberhard Schockenhoff von der Universität Freiburg.
Er halte es zudem für problematisch, so schwerwiegende Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht von Menschen vorzunehmen. „Es gibt keine moralische Verpflichtung zur Organspende“, sagte er. „Wir brauchen eine rechtliche Regelung, die die Interessen der Organempfänger berücksichtigt, aber auch die Freiwilligkeit des Spenders sicherstellt.“ © ER/aerzteblatt.de

Vermischtes
Mehr als 60 Prozent der Deutschen wären bei Widerspruchslösung Organspender
Mittwoch, 15. Mai 2019
Berlin – Fast zwei Drittel der Deutschen wären Organspender, wenn sie diesen Status automatisch von Geburt an hätten. Aktuell besitzen gerade einmal 36 Prozent der Bundesbürger einen Organspenderausweis. Diese große Lücke ist der bestehenden Zustimmungslösung geschuldet. Das stößt bei vielen Menschen in Ländern mit Widerspruchslösung auf Kritik, wie der Stada-Gesundheitsreport 2019 zeigt.
63 Prozent der deutschen Teilnehmer gaben demnach an, dass sie ihren Status als Donor beibehalten würden, wenn auch hierzulande ein passives System bestünde.
Unter den rund 18.000 Befragten waren jeweils rund 2.000 Befragte aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Serbien, Spanien und dem Vereinigten Königreich. Die Befragung wurde vom Marktforschungsinstitut Kantar Health im Auftrag der Stada Arzneimittel AG durchgeführt.
Bei einer Pressekonferenz in Berlin wurde deutlich, dass in Deutschland – wie auch in Großbritannien, das ebenfalls auf eine Zustimmungslösung setzt – ein großes ungenutztes Potenzial an Organspendern existiert.
Die anderen sieben untersuchten Nationen haben eine Widerspruchslösung. Dort ist nicht nur die Zahl der Organspender höher als in der Bundesrepublik, die Bevölkerung der Länder kritisiert teilweise auch das Zustimmungssystem: Knapp die Hälfte der Befragten hält das Vorgehen von Deutschland und Großbritannien für wenig sinnvoll. 22 Prozent sind sich sicher, dass dadurch viele Organspender verloren gehen, weitere 24 Prozent halten die Organspende ohnehin für ihre Pflicht.
Gene sind Privatsache
Eine weitere Frage war, wie offen die verschiedenen Nationen gegenüber neuen Trends in der Medizin sind und wie sehr sie noch auf die klassische Medizin vertrauen. Die Deutschen schnitten in beiden Punkten unterdurchschnittlich ab. Der Gesundheitsreport zeigt, dass die Deutschen offenbar am ehesten auf die eigenen Erfahrungen vertrauen und sowohl technischem als auch medizinischem Fortschritt skeptischer gegenüberstehen als der Rest Europas.
Würde der Arzt zum Beispiel einen Gentest empfehlen, um Gesundheitsrisiken besser abschätzen zu können und eine bessere Behandlung anzubieten, würden nur 42 Prozent vorbehaltlos zustimmen. In allen anderen befragten Ländern liegt der Wert bei über 60 Prozent.
Besonders skeptisch sind deutsche Frauen und die Befragten zwischen 35 und 49 Jahren, von ihnen würden nur 39 bzw. 37 Prozent vorbehaltlos zustimmen. Weitere 24 Prozent der Deutschen würden zwar zustimmen, sich dabei aber sehr unwohl fühlen. Jeder Dritte lehnt kategorisch ab. Warum? Fehlendes Vertrauen in die Richtigkeit des Tests (8 Prozent) oder Angst, dass die eigenen Ergebnisse in die „falschen Hände“ geraten (4 Prozent). Und jeder Fünfte sagt, er möchte gar nicht wissen, welche Risiken ihn erwarten.
In anderen Nationen steht man Gentests offener gegenüber, in Spanien etwa würden 90 Prozent der Befragten einen Test durchführen lassen, wenn der Hausarzt es empfehlen würde. Ein durchaus überraschendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass nur im Schnitt 24 Prozent der Befragungsteilnehmer in Europa überhaupt wissen, was bei einem Gentest untersucht wird und was damit entdeckt werden kann.
„Dieses Ergebnis zeigt zum einen den Einfluss, denn der Hausarzt auf seine Patienten hat, andererseits aber auch große Wissenslücken“, sagte Tim Irfan von Kantar Health, der die Ergebnisse der Befragung vorstellte.
Grundsätzlich zeigt der Report auf, dass es beim Gesundheitswissen der Europäer noch Nachholbedarf gibt. Von den rund 18.000 Teilnehmern beantworteten nur 51 alle sechs gestellten Wissensfragen – wie „Was ist ein Generikum?“, „Was ist ein Biosimilar?“ „Was sind Probiotika?“) korrekt. Spitzenreiter war Spanien (15 Teilnehmer, die alle Fragen beantworten konnten), Deutschland bewegte sich mit fünf „Alleswissern“ im unteren Mittelfeld.
OP vom Roboter stößt auf Ablehnung
Ein ähnlich kritisches Bild wie bei den Gentests zeigt sich in Deutschland auch bei anderen zukunftsrelevanten Fragen: 49 Prozent der Bundesbürger können sich vorstellen, vom Arzt eine Diagnose via Webcam zu bekommen. Nur in Belgien sind noch weniger Menschen offen für die zeitsparende Art der Kommunikation mit dem Arzt. Biosensoren zur Überwachung von Gesundheitsdaten würden 29 Prozent der Deutschen nutzen, im europäischen Durchschnitt sind es 38 Prozent, Spitzenreiter ist Spanien mit 49 Prozent.
Beim Blick in die fernere Zukunft lehnt jeder zweite Deutsche eine Operation von einem Roboter kategorisch ab. Nur in Serbien sind es noch mehr. In Italien beispielsweise würden sich zwei Drittel der Bevölkerung vom Roboter operieren lassen. Besonders skeptisch in Deutschland sind in diesem Punkt wieder Frauen – von ihnen würden sich nur 42 Prozent von einem Roboter operieren lassen.
Angesichts dessen, dass roboterassistierte Operationen bereits gang und gäbe seien, bestehe hier offenbar dringen Aufklärungs- und Informationsbedarf, sagte Tim Irfan von Kantar Health.
Misstrauen gegenüber Schulmedizin
Aber auch der klassischen Schulmedizin stehen die Deutschen offenbar mit Skepsis gegenüber. Nur 23 Prozent der Bundesbürger vertrauen dieser völlig, 39 Prozent immerhin im Großen und Ganzen. Besonders misstrauisch sind erneut Frauen und die Altersgruppe der 35- bis 49-Jährigen, also diejenigen, die auch den Gentest am häufigsten kategorisch ablehnen. Im Ländervergleich haben nur Russland, Polen und Serbien noch weniger Vertrauen in die Schulmedizin.
Worauf vertrauen die Deutschen dann? Auf sich selbst. Bei Anzeichen einer leichten Erkrankung, etwa Magen- oder Erkältungsbeschwerden, greifen 49 Prozent auf Hausmittel wie Hühnerbrühe oder Wärmflasche zurück, der mit Abstand höchste Wert in allen neun befragten Ländern. Im europäischen Durchschnitt setzen nur 27 Prozent zuerst auf Hausmittel, in Italien sogar nur 14 Prozent.
Zuerst zum Arzt gehen in Deutschland elf Prozent, noch ein Prozent mehr geht für eine Beratung zuerst in die Apotheke. Damit schlagen Arzt und Apotheke das Internet, hier suchen nur acht Prozent als Erstes nach einer Lösung. Das größte Vertrauen in Arzt und Apotheke haben die Spanier: 38 Prozent von ihnen gehen bei ersten Krankheitssymptomen zuerst zum Arzt, 20 Prozent zur Beratung in die Apotheke. © nec/aerzteblatt.de
Der Tagesspiegel: Ärztepräsident: Widerspruchslösung bei Organspenden könnte sich als kontraproduktiv erweisen
Der Tagesspiegel
Mittwoch der 8. Mai 2019 - 1:00 Uhr
Berlin (ots) - Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hat sich skeptisch zur
Widerspruchslösung bei der Organspende geäußert. Er befürchte, dass eine
solche Reform kontraproduktiv sei und das Misstrauen in die
Transplantationsmedizin befördere, sagte Montgomery dem Berliner
"Tagesspiegel" (Mittwochausgabe). Gleichzeitig warf er Gesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) vor, mit dieser Idee zu früh vorgeprescht zu sein.
Er halte die Widerspruchslösung zwar für richtig, habe aber "immer auch
dazu geraten, diese Debatte nicht jetzt zu führen, sondern erst mal
abzuwarten, wie die beschlossenen Verbesserungen in den Kliniken wirken",
sagte Montgomery. Diese gerade erst beschlossene Reform und nicht eine
Widerspruchregelung sei der zentrale Baustein für mehr Organspenden.
"Wir merken ja, dass diese wichtige Debatte nun aufgrund des zusätzlichen
Vorstoßes von Spahn schon wieder in Parteienstreit zerfällt", meinte der
Ärztepräsident. Er sei "entsetzt darüber, dass es bestimmte Politiker nicht
schaffen, die großen ethischen Fragen auf anderer Ebene zu diskutieren."
http://www.tagesspiegel.de/politik/aerztepraesident-zu-sterbehilfe -und-organspenden-wir-muessen-haltung-zeigen-auch-gegen-den-zeitgeist /24311698.html
Rückfragen richten Sie bitte an: Der Tagesspiegel, Newsroom, Telefon 030-29021-14909

30.04.2019
Bad Oeynhausen (WB). Israelische Forscher haben jüngst mit einem
3D-Drucker ein Mini-Herz aus menschlichem Gewebe erzeugt. Der
Prototyp, dessen Zellen sich noch nicht synchron zusammenziehen
können, hat die Größe eines Hasenherzens. Es besteht aus Gewebe
und Blutgefäßen und verfügt über Kammern. Über die
Forschungsarbeit der Universität Tel Aviv hat diese Zeitung mit Prof.
Dr. Jan Gummert, Ärztlicher Direktor am Herz- und
Diabeteszentrums (HDZ), gesprochen. Die Fragen stellte Claus
Brand.
?Was ging Ihnen spontan durch den Kopf, als Sie vom Mini-
Herz aus dem 3D-Drucker gehört haben?
Prof. Jan Gummert: Ein spannendes Forschungsergebnis, über das
aber viel zu früh und so prominent berichtet wird. Vielen Patienten
wird dann wieder Hoffnung gemacht, die so nicht gerechtfertigt ist.
Anfragen, ob wir unseren Patienten, die auf ein Herz warten, nun
ein Herz drucken würden, gab es zum Glück nicht.
?Wie würden Sie dem medizinischen Laien das
Druckverfahren erklären?
Gummert: Im Gegensatz zu leblosen Materialien, die beim 3DDruck
genutzt werden, wurden hier lebendige Zellen verwendet. Der
Computer, der den 3DDrucker steuert, wählt dann statt
verschiedenen Farben oder Materialien unterschiedliche Zellen aus,
die mit Hilfe von Stabilisierungsmaterialien Schicht für Schicht zu
einem großen Zellklumpen angehäuft werden.
?Bis Patienten profitieren können, wird es wohl noch viele
Jahre dauern. Was ist Ihre Einschätzung zum Zeitfenster?
Gummert: Solange es kein funktionstüchtiges Tiermodell gibt, ist es
unverantwortlich, ein Zeitfenster für die klinische Einführung zu
nennen.
?Wo sehen Sie die Probleme auf dem Weg der
Weiterentwicklung der Forschungsergebnisse aus Tel Aviv?
Gummert: Entscheidende Hindernisse auf dem Weg zu ersten
Tierversuchen müssen noch überwunden werden. Die mit dem
3DDrucker aufgeschichteten Zellen arbeiten nicht miteinander, was
aber für ein funktionierendesHerz eine zwingende Voraussetzung ist.
Auch muss das Verfahren für größere Herzen funktionieren, was
noch nicht gezeigt wurde. Die Durchblutung eins funktionstüchtigen
Herzens ist außerdem viel komplexer als ein nicht arbeitendes Herz.
?Ist der Begriff »Medizinischer Meilenstein« in diesem
Zusammenhang zutreffend? Gummert: Den Begriff
»Medizinischer Meilenstein« schätze ich überhaupt nicht. Dadurch
werden unberechtigte Hoffnungen bei Patienten geweckt, die nur
selten erfüllt werden können. Bei einem solchen Forschungsprojekt
sollte von einem »Meilenstein in der Grundlagenforschung«
gesprochen werden.
?Gibt es einen Bezug dieser Forschungsarbeit zum Herz und
Diabeteszentrum?
Gummert: Die im HDZ durchgeführte Transplantationsforschung ist
patientennah und beschäftigt sich vor allem mit der Entwicklung
schonenderer Therapieformen zur Vermeidung von Abstoßungen.

?Sie treffen einen der Forscher aus Israel. Welche
Frage/Fragen stellen Sie ihm? Gummert: Welche konkreten
Schritte sind als nächstes geplant, um die dann angekündigten
Tierversuche durchführen zu können
? Welche Techniken kommen in Frage, damit die Zellen koordiniert
arbeiten und das ausgedruckte Herz wirklich Blut pumpen kann?
?Sehen Sie ein ethisches Problem im Zusammenhang mit
dieser Forschungsarbeit? Gummert: Ethische Probleme sehe ich
bei dieser Forschungsarbeit überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Bei
diesem Projekt werden – anders als bei der Diskussion um die
Forschung mit embryonalen Stammzellen – die körpereigenen
Zellen verwendet, die letztlich der eigenen Genesung dienen. Das
wäre bei einer möglichen klinischen Anwendung ein sehr großer
Vorteil.
?Angenommen, eine Weiterentwicklung gelingt: Wo liegt der
Vorteil eines solchen Herzens bei der Behandlung eines
Patienten? Gummert: Der große Vorteil wäre, dass solche Herzen
vom Immunsystem des Patienten nicht
abgestoßen würden. Daher könnte man dann nach einer
Transplantation auf abwehrschwächende Medikamente verzichten.
Die abwehrschwächenden Medikamente führen bei einigen Patienten
zu Nebenwirkungen wie Infektionskrankheiten oder
Tumorerkrankungen.
?Laut der israelischen Forscher soll versucht werden, in
absehbarer Zeit solche Herzen oder deren Weiterentwicklung
an Hasen oder Ratten in Tierversuchen zu testen.
Realistisch? Gummert: Das kann ich auf Grund der mir zur
Verfügung stehenden Informationen nicht seriös beurteilen. Auf
jeden Fall müssen noch viele grundlegende Probleme gelöst werden,
bevor Tierversuche möglich sind. Und das kann dauern.
?Was wünschen Sie den Forschern aus Israel? Gummert: Vor
allem gratuliere ich ihnen zu diesem innovativen Ansatz und drücke
die Daumen, dass dieses wirklich schwierige Projekt in absehbarer
Zeit weitere Fortschritte macht.

Justiz
Urteil: Keine Kosten-Erstattung für illegale Organspenden
Von dpa 17.04.2019, 14:00
Berlin. Ein Deutscher, der sich in den Niederlanden die Niere eines Mannes aus Sierra Leone implantieren ließ, muss dafür nach einem Berliner Urteil selbst zahlen. Die Krankenkasse müsse die Kosten nicht übernehmen, da die Transplantation nach deutschem Gesetz nicht zulässig gewesen sei, teilte das Sozialgericht in der Hauptstadt am Mittwoch zu dem Urteil mit. Ein Versicherter dürfe sich in einem anderen EU-Staat nur die von den deutschen Krankenversicherungen vorgesehenen Leistungen beschaffen. (Aktenzeichen: S 76 KR 1425/17).
Das deutsche Transplantationsgesetz sehe eine besondere persönliche Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger vor, hieß es. In dem Fall des 57-jährigen Mannes, der die Niere bekam, sei diese Verbundenheit nicht zu erkennen gewesen. Der Mann aus dem westafrikanischen Land habe sich zu der Spende bereit erklärt, als er den Mann in Deutschland noch nicht persönlich kannte, hieß es im Urteil.
Zwei deutsche Krankenhäuser hatten deshalb die Operation abgelehnt. Der 57-Jährige stand bei der Stiftung Eurotransplant auf der Warteliste für ein Organ, war aber bis zu seiner eigenen Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, eine Berufung ist möglich.
( dpa )

Organspende: "Entscheiden Sie sich!"
Professor Matthias Anthuber von der Universitätsklinik Augsburg sieht es als Bürgerpflicht, sich für oder gegen die Organspende zu entscheiden
von Dr. Achim G. Schneider, 11.04.2019
Herr Professor Anthuber, ab April soll ein Gesetz Kliniken darin stärken, mögliche Organspenden auch zu realisieren. Eine gute Neuerung?
Das Gesetz ist sicher sehr hilfreich. Doch es genügt nicht. So sprechen sich 84 Prozent der Menschen in Deutschland für die Organspende aus, doch nur 36 Prozent dokumentieren das mit einem Spenderausweis. Diese Kluft macht deutlich, dass wir mehr als dieses Gesetz brauchen. Zum Beispiel die Widerspruchslösung, über die aktuell debattiert wird.
Wer nicht schriftlich widerspricht, wäre damit künftig automatisch ein Organspender. Was halten Sie von dem Einwand, dass fehlender Widerspruch nicht einfach als Zustimmung gewertet werden könne?
Manche Kritiker sagen sogar, die Widerspruchslösung entspreche einer Organ-Abgabepflicht und habe mit einer Spende nichts mehr zu tun. Ich halte das für eine falsche Interpretation. Es bestünde lediglich die Pflicht, eine Entscheidung zu treffen und sie bekannt zu geben. Mit einem "Nein" kommt man als Organspender nicht mehr infrage.
Manche halten es für unangemessen, ein "Ja" oder "Nein" zu erzwingen.
Ich meine, man darf das. Wir müssen uns gegenüber dem Staat ständig erklären: Wo wir wohnen, wie viel wir verdienen und so weiter. Wenn wir den Solidargedanken zu Ende denken, können wir auch erwarten, dass Menschen in einer so wichtigen Frage wie der Organspende eine Entscheidung fällen. Und wenn man sich damit gar nicht befassen möchte, stimmt man mit "Nein". Im Übrigen kann man sich jederzeit umentscheiden.
Viele Menschen sehen die Organspende generell positiv, scheuen aber davor zurück, das mit einem "Ja" zu dokumentieren. Woran liegt das?
An diffusen Ängsten und Vorbehalten. So höre ich häufig die Frage: Werden Ärzte mich bei einer schweren Hirnschädigung noch voll behandeln oder eben nicht, weil sie in mir schon den Organspender sehen? Für mich ist das eine abstruse Vorstellung. Denn das käme einer bewussten Tötung gleich.
Besteht nicht eher bei manchen die Sorge, quasi noch am Leben zu sein, wenn Organe entnommen werden?
Viele Menschen, darunter auch Ärzte und Pfleger, haben das Konzept des Hirntods intellektuell noch nicht wirklich durchdrungen. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Ich vergleiche den Hirntod mit einer inneren Enthauptung. Groß-, Mittel- und Stammhirn sind zerstört und damit auch alle grundlegenden Lebensfunktionen erloschen.
Im Mai 2018 ging ein Fall aus den USA durch die Presse. Ein 13-Jähriger wachte auf, nachdem Ärzte ihn für hirntot erklärt hatten.
In keinem Bericht darüber wird erwähnt, ob nach den bei uns üblichen Standardkriterien eine Hirntod-Diagnostik erfolgt ist. In Deutschland stellen zwei damit erfahrene Ärzte unabhängig voneinander und bei Kindern im zeitlichen Verlauf mehrmals den irreversiblen Hirnausfall fest. Bestätigt werden die klinischen Befunde durch Ergebnisse von technischen Untersuchungen wie Ableitung der Hirnstromkurve, Ultraschall und Angiografie. Ein Irrtum ist unter den hiesigen Bedingungen also ausgeschlossen.
Eine Entnahme findet auch nur statt, wenn die Angehörigen zustimmen.
Diese Situation ist für alle Seiten extrem belastend. Es handelt sich sicher um eines der schwierigsten Gespräche, die man als Arzt führen muss. Die Angehörigen empfinden eine so unglaubliche Trauer, dass sie sich mit dem Gedanken an die Organspende nicht beschäftigen wollen. Auch ihnen würde es sehr helfen, wenn die Entscheidung dafür oder dagegen zu Lebzeiten klar dokumentiert würde.
Sie werben für die Organspende. Was ist Ihr stärkstes Argument?
Man eröffnet damit Todkranken die Chance auf ein längeres, qualitätvolles Leben. Derzeit sterben in Deutschland täglich rund drei Menschen auf der Warteliste. Wenn wir mehr Organspender hätten, könnten wir die Not etwas lindern.

Pro und Contra: Schützt oder entmündigt? SPD-Mann und FDP-
Politiker streiten über Organspende-Reform
Focus Online
Montag, 08.04.2019, 22:54
Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten verschiedener Parteien will durchsetzen, dass künftig in Deutschland jeder als potenzieller Organspender behandelt wird, wenn er nicht zuvor widersprochen hat.
Karl Lauterbach (SPD) ist einer von ihnen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Fricke (FDP) hält dagegen. In einem "Pro und Contra" für FOCUS Online erklären die beiden Politiker ihre Position.
Pro: Wer nicht widerspricht, ist Organspender
Das Transplantationsgesetz in Deutschland muss dringend geändert werden. Die seit 2012 geltende Entscheidungslösung, nach der nur die Personen als mögliche Spender gelten, die einer Entnahme ausdrücklich zustimmen, ist offensichtlich wirkungslos. Weit über 10.000 Menschen sind auf der Warteliste, und sie warten häufig im Angesicht des Todes. Darunter sind viele Kinder. 2000 Todesfälle pro Jahr sind während der Wartezeiten zu beklagen. Das ist unnötiges Leid. Als Arzt und Politiker kämpfe ich für die Einführung einer Widerspruchslösung.
Pro: Karl Lauterbach (SPD)
Lauterbach, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, ist
habilitierter Mediziner. Er kämpft – unter anderem mit Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) – für die so genannte Widerspruchslösung. Kernpunkt: Wer nicht
widerspricht, ist automatisch Organspender. Er selbst erklärt sich zur Organspende
bereit.
Jeder, der einer Organspende nicht ausdrücklich widerspräche und diesen Widerspruch dokumentieren ließe, käme grundsätzlich als Spender in Frage. Damit würde der größte Teil der Bevölkerung zu Spendern. Mit der Widerspruchslösung wäre die deutliche Verbesserung möglich, die wir bei den Spenderzahlen brauchen.
Wir könnten damit viele Menschen vor dem Tod retten oder ihnen ein besseres Leben ermöglichen. Politisch sollten wir uns in diese Richtung bewegen, gesellschaftlich müssen wir diese Diskussion führen. Ein großer Teil der Bevölkerung wäre zur Organspende bereit. Trotzdem wird nur eine Minderheit im Todesfall auch Spender. Die Organisation und die Vergütung der Organentnahme haben wir per Gesetz verbessert, aber das reicht noch nicht. Die Länder mit hoher Transplantationsquote haben fast alle Widerspruchslösungen.
"Kein massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte"
Organspende soll keine Bürgerpflicht werden, sondern nur der Widerspruch, wenn man keine Organe spenden möchte. Und jeder, der sich dagegen entscheidet, entscheidet auch moralisch und bleibt trotzdem weiter Empfänger. Es gibt keine Nachteile. Durch die Widerspruchslösung bringt man Menschen dazu, sich überhaupt erst die Frage zu stellen, ob sie spenden wollen oder nicht. Das schuldet man Schwerstkranken, die auf ein Organ warten.
Einen massiven Eingriff in Persönlichkeitsrechte kann ich dabei nicht erkennen. Die Gesellschaft darf verlangen, dass sich jeder sehr bewusst mit der Frage auseinandersetzt, wie er zur Organspende steht. Die allermeisten Bürger, die sich bisher noch nie mit dem Thema beschäftigt haben, erwarten schließlich, im Fall der Fälle selbst ein Organ zu bekommen. Die Widerspruchslösung wird dieser Anspruchshaltung gerecht. Auch die Angehörigen erhielten ein zusätzliches Widerspruchsrecht, aber nur dann, wenn die Familie nach dem Tod ihres Angehörigen glaubhaft versichert, dass dieser sich gegen die Organspende entschieden hat. Dann werden die Organe nicht gespendet.
Ich bin mir bewusst, dass eine Widerspruchsregelung das Misstrauen gegenüber der Transplantationsmedizin für wenige noch erhöhen könnte. Daher muss alles getan werden, um ein Nein zur Organspende verlässlich zu dokumentieren. Kommt die Widerspruchslösung nicht, stellen wir unsere abstrakten und zum großen Teil unberechtigten Bedenken über das konkrete Leid der Betroffenen. Die Widerspruchslösung ist eine Regelung, die Leid und unnötigen Tod verhindert, aber gleichzeitig auch vor Fehlern und Missbrauch schützt. Das ist aus meiner Sicht eine Regelung, die gut in unsere Zeit passt.
Contra: Der Bürger ist mündig, sich für oder gegen Organspenden zu entscheiden
Die Befürworter der Widerspruchslösung und ich haben etwas gemeinsam: Wir alle wollen mit mehr Organspenden Leben retten. Dabei ist es mir jedoch wichtig, dass die Problemlösung mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam erfolgt – und nicht ohne sie. Unsere interfraktionelle Entscheidungslösung erfüllt diese Anforderung.
In der Debatte über Organspenden werden regelmäßig die tatsächlich erfolgten Organspenden und die Organspendebereitschaft – teilweise bewusst – vermischt. Zwischen ihnen besteht jedoch ein eklatanter Unterschied.
Contra: Otto Fricke (FDP)
Fricke, Haushaltspolitiker und praktizierender Christ, ist dagegen, dass in Deutschland
künftig der Automatismus gilt „Wer nicht widerspricht, ist Organspender“. Er plädiert
– unter anderem mit Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linke) dafür,
alle Bürger regelmäßig und verbindlich zu ihrer Haltung zur Organspende zu
befragen. Fricke selbst erklärt sich zur Organspende bereit.
Rund 28 Millionen Deutsche haben sich laut Umfragen entschieden, Organe zu spenden. Sie sind also potenzielle Spender. Auf der anderen Seite wurden 2018 nur 3.113 Organe gespendet. Gleichzeitig warteten 9.697 Menschen auf ein Spenderorgan. Diese Zahlen machen deutlich: Die Anzahl der Spender muss erhöht werden. Das ist Ziel unseres Vorschlags einer verbindlichen Entscheidungslösung und auch Ziel des Gegenvorschlags, der Widerspruchslösung.
Wenn der Bürger aber kein Untertan ist, dürfen wir ihn "nur" bitten
Zwischen den beiden Ansätzen gibt es jedoch einen grundsätzlichen Unterschied: das Menschenbild. Ich sehe den Menschen als mündigen Bürger, der sich von sich aus für oder auch gegen eine Organspende entscheidet. Hierbei fehlt es immer wieder an Informationen und der Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Organspendefrage.
Wenn der Bürger aber kein Untertan ist, dürfen wir ihn "nur" bitten, sich damit auseinanderzusetzen. Konkret wollen wir, dass Bürger Informationen und Hinweise auf Ansprechpartner rund um die Organspende erhalten. Insbesondere, wenn sie einen Personalausweis beantragen.
Bewusst aber ist eine Entscheidung bei der Beantragung nicht vorgesehen. Erst bei der Abholung wird nach einer Entscheidung gefragt. Hier gibt es jedoch auch die Möglichkeit anzugeben, dass man sich noch nicht entscheiden kann oder möchte. Geändert werden kann die Entscheidung zudem von jedem selbst, zukünftig zum Beispiel im Rahmen eines elektronischen Registers.
Hier sagt der Staat dem Bürger: Ich als Staat weiß besser, was richtig ist
Die Entscheidung, zu spenden oder nicht zu spenden, trifft der Bürger bei unserer Lösung stets selbst. Das ist mir wichtig, denn meine Überlegungen gehen insbesondere bei diesen Fragen stets vom Grundgesetz aus, welches auf der Idee beruht, dass staatliche Eingriffsrechte immer vom Bürger her gedacht und von seinen individuellen Rechten her abgeleitet werden müssen.
Mit der Widerspruchslösung würde dieser Prozess am Anfang umgekehrt: Der Staat macht den Bürger zum Organspender, der Bürger muss nun agieren und widersprechen, wenn er nicht dem Staat folgen will. Auch eine Absicherung durch den möglichen Widerspruch der Angehörigen gibt es bei der Widerspruchslösung nur, wenn der Verstorbene sich zu Lebzeiten in irgendeiner Form hinreichend zur Organspende geäußert hat.
Hier sagt der Staat dem Bürger: Ich als Staat weiß besser, was richtig ist, statt an die Freiheit des Einzelnen zur Verantwortung zu appellieren. Das ist der falsche Weg: Es geht bei einer Organspende immer um einen Eingriff in den Körper. Automatisch, ohne seinen Willen geäußert zu haben, darf deshalb niemand potenzieller Spender sein, so sehr ich mir möglichst viele potentielle Spender wünsche.
Westfalen Blatt 2. April 2019
Widerstand gegen die Widerspruchslösung
Organspende: Ethiker und Patientenschützer gegen Spahns Vorschlag
Berlin (dpa/epd). Eine Politikergruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stößt mit ihrem Gesetzentwurf zur Organspenderegelung auf Widerstand.
Der Ethikrat-Vorsitzende Peter Dabrock spricht sich gegen den Vorschlag aus, eine höhere Bereitschaft zur Organspende durch eine Widerspruchslösung zu erreichen. »Damit wird für mich der Körper nach dem Hirntod zu einem Objekt der Sozialpflichtigkeit«, sagte der Theologieprofessor gestern im Deutschlandfunk. Der Vorstoß der Widerspruchslösung sei unnötig und schädlich, weil er Vertrauen beschädige und zu kaum mehr Effizienz bei der Organspende führe. In dem Entwurf ist vorgesehen, dass alle Personen ab 16 Jahren ausführlich informiert und als Spender registriert wer
den – außer sie widersprechen. Dabrock sieht zwar einen Unterschied zwischen Hirntod und Tod, hält Organspenden grundsätzlich aber für wichtig und gut, weil sie ein »Akt der Solidarität mit schwerstkranken Menschen« seien. »Wir brauchen eine viel breitere Debatte zu den Schwierigkeiten, die das ganze Transplantationswesen vielen Menschen bereitet, aber nicht, damit wir die Bereitschaft senken, sondern damit wir sie erhöhen.« Auch der Medizinethiker Giovanni Maio lehnt die Einführung einer Widerspruchsregelung ab. »Die Widerspruchslösung führt nicht automatisch zu einer Zunahme an Spenden«, sagte der Freiburger Wissenschaftler im WDR5-»Morgenecho«. Studien in Dänemark und Schweden könnten nicht belegen, dass die Regelung zu mehr Organspenden führe. Vielmehr sei die Organisation
der Spenden maßgeblich. Zugleich beharrte er auf Freiwilligkeit. Die Unverfügbarkeit des menschlichen Körpers werde sonst außer Kraft gesetzt. »Jeder Mensch hat das Recht darauf, dass sein Körper unversehrt bleibt.« Das gelte auch nach dem Tod. »Wir haben ein Empfinden, dass der Körper auch nach dem Tod natürlich etwas mit uns zu tun hat.«
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnt ebenfalls. Bei der Widerspruchsregelung könne von Spende keine Rede mehr sein, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. »Jede Organspende ist eine freiwillige Entscheidung.« Die Widerspruchslösung setze aber darauf, dass die meisten sich nicht mit der Frage beschäftigen und schweigen. »Schweigen heißt aber nicht Zustimmung«, sagte Brysch. Es sei ethisch besonders wertvoll, einem anderen Menschen sein Organ zu schenken. »Doch dieses Geschenk ist nicht mit der Brechstange zu erzwingen.« An Spenderorganen herrscht Mangel. In Deutschland standen zuletzt 9400 Patienten auf den Wartelisten für eine Transplantation. Erstmals seit 2010 war die Zahl der Spender im Vorjahr wieder gestiegen: auf 955.
LEITARTIKEL
Organspende Mein Körper gehört mir – auch im Tod
Von Andreas Schnadwinkel
Vor elf Jahren hat der deutsche Dokumentarfilmer Markus Vetter eine ebenso wahre wie anrührende Geschichte erzählt. Im Westjordanland wird 2005 ein elfjähriger palästinensischer Junge von israelischen Soldaten erschossen, weil er eine echt aussehende Spielzeugwaffe in der Hand hält. Die Ärzte in Haifa stellen den Hirntod fest, die Eltern stimmen der Organspende zu – und retten damit drei israelischen Kindern das Leben. Wer den Film »Das Herz von Jenin« gesehen hat oder sich in Erinnerung ruft, dass der heutige Bundespräsident FrankWalter Steinmeier seiner Frau Elke Büdenbender eine Niere gespendet hat, kann in Organspenden natürlich nur Gutes sehen. Und das stimmt auch, weil in beiden Fällen freiwillige Entscheidungen bewusst getroffen worden sind. Das ist bei dem, was Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und anderen Politikern vorschwebt, nicht so. Die Widerspruchslösung schränkt Freiheitsrechte ein, weil sie im Kern darauf setzt, dass Menschen zu ihren Lebzeiten der Organspende eben nicht explizit widersprechen. Dass die Angehörigen noch gefragt werden sollen, ob sich der Verstorbene irgendwann einmal gegen Organspenden ausgesprochen hat, klingt nicht nur wie eine ProForma-Maßnahme am Sterbebett – in der Praxis wäre es auch genau so. Unser Grundgesetz beginnt mit den Grundrechten. Artikel 1 garantiert die Menschenwürde, Artikel 2 die körperliche Unversehrtheit. Beides reicht über den Hirn- oder Organtod hinaus. Eine Widerspruchslösung widerspricht dem generell. Niemand sollte etwas ablehnen müssen, dem er nie zugestimmt hat. Das Argument, jeder könnte einmal in die Situation kommen, auf ein Organ angewiesen zu sein, und müsse deshalb ganz automatisch auch Spender sein, zieht nicht. Jeder Mensch muss davon ausgehen können, dass sein Körper nach dem Tod unversehrt bestattet wird – und nicht als ausgeschlachtetes Ersatzteillager. Die Hauptursache für Organmangel liegt woanders. Laut einer Studie der Zeitschrift »Deutsches Ärzteblatt« hätte es 2015 insgesamt 2780 Organspenden geben können; es waren aber nur 877, weil in Krankenhäusern potenzielle Organspender zu selten erkannt und gemeldet werden. Hier, und erst einmal nur hier, gilt es anzusetzen. Die Politik wäre gut beraten, wenn sie vorerst die Wirkung des neuen Transplantationsgesetzes abwarten würde. Darin ist vieles enthalten, das Kliniken bei Organspenden hilft.

WESTFALEN-BLATT Nr. 78 Dienstag, 2. April 2019
Zwei Wege zu mehr Organspenden Was die beiden Vorschläge unterscheidet
Berlin (epd/dpa). Zwei Gruppen von Bundestagsabgeordneten setzen sich fraktionsübergreifend für unterschiedliche Wege bei der Neuregelung der Organspende ein. Eine Gruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach hat einen Gesetzentwurf für eine Widerspruchsregelung ausgearbeitet (siehe links). Eine zweite Gruppe um den CDU-Politiker Heribert Hirte und die GrünenVorsitzende Annalena Baerbock lehnt eine Widerspruchsregelung ab und schlägt ein bundesweites Online-Register für Erklärungen zur Organspende vor (siehe rechts). Der Bundestag soll ohne Fraktionszwang über eine Reform entscheiden. Wann, ist noch unklar.



Ärzte Zeitung online, 01.04.2019
Bundestag
Organspende-Debatte startet mit Streit
Widerspruchs- oder Zustimmungsregelung? Bundestagsabgeordnete ringen ohne Fraktionsgrenzen um den Weg zu mehr Organspendern.
Von Anno Fricke
BERLIN. Der Entwurf für eine Reform der Organspende hin zur Einführung einer Widerspruchsregelung hat ein breites Echo ausgelöst.
Professor Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, nannte den Vorstoß einer Gruppe von Parlamentariern am Montag „ethisch unproblematisch“ und „medizinisch wünschenswert“, meldete aber rechtliche Bedenken an. Es gebe in Deutschland keinen Rechtsakt, bei dem Schweigen implizit als Zustimmung gewertet werde, sagte Montgomery.
Der Gesetzentwurf sieht tatsächlich vor, dass jede Person als Organ- und Gewebespender gilt, es sei denn, sie hat zu Lebzeiten widersprochen. Liegt kein Widerspruch vor, sollen die für die Organentnahme verantwortlichen Ärzte bei den nächsten Angehörigen den mutmaßlichen Willen des potenziellen Spenders ermitteln.
Die Autoren bezeichneten ihren Entwurf am Montag als unbürokratisch, ethisch sauber, weil niemand gezwungen werde, Spender zu sein, sowie effizient und sicher, weil es eine doppelte Absicherung gebe.
Register bei der BZgA geplant
Der Vorstoß von Jens Spahn (CDU, Gesundheitsminister), Professor Karl Lauterbach (SPD), Dr. Georg Nüßlein (CSU) und Petra Sitte (Linke) enthält Vorgaben zum Aufbau eines Registers voraussichtlich bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Dort sollen Widersprüche, aber auch Zustimmungen dokumentiert werden.
Das Register solle von jeder Arztpraxis angesteuert werden können, so Spahn. Die Ära des Organspendeausweis würde damit auslaufen. Spahn sagte, er könne sich vorstellen, dass die Haltung zur Organspende auch in die elektronischen Patientenakte aufgenommen werden könne.
Die Idee eines solchen Registers reklamiert eine weitere interfraktionelle Parlamentariergruppe für sich, die in den kommenden Wochen einen Alternativvorschlag für eine ausdrückliche „Zustimmungsregelung“ wollen. Dazu soll auch eine Beratung durch den Hausarzt gehören.
Die Haltung zur Spende soll mehrmals im Leben zum Beispiel bei der Erneuerung des Personalausweises abgefragt werden. Aus dieser Gruppe kamen am Montag massive Vorwürfe.
Spahn als unfair dargestellt
Die Widerspruchsregelung sei grundgesetzwidrig, merkte Kathrin Vogler (Linke) an. Zu der konkurrierenden Gruppe gehören unter anderen der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger, die Grünen Annalena Baerbock und Kirsten Kappert-Gonther sowie Karin Maag (CDU).
Ebenfalls dazu gehört die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus. Sie warf Jens Spahn vor, Absprachen gebrochen zu haben. Die konkurrierenden Gesetzentwürfe hätten ursprünglich zeitgleich vorgestellt werden sollen. Dass Spahn nun unfair und übereilt vorgeprescht sei, zeige seine Nervosität, keine Mehrheit zu erhalten.
Spahn verwies hingegen darauf, dass die Debatte im Bundestag parallel verlaufen werde. Der Konkurrenzentwurf, für den sein Ministerium Formulierungshilfe leiste, sei komplizierter und bedürfe daher mehr Zeit für die Ressortabstimmung.
Auf die Fernwirkung des am Montag in Kraft getretenen Gesetzes für bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO) verwies die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Damit seien wichtige Schritte bereits eingeleitet. Gleichgültig, für welche Regelung der Bundestag entscheide, seien Aufklärung und Information die richtigen Mittel.

28.03.2019
Umstrittene Widerspruchslösung Spahn und Lauterbach legen
Gesetzentwurf zur Organspende vor
In Deutschland gibt es zu wenige Organe für schwerkranke Menschen. Wer nach seinem Tod
nicht automatisch als möglicher Spender gelten will, soll sich nach SPIEGEL-Informationen
künftig in ein Register eintragen.
Von Cornelia Schmergal
Noch in diesem Jahr will der Bundestag eine Neuregelung auf den Weg bringen, um die Zahl potenzieller Organspender zu
erhöhen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach haben dazu jetzt
einen gemeinsamen Gesetzentwurf ausgearbeitet, den sie im Parlament zur Abstimmung stellen wollen.
Der Gruppenantrag, der von Abgeordneten verschiedener Fraktionen unterstützt wird, sieht nach SPIEGEL-Informationen vor, dass jeder Bürger nach seinem Tod als potenzieller Organspender gelten soll - wenn er zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Bürger, die keine Organe spenden wollen, müssten dies in einem Register dokumentieren. Sie könnten dieses Veto jederzeit selbst eintragen oder auch löschen, falls sie ihre Meinung ändern. Auch der Fall, dass eine Organspende ausdrücklich gewünscht wird, soll im Register vermerkt werden können.
"Extrem unbürokratisch"
Ist kein Widerspruch hinterlegt, gilt dies als Zustimmung. Allerdings sollen Angehörige die Organentnahme ablehnen können, wenn sie glaubhaft machen, dass der Verstorbene kein Spender sein wollte, dies aber nicht dokumentiert habe. Um den Schutz der Daten zu gewährleisten, könnte das Register bei einer Bundesbehörde angesiedelt werden.
Lauterbach hielt den Vorschlag auf Anfrage für "extrem unbürokratisch". Das Modell der Widerspruchslösung sei sehr sicher, "weil man ohne große Mühe eine Meinungsänderung dokumentieren kann".
Über die Neuregelung der Organspende will der Bundestag fraktionsoffen abstimmen. Der Ausgang ist noch ungewiss. Mindestens eine Parlamentariergruppe will einen aussichtsreichen Gegenvorschlag für ein Gesetz einbringen. Zu den Initiatoren dieses zweiten Gruppenantrags gehören Grünenchefin Annalena Baerbock und der CSU-Politiker Stephan Pilsinger.

Kommentar
Darum brauchen wir die Widerspruchslösung
Jutta Falke-Ischinger, Vorsitzende des Vereins „Leben Spenden! e.V.“ über Spahns
Vorschlag zur Organspende
von: Jutta Falke-Ischinger, Vorsitzende des Vereins „Leben Spenden!“
veröffentlicht am
25.03.2019 - 15:42 Uhr
Alle politischen Kräfte berufen sich immer wieder auf das Prinzip der Solidarität als Grundbaustein einer demokratischen Gesellschaft. Dies funktioniert auch in vielen Bereichen gut.
Wo es nicht funktioniert, ist bei der Organspende: Nirgendwo in Europa müssen Kranke länger auf ein rettendes Organ warten als bei uns. Deutschland muss hier 30 Jahre aufholen, so moniert es die spanische Transplantationsbehörde.
30 Jahre!
Nun hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Abläufe und Strukturen in Kliniken verbessern soll. Das ist gut und wichtig. Doch Strukturverbesserungen allein schaffen nicht die Trendwende, wie unsere niederländischen Nachbarn nach zehn Jahren Reformen erleben mussten. Sie führen jetzt zusätzlich die Widerspruchslösung ein.
Auch in Deutschland stehen wir nach über 40 Jahren Diskussion vor dieser
Entscheidung. Bisher gibt der Gesetzgeber einen Negativtrend normativ vor:
Niemand ist Organspender – es sei denn, er meldet sich ausdrücklich.
Im Klartext heißt das: Wir sind ein Land, in dem beim Thema Organspende zwar
jeder prinzipiell Empfänger ist, aber nicht Spender. Das ist weder logisch, noch
solidarisch. Und funktioniert auch nicht.
Deshalb brauchen wir die Widerspruchslösung
Da ist es umgekehrt: Spenden ist Normalfall, Nicht-Spenden die Ausnahme. Auf diesem solidarischen Konsens fußt der spanische Erfolg, darauf konnten die Reformen gedeihen und immer ehrgeiziger werden. In Spanien geht man vom Gedanken der Gegenseitigkeit aus: Wir nehmen nicht nur, wir geben auch. Nichts anderes meint die Widerspruchslösung.
Westfalen Blatt 20.03.2019
UniklinikEssen hilft bei Organspende- Fällen
Essen (epd).
Fünf Mediziner des Universitätsklinikums Essen beraten andere
Krankenhäuser, um Organspende Fälle besser feststellen zu können.
Im Bereitschaftsdienst rückten die Mediziner aus,um einen
möglichen Hirntod zu diagnostizieren, erklärte die Uniklinik in Essen.
Ein unumkehrbarer Hirnfunktionsausfall ist Voraussetzung für die
Organspende.Die Kooperation mit der Deutschen Stiftung
Organtransplantation erreicht den Angaben zufolge Krankenhäuser
im Ruhrgebiet, in Westfalen und in Teilen des Rheinlands.
Ulrike Wirges, Geschäftsführende Ärztin der Deutschen Stiftung
Organtransplantation in der Region Nordrhein-Westfalen, betonte
den Modell- und Vorbildcharakter der Kooperation. Sie hoffe, dass
der neurologische Konsildienst von den Krankenhäusern vor Ort
genutzt werde,um dadurch mehr Menschen zu helfen, die ein Organ
benötigen. Christoph Kleinschnitz, Direktor der Klinik für Neurologie
am Universitätsklinikum Essen, erklärte, die Mediziner wüssten um
die besondere Bedeutung ihres Angebots für die kleineren
Krankenhäuser.
Mindener Tageblatt; 12.03.2019
Warten, bangen, hoffen
Die Zahl der Organspender in Deutschland ist
nach jahrelangem Abwärtstrend wieder
gestiegen. Minden liegt über dem
Bundesschnitt. Doch auch am Klinikum werden
die Ärzte immer wieder mit Ablehnung
konfrontiert.
Von Sebastian Radermacher
Minden (mt).
Es ist ein Satz, der verdeutlicht, wie wichtig
Organspender sind. Und wie wichtig es ist, dass es in
Zukunft mehr von ihnen geben wird. „Viele
schwerkranke Menschen,die dringend ein
Spenderorgan benötigen,müssen damit rechnen,
dass sie auf der Warteliste sterben werden“, sagt
Prof. Dr. Jörg Radermacher. Im Hörsaal 1des
Campus-Geländes am Johannes Wesling Klinikum
(JWK) ist es mucksmäuschenstill. Der Chefarzt, von
2003 bis Ende 2018 Transplantationsbeauftragter am
JWK und ein geschätzter Fachmann auf diesem
Gebiet,steht am Rednerpult und hält einen
Vortrag.Vor ihm sitzen aber keine Studenten,
sondern Politiker Radermacher informiert sie über
die Zahl der Organspender in Minden, über den Weg
vom Erfassen eines Spenders über die Suche nach
einem passenden Empfänger bis hin zur
Transplantation.es Kreis Gesundheitsausschusses. Es
geht auch um die komplexen Aufgaben des
Ärzteteams im JWK, das die Transplantationen
koordiniert,um den Umgang mit Familienangehörigen
und natürlich um die wichtigste Frage bei dem
Thema: Organspende –ja oder nein? Radermacher
persönlich hat sein Einverständnis zur Entnahme von
Organen und Gewebe nach seinem Tod durch die
Unterschrift auf dem Organspendeausweis gegeben.
Er respektiert aber jeden Menschen,der sich nicht
dazu bereiterklärt,das macht der Mediziner in seinem
Vortrag immer wieder deutlich. Mit der Zustimmung
auf dem Papier sei es aber längst noch nicht getan.
Letztlich würden vor jeder Spende immer die
Familien befragt. „Eine Klinik wird gegen den Willen
der Angehörigen keine Organe entnehmen“, stellt
der Chefarzt klar. „Selbst dann nicht, wenn der
Verstorbene dafür seine Unterschrift gegeben hat.“
Warum ist das so?Sollte eine Organspende gegen
den Willen einer Familie in der Öffentlichkeit die
Runde machen, drohten laut Radermacher
verheerende Folgen:„Einmal miese Presse–und das
Thema ist für die nächsten Jahre verbrannt.“
Radermacher berichtet von einer insgesamt guten
Entwicklung: Aktuell stünden laut Umfragen rund 80
Prozent der Bevölkerung dem äußerst sensiblen
Thema positiv gegenüber.Und auch die Zahl der
Spender ist nach langem,teils drastischem
Abwärtstrend wieder gestiegen. 955 Menschen in
Deutschland überließen 2018 nach ihrem Tod Organe
für andere Patienten –im Vergleich zu 2017 bedeutet
dies ein Plus von knapp 20Prozent. „Das ist
erfreulich, die Hysterie ist verflogen“, sagt
Radermacher. Er spielt damit auf den
Transplantationsskandal über manipulierte
Wartelisten mit gefälschten Krankenakten vor
einigen Jahren an.Rückblick:2010 gab es in
Deutschland 1.296 Organspen der.Nachdem der
Skandal an die Öffentlichkeit gelangt war, stürzte die
Zahl in den Keller. Tiefpunkt
war das Jahr2017, als die Deutsche Stiftung
Organtransplantation(DSO) nur noch 797 Spender
registrierte. Auch wenn sich der Trend insgesamt
umgekehrt hat, so bleibt Nordrhein-Westfalen
weiterhin Schlusslicht bei den Organspendern. In
Minden sei die Entwicklung allerdings
zufriedenstellend,wieder Chefarzt ins einem Vortrag
verdeutlicht.Pro Jahr entnehmen externe
Transplantationsteams im JWK durchschnittlich fünf
Spendern Organe. Seit 2009 liege Minden, bezogen
auf die Einwohnerzahl, immer über dem Landes-und
Bundesdurchschnitt. Aber auch im JWK werden die
Ärzte immer wieder mit Ablehnung konfrontiert. Im
vergangenen Jahr seien vier Transplantationen
abgelehnt worden–in zwei Fällen habe es keine
Einwilligungen der Angehörigen gegeben,einmal
habe keine Freigabe durch die Staatsanwaltschaft
vorgelegen und in einem Fall habe ein Patient einen
Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten, erläutert der
Mediziner. Eine Organspende ist nur bei der Diagnose
Hirntod möglich (siehe Info-Kasten).„In der Regel
erhalten wir aber inmer mehr als der Hälfte der Fälle
eine Einwilligung“,betont Radermacher. Eine
Diskrepanz besteht immer noch bei der Zahl der
potenziellen Organspender und derer, denen
tatsächlich Organe entnommen werden. 2018gab es
laut Radermacher in Deutschland 653
„organspendebezogene Kontakte“, aber lediglich163
Spender. Die mittlere Wartezeit zum Beispiel auf eine
Spenderniere betrage aktuell acht Jahre. 96 Monate
warten,bangen,hoffen–dass man am Ende ein Organ
bekommt,das einen am Lebenhält. Der Chefarzt legt
in seinem Vortrag viel Wert auf die Tatsache,dass
Organspenden theoretisch in jedem Alter möglich
sind. „Die gesunde Niere eines 90-Jährigen kann
noch 20 Jahre halten“, betont er. Und auch für
Organe eines zweijährigen Kindes gebe es
Abnehmer,die darauf warten würden. Und wie lässt
sich die Zahl der Organspenderin Deutschland
langfristig erhöhen?Der Chefarzt vom JWK spricht
sich für die im Bundestag diskutierte
Widerspruchslösung aus: Demnach wird im Falle
eines Hirntods automatisch jeder zum potenziellen
Spender, der solch einem Eingriff zuvor nicht
ausdrücklich widersprochen hat. Eine Alternative
könne eine verpflichtende Erklärung zur
Organspende mit Beginn der Volljährigkeit sein, etwa
im Zusammenhang mit dem Führerschein, sagt
Radermacher. Fast alle Länder in Europa haben eine
Widerspruchsregelung eingeführt, in den
Niederlanden tritt das Gesetz zum Beispiel 2020
inKraft.„Die niedrige Zustimmungsrate durch die
Familienangehörigen ist der eindeutig limitierende
Faktor bei der Organspende– da muss man
ansetzen“, fordert der Chefarzt.
Der Autor ist erreichbar unter Telefon (0571) 882
201 oder Sebastian.Radermacher@MT.de
Voraussetzungen für eine Organspende
■ Eine Organspende nach dem Tod (postmortale
Organspende) ist nur möglich, wenn bei der
verstorbenen Person der unumkehrbare Ausfall der
gesamten Hirnfunktionen (Hirntod) festgestellt
wurde. Die Bezeichnung „Hirntod“ beschreibt einen
besonderen Zustand, bei dem die Gesamtfunktion
des Großhirns, Kleinhirns und Hirnstammes
unwiederbringlich und unumkehrbar ausgefallen ist.
■ Mit der Diagnose Hirntod ist der Tod des Menschen
nach neurologischen Kriterien sicher festgestellt
–eine Rückkehr ins Leben ist ausgeschlossen. Das
Herz-Kreislauf-Systemeiner hirntoten Person kann
durch intensivmedizinische Maßnahmen für eine
begrenzte Zeit künstlich aufrechterhalten werden.
Auf diese Weise werden Organe weiter durchblutet
und können so für eine Transplantation
entnommen werden.
■ Ist hingegen das Herz
Kreislauf-Systemzusammen gebrochen, werden die
Organe aufgrund der fehlenden Durchblutung und
Sauerstoffversorgung zunehmend geschädigt, sodass
sie nicht mehr übertragen werden können. Sollen
keine Organe gespendet werden, werden nach der
Diagnose Hirntodalle intensivmedizinischen
Maßnahmen zeitnah eingestellt.
■ Wer die eigene Entscheidung in einem
Organspendeausweis festhält, schafftKlarheit und
erspart seinen Angehörigen unter Umständen eine
große Belastung: Denn wurde die Entscheidung für
oder gegen eine Organ- und Gewebespende zu
Lebzeiten nicht getroffen oder nicht dokumentiert,
bleibt sie den Angehörigen überlassen. Kennen
diese den Willen der verstorbenen Person nicht, ist
es schwer, in ihrem Sinne zu entscheiden.
(Quelle: www.organspendeinfo.de)
■ Prof. Dr. Jörg Radermacherwar 15 Jahre lang
Transplantationsbeauftragter am Klinikum Minden.
Anfang dieses Jahres haben Oberärztin Dr. Tina
Meister (Operative Intensivstation) und Oberarzt Dr.
Sebastian Heidemeyer (Kardiologie/Intensiv) diese
Aufgabe übernommen. (rad)
Kommentar
Zumutbare Entscheidung Thema: Organspende
–ja oder nein?
Von Sebastian Radermacher
10.000 Menschen in Deutschland warten auf ein
Spenderorgan –teilweise bis zu acht (!) Jahre. Sie
benötigen Hilfe ihrer Mitmenschen, um überleben zu
können.Sollte also jeder bereit sein, nach dem Tod
seine Organe zur Verfügung zu stellen?Wer sich
diese Zahl vor Augen hält, sollte keine Sekunde
zögern –und ein „Ja“ im Organspendeausweis
ankreuzen.
Keine Frage, es ist ein sensibles Thema. Zum einen
musssich jeder, der sich über Organspenden
Gedanken macht,automatisch auch mit dem eigenen
Tod auseinandersetzen.Zum anderen ist das
Misstrauen immer noch groß,seitdem bekannt
wurde, dass Ärzte mit manipulierten Akten ihre
Patienten auf den Wartelisten nach oben bugsieren
wollten.
Jedem mündigen Bürger ist es aber zuzumuten, sich
zu entscheiden. Und egal, ob er für oder gegen
Organspenden ist: Wichtig ist, dass er sich
überhaupt festlegt. Denn sonst überlässt er dies
allein den Angehörigen –und die haben im Todesfall
andere Gedanken im Kopf, als eine solche
Entscheidung zu treffen. Das ist einer der
Hauptgründe, weshalb die Ablehnungsquote
weiterhin hoch ist.
Die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
angestoßene Widerspruchsregelung wäre ein
gewaltiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht
des Menschen. Jeder wäre nach dem Tod ein
potenzieller Spender, sofern er zuvor nicht explizit
widersprochen hat. Trotzdem ist der Ansatz richtig
und sinnvoll, denn er schließt die Menschen ein, die
Organe spenden würden, dies aber nicht
dokumentiert haben –aus welchen Gründen auch
immer. Und der freie Wille bliebe ja vorhanden: Ein
„Nein“ bliebe ein „Nein“. In den meisten Ländern
Europas hat sich diese Regelung bewährt,
Deutschland hinkt hinterher. Hoffentlich nicht mehr
lange.
Mehr Zeit und Geld für Organspenden
Oft scheitern mögliche Entnahmen an Hindernissen
in den Krankenhäusern –das soll sich bald ändern
Berlin/Minden (dpa/rad) Mehr Zeit,mehr Geld,
mobile Expertenteams für kleine Krankenhäuser: Um
zu mehr lebensrettenden Organspenden in
Deutschland zukommen, sollen in Kliniken bessere
Bedingungen geschaffen werden. Darauf zielt ein
Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU),
das der Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossen
hat und das voraussichtlich im April in Kraft treten
soll. Konkret geht es darum,mehr geeignete
Spenderfinden zu können.„Das gibt den 10.000
Patienten Hoffnung,die auf ein Spenderorgan
warten“, sagte
Spahn. Unabhängig davon läuft im Bundestag eine
Diskussion über neue Regeln,wie sich mehr
Menschen überhaupt über eine Bereitschaft zum
Organspenden klar werden können. Die
Voraussetzungen in den bundesweit rund 1.300
Krankenhäusernf ür Organ-Entnahmen sind aber ein
entscheidender Schlüssel,wie auch Ärzte sagen. Hier
setzt das Gesetz an. Ein Überblick:
Mehr Zeit Seit 2012müssen alle Kliniken
Transplantationsbeauftragte haben, die sich um
Organspenden kümmern–also dass mögliche
Spender identifiziert und gemeldet
werden,Angehörige eine Begleitung bekommen und
auch Ärzte und Pfleger bei dem Thema auf dem
Laufenden bleiben. Künftig sollen die Beauftragten
verbindlich von anderen Aufgaben befreit werden
–durch einheitliche Vorgaben, die sich nach der
Bettenzahl in Intensivstationen richten. In Minden ist
dies bereits der Fall, wie Prof. Dr. Jörg Radermacher
im Kreis-Gesundheitsausschuss berichtete. Die
beiden Transplantationsbeauftragten teilen sich eine
halbe Stelle für diese Aufgaben.
Mehr Geld Kliniken soll der ganze Prozess von
Organspenden besser vergütet werden.Jetzige
Pauschalen seien nicht kostendeckend, und
Engagement führe systematisch zu Verlusten,sagte
SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Das solle sich
ändern,ohne damit Gewinne zu machen. „Wir geben
etwas mehr Geld aus,aber wir sparen
auch“,erläuterte er. So seien Folgekosten
ausbleibender Transplantationen teils höher, etwa bei
dauerhafter Blutreinigung wegen schwerer
Nierenerkrankungen. Laut Entwurf dürften auf die
gesetzlichen Krankenkassen geschätzte Ausgaben
von jährlich mehr als 30Millionen Euro zukommen.
Mobile Expertenteams Geplant ist ein neuer
Bereitschaftsdienst mit mobilen Ärzteteams. Das soll
gewährleisten, dass die medizinischen
Voraussetzungen für Entnahmen überall festgestellt
werden können. Damit will man vermeiden, dass
Spenden in kleinen Kliniken ohne eigene Experten
sonst scheitern. Bis Ende2020sollend ie Akteure des
Gesundheitswesens „eine geeignete Einrichtung“ mit
der Organisation beauftragen.
Weitere Punkte Erleichtert werden soll auch ein
Austausch zwischen Betroffenen –mit Regeln für
anonymisierte Schreiben, mit denen sich
Organempfänger bei den Angehörigen von
Organspendern bedanken können. Kommen soll
auch ein bundesweites Dokumentationssystem der
Kliniken. Erfasst und ausgewertet werden sollen
damit zum Beispiel Gründe, warum ein Ausfall von
Hirnfunktionen nicht festgestellt wurde.

Organspende: Widerspruchslösung in England eingeführt
Mittwoch, 27. Februar 2019
London – Englische Parlamentarier haben laut Medienberichten vom Dienstagabend ein Gesetz zur Neuregelung von Organspenden verabschiedet. Demnach soll künftig von der Zustimmung des möglichen Spenders ausgegangen werden, wenn nicht explizit dessen Widerspruch vorliegt. Bislang gilt in England die Zustimmungsregelung, laut der das explizite Einverständnis des Organspenders nötig ist.
England folgt damit dem Beispiel von Wales, wo die Widerspruchsregelung im Jahr 2015 eingeführt wurde. Seitdem sind dort die Zustimmungsraten für Organspenden auf 75 Prozent gestiegen. Auch das schottische Parlament wird eine Überarbeitung der Regelung in dieser Woche diskutieren.
Regierungsminister argumentieren, dass die Änderung der Gesetzgebung, die mit
Jahresbeginn 2020 in Kraft treten soll, allein in England bis zu 700 Leben pro Jahr retten
könnte. In Großbritannien stehen derzeit rund 6.000 Menschen auf der
Transplantationsliste. Im vergangenen Jahr starben mehr als 400 Patienten, während sie
auf ein geeignetes Organ warteten.
Das Gesetz wird laut Medienberichten als „Max und Keiras Gesetz“ bezeichnet werden –
nach dem Mädchen, dessen transplantiertes Herz den Jungen Max gerettet hat. Die Eltern
beider Kinder und der gerettete Junge hatten sich für eine Änderung der Gesetzgebung
engagiert. © kna/aerzteblatt.de

Ärzteschaft
Pulmologen treten für Widerspruchslösung bei Organspenden ein
Dienstag, 26. Februar 2019
Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat die Pläne der Politik begrüßt, das Transplantationsgesetz zu verändern und damit unter anderem die Transplantationsbeauftragen an deutschen Kliniken zu stärken. „Das neue Transplantationsgesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagte Jürgen Behr, Kongresspräsident des 60. DGP-Kongresses, der Anfang März in Berlin stattfindet. „Ob es ausreicht, um die Versorgung schwerstkranker Lungenpatienten zu verbessern, ist fraglich“, schränkte er jedoch ein.
Jedes Jahr erhalten laut der Fachgesellschaft über 300 Menschen in Deutschland eine oder zwei Spenderlungen. Gleichzeitig würden pro Jahr mehr als 400 Patienten neu für eine Transplantation angemeldet. Für viele Menschen mit Lungenversagen sei diese Transplantation die letzte Hoffnung auf Überleben.
„Die Lungentransplantation ist ein komplexes Therapieverfahren mit erheblichen Risiken, weshalb nur Patienten mit fortgeschrittenen Lungenerkrankungen für diese Behandlung in Betracht kommen, wenn alle anderen Therapieoptionen ausgeschöpft sind“, sagt Behr, der die Medizinische Klinik und Poliklinik V am Klinikum der Universität München und die Asklepios-Lungenfachklinik München-Gauting leitet.
Wartezeit variiert zwischen Tagen und Jahren
Wie lange es dauert, bis einem Patienten eine Spenderlunge angeboten wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Größe und Blutgruppe gehören laut der DGP zu den Basiskriterien. Zusätzlich berechnet der sogenannte Lungen-Allokations-Score, wie dringend jemand eine Transplantation braucht und wie hoch die Erfolgsaussichten sind. Für manche wird nach wenigen Tagen schon ein passender Spender gefunden, andere warten bis zu drei Jahren. „Wenn man bedenkt, dass viele dieser Patienten nicht mehr selbstständig atmen können, sind die Wartezeiten immer noch sehr, sehr lang“, betonte der Kongresspräsident.
Die Fachgesellschaft unterstützt daher die sogenannte Widerspruchslösung bei den Organspenden: „Überall dort, wo Organspende auf der gesetzlichen Grundlage der sogenannten Widerspruchslösung geregelt ist, sind die Organspenderzahlen deutlich höher als in Ländern mit Zustimmungs- oder Entscheidungslösung“, sagte Behr.
Die Zahl der Organspender in Deutschland ist erstmals seit 2010 wieder merklich gestiegen. Bundesweit haben im vergangenen Jahr 955 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe gespendet, teilte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit. Das entspricht 11,5 Spendern pro einer Million Einwohner. Im Vergleich zum Vorjahr (797 Spender) bedeutet das eine Steigerung von knapp 20 Prozent. © hil/aerzteblatt.de
NOZ: Neue Patientenbeauftragte fordert
Widerspruchslösung bei Organspenden
Neue Osnabrücker Zeitung
Dienstag der 19. Februar 2019 - 1:00 Uhr
Osnabrück (ots) - Neue Patientenbeauftragte fordert Widerspruchslösung bei Organspenden
Schmidtke: Klar dafür - Unterstützung für Spahn im Streit über mehr Arzt-Sprechstunden - Ruf nach Ärzte-Bussen auf dem Land
Osnabrück. Zur Überwindung des Organspende-Notstandes fordert die neue Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU), eine Widerspruchslösung, bei der Spender oder deren Angehörige eine Entnahme ablehnen müssen. "Angesichts der vielen tausend Menschen, die in Deutschland verzweifelt auf ein Spenderorgan warten, halte ich diese Pflicht für zumutbar", sagte Schmidtke im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass jeder von uns schon morgen in diese Situation kommen und auf ein Organ angewiesen sein könnte."
Auch bei einer Widerspruchslösung "bleibt die Spende wie bisher freiwillig", betonte die Herzchirurgin und Bundestagsabgeordnete. "Jede Person hat die Möglichkeit, einer Organspende einfach und unbürokratisch zu widersprechen." Auch wenn sie "klar für die Widerspruchsregelung" sei, respektiere sie die Gegenpositionen und hoffe auf eine "Auseinandersetzung mit Fairness" im Bundestag und eine "Grundsatzentscheidung". Schmidtke sagte: "Das sind wir den vielen Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, einfach schuldig."
Im Streit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit der Ärzteschaft über eine Ausweitung der Sprechstunden stellte sich Schmidtke hinter den CDU-Politiker: Lange Wartezeiten auf Facharzttermine seien "ein häufiges Thema" für Patienten, berichtete sie. Eine Umfrage des Krankenkassenverbandes GKV habe gezeigt, dass "ein Teil der Ärzte" weniger als 20 Stunden in der Woche anbiete. "Hier kann die Ausweitung der Sprechstunden einen Beitrag zu einer Verbesserung der Patientenversorgung leisten", sagte Schmidtke der "NOZ". Zugleich verwies sie darauf, dass etwa Hausärzte schon heute mehr als 30 Wochenstunden Sprechzeiten anböten.
Um eine gute Versorgung von Kranken auf dem Lande zu garantieren, forderte die Patientenbeauftragte "eine bessere Verzahnung von ambulanten und stationären Strukturen, aber auch mobile Angebote der Ärzte, wie der Ärztebus". Notwendig sei auch eine Reform des Medizinstudiums. "Es muss das Ziel sein, junge Menschen schon während des Studiums für eine ärztliche Tätigkeit auf dem Land zu begeistern", appellierte die Schleswig-Holsteinerin. Alarmiert zeigte sich Schmidtke über Klagen von Pflegefachkräften, die neuen Personaluntergrenzen würden zum Abbau von Stellen genutzt, wenn Kliniken das gesetzliche Minimum überträfen. "Die Personaluntergrenzen sind keine staatliche Legitimation zum Abbau von Pflegekräften, sondern das Gegenteil", sagte sie. Um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, gelte es auch, "die Entlohnung zu verbessern und die Ausbildung sowie den Beruf insgesamt noch attraktiver zu machen."
Pressekontakt: Neue Osnabrücker Zeitung Redaktion Telefon: +49(0)541/310 207

15. Febraur 2019

Große Wissenslücken beim Thema Organspende
Köln – Rund um das Thema Organspende gibt es nach einer Umfrage große Wissenslücken. Jeder dritte Bundesbürger (32 Prozent) weiß nicht, dass in Deutschland der Hirntod zwingende Voraussetzung für eine Organspende ist, wie aus der heute vom WDR in Köln veröffentlichten Befragung hervorgeht. Sie seien der Ansicht, Organe könnten entnommen werden, wenn das Hirn noch arbeitet, während das Herz stillstehe.
Organspenden finden aber statt, wenn das Hirn irreversibel ausfällt und das Herz noch schlägt. Doch 40 Prozent von gut 1.000 Befragten waren nach den Angaben der Meinung, unter diesen Umständen dürften keine Organe entnommen werden. Selbst Besitzer eines Organspendeausweises wüssten nicht besser Bescheid über das Hirntodkriterium als die Befragten ohne Ausweis. Am Dienstag berichtet die Sendung „Quarks“ im WDR-Fernsehen ab 21.00 Uhr über die von ihr in Auftrag gegebene Befragung von infratest dimap.
„Die Ergebnisse zeigen, dass selbst die Gruppe, die sich mit der Thematik befasst haben sollte, ehe sie den Organspendeausweis ausgefüllt hat, nicht nachhaltig genug aufgeklärt ist“, sagte die Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation, Beatrice Lugger. Fast die Hälfte der Menschen ab 65 Jahren (46 Prozent), die keinen Ausweis haben, begründeten dies nach den Angaben mit ihrem Alter, obwohl es für eine Organspende gar keine Altersgrenze mehr gebe.
21 Prozent der Befragten ohne Ausweis haben sich den Angaben zufolge mit dem Thema Organspende noch nicht beschäftigt. „Angesichts der derzeitig geringen Informiertheit der Bevölkerung“ ist nach Ansicht Luggers die in der Diskussion stehende Widerspruchslösung kritisch zu betrachten. Bislang ist nur Organspender, wer dies ausdrücklich dokumentiert. Eine Widerspruchslösung würde dies umkehren: Bis zum Widerspruch wäre jeder ein potenzieller Spender. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) favorisiert eine solche Regelung.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz wertete die Zahlen als Argument gegen die Widerspruchslösung. Sie setze darauf, dass „der Bürger sich mit der Organspende nicht beschäftigt und schweigt“, sagte Vorstand Eugen Brysch in Dortmund. Die bewusste Entscheidung für die Organspende würde damit faktisch abgeschafft.
Brysch betonte, eine Organspende müsse eine bewusste und freiwillige Entscheidung bleiben. „Es kann sehr persönliche Gründe geben, sich gegen die Organspende zu entscheiden. Diese Menschen dürfen sich für ihre Haltung nicht rechtfertigen müssen.“ Wolle der Staat wirklich etwas für die Schwerstkranken auf der Warteliste tun, müsse er selbst Verantwortung übernehmen. „Deshalb muss der Bundestag sowohl für die Verteilungsgerechtigkeit als auch für die staatliche Organisation und Kontrolle sorgen.“
Gestern hatte der Bundestag Das „Zweite Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO)“ mehrheitlich beschlossen. Mit dem Gesetz sollen zunächst einmal die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen in den Entnahmekrankenhäusern für eine optimale Organspende geschaffen werden. Konkret sollen die Transplantationsbeauftragten mehr Befugnisse erhalten und von ihren sonstigen Aufgaben im Entnahmekrankenhaus freigestellt werden – und zwar anteilig in Abhängigkeit von der Anzahl der in einem Entnahmekrankenhaus vorhandenen Intensivbehandlungsbetten. Diese anteilige Freistellung soll den betroffenen Krankenhäusern künftig vollständig refinanziert werden. © kna/aerzteblatt.de

15.Febraur 2019
Spahn: Die Zahl der Organspenden kann weiter steigen
Zweites Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes - Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende
Krankenhäuser sollen mehr Zeit und Geld für Organtransplantationen bekommen. Das ist Ziel einer Gesetzesänderung, die der Bundestag am 14.02.2019 abschließend beraten hat. Damit soll die Zahl der Organspenden erhöht und so mehr Menschenleben gerettet werden. „Die gestiegenen Organspende-Zahlen sind gut, aber nicht gut genug“, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag.
Alle acht Stunden stirbt ein Mensch auf der Warteliste, weil kein passendes Spender-Organ gefunden wird. Das muss sich ändern! Mit dem "Zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende" sollen künftig mehr Leben durch eine Organspende gerettet werden können. Das nicht zustimmungspflichtige Gesetz kann nach dem zweiten Durchgang im Bundesrat Anfang April 2019 in Kraft treten.
„Gut, dass sich der Deutsche Bundestag so schnell entschieden hat, die Bedingungen für Organspenden zu verbessern. Wir geben den Krankenhäusern mehr Zeit und Geld, geeignete Spender zu finden. Damit kann die Zahl der Organspenden weiter steigen. Das gibt den 10.000 Patienten Hoffnung, die auf ein Spenderorgan warten.“
Eine Schlüsselrolle zur Erhöhung der Organspenden in Deutschland spielen die
Krankenhäuser, in denen Organe entnommen werden. Gut funktionierende Abläufe bei der
Erkennung möglicher Organspender, mehr Zeit und eine gute Finanzierung können dazu
beitragen, mehr Menschenleben zu retten. Hier setzt unser Gesetzentwurf an, den das
Bundeskabinett am 31. Oktober 2018 verabschiedet hat und der am 14. Februar 2019 in
zweiter und dritter Lesung vom Deutschen Bundestag abschließend beraten wurde. Nach
dem zweiten Durchgang im Bundesrat kann das nicht zustimmungspflichtige Gesetz Anfang
April 2019 in Kraft treten.

Die Regelungen des Gesetzes im Einzelnen
Transplantationsbeauftragte (TxB)
Es gibt verbindliche Vorgaben für die Freistellung der Transplantationsbeauftragten.
Die Freistellung erfolgt auf der Grundlage der Anzahl der Intensivbehandlungsbetten in den Entnahmekrankenhäusern für einen Stellenanteil von 0,1 Stellen je 10 Intensivbehandlungsbetten.
Hat ein Entnahmekrankenhaus mehr als eine Intensivstation, ist für jede Station mindestens ein TxB zu bestellen.
Der Aufwand wird vollständig refinanziert. Die Krankenhäuser müssen die Mittelverwendung nachweisen.
TxBs erhalten Zugangsrecht zu den Intensivstationen und sind hinzuzuziehen, wenn Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen.
Ihnen sind alle erforderlichen Informationen zur Auswertung des Spenderpotentials zur Verfügung zu stellen.
TxBs sind für die fachspezifische Fort- und Weiterbildung freizustellen; die Kosten dafür trägt die Klinik.
Entnahmekrankenhäuser
Entnahmekrankenhäuser werden künftig für den gesamten Prozessablauf einer Organspende besser vergütet.
Sie erhalten einen Anspruch auf pauschale Abgeltung für die Leistungen, die sie im Rahmen des Organspendeprozesses erbringen.
Zusätzlich erhalten sie einen Zuschlag dafür, dass ihre Infrastruktur im Rahmen der Organspende in besonderem Maße in Anspruch genommen wird. Der Zuschlag beträgt das Zweifache der berechnungsfähigen Pauschalen.
Rufbereitschaft
Bundesweit bzw. flächendeckend wird ein neurologischer/neurochirurgischer konsiliarärztlicher Rufbereitschaftsdienst eingerichtet.
Dieser soll gewährleisten, dass kleineren Entnahmekrankenhäusern jederzeit qualifizierte Ärzte bei der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zur Verfügung stehen.
Die TPG-Auftraggeber (GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft und Bundesärztekammer) werden verpflichtet, bis Ende 2020 eine geeignete Einrichtung mit der Organisation dieses Bereitschaftsdienstes zu beauftragen.
Dokumentation
Ein neues klinikinternes Qualitätssicherungssystem schafft die Grundlage für ein flächendeckendes Berichtssystem bei der Spendererkennung und Spendermeldung.
Dabei sollen die Gründe für eine nicht erfolgte Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls oder eine nicht erfolgte Meldung an die Koordinierungsstelle (DSO) intern erfasst und bewertet werden.
Die Daten sollen von der Koordinierungsstelle ausgewertet werden. Die Ergebnisse sollen den Entnahmekrankenhäusern und den zuständigen Landesbehörden übermittelt und veröffentlicht werden.
Die Kliniken müssen zukünftig verbindliche Verfahrensanweisungen erarbeiten, mit der die Zuständigkeiten und Handlungsabläufe für den gesamten Prozess einer Organspende festgelegt werden.
Angehörigenbetreuung
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Die Glocke 13.02.2019



14.02.2019
Neues Gesetz zu Organspenden
Mehr Geld eingeplant
Ein neues Gesetz soll die Chancen auf eine Organspende erhöhen. Auch sind höhere Vergütungen für Kliniken geplant, die Transplantationen durchführen.
BERLIN dpa/epd | Krankenhäuser in Deutschland sollen mehr Geld und bessere Bedingungen bekommen, um sich stärker um Organspenden kümmern zu können. Das sieht ein Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, das der Bundestag am Donnerstag beschlossen hat. Dafür stimmten neben der Koalition auch Linke, Grüne und FDP, die AfD votierte dagegen.
Geplant sind höhere Vergütungen für die Kliniken. Transplantationsbeauftragte sollen mehr Kompetenzen und Freiräume bekommen. Mobile Ärzteteams sollen kleineren Einrichtungen ohne eigene Experten helfen, Voraussetzungen für Entnahmen festzustellen.
Spahn sprach von einem großen und wichtigen Schritt. Diejenigen, die sich in den Krankenhäusern um Organspenden kümmerten, sollten nicht bestraft werden. Es gelte, Kliniken fair so zu stellen, dass bei ihnen keine Kosten hängen blieben. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sagte: „Wir wollen, dass dort keine Gewinne gemacht werden, aber wir wollen auch nicht, dass jemand Verluste macht.“ Auch von Rednern der Opposition kam zu den Kernpunkten der Pläne überwiegend Zustimmung.
Das Gesetz soll voraussichtlich Anfang April in Kraft treten. Zustimmungspflichtig im Bundesrat ist es nicht. Unabhängig davon läuft eine Diskussion darüber, ob und wie Entscheidungen der Bürger über Organspenden grundlegend neu geregelt werden sollen. Die Zahl der Organspenden ist nach langem Abwärtstrend 2018 wieder gestiegen.
Eine Studie mit dem Titel „Rückgang der Organspenden in Deutschland – Eine bundesweite Sekundärdatenanalyse aller vollstationären Behandlungsfälle“ zeigt an welchen Stellen es intern im Sependenprozess hackt. Die zehn Forscher kommen zu dem Schluss, dass der zuletzt gestoppte Rückgang der postmortalen Organspenden vor allem mit einem Erkennungs- und Meldedefizit der Entnahmekrankenhäuser zusammenhängt. „Gelingt es, diesen Prozess organisatorisch und politisch zu stärken, könnte die Zahl der gespendeten Organe erheblich gesteigert werden“ – genau das soll das neue Gesetz bewirken.
Westfalen Blatt 15.02.2019
Mehr Zeit und Geld für Organspenden Neues Gesetz
soll bessere Bedingungen in Entnahme-Kliniken
schaffen
Berlin (dpa). Um zu mehr lebensrettenden Organspenden in Deutschland zu
kommen, sollen Kliniken dafür künftig bessere Bedingungen erhalten. Mehr Zeit,
mehr Geld, mobile Expertenteams für kleine Krankenhäuser: Darauf zielt ein
Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das der Bundestag gestern
mit breiter Mehrheit beschlossen hat. Es geht darum, mehr geeignete Spender
finden zu können. Die Voraussetzungen in den bundesweit rund 1300
Krankenhäusern für OrganEntnahmen sind ein entscheidender Schlüssel. Das
Gesetz soll voraussichtlich Anfang April in Kraft treten. Zentrale Punkte sind:
Mehr Zeit: Seit 2012 müssen alle Kliniken Transplantationsbeauftragte haben, die
sich speziell um Organspenden kümmern – also mögliche Spender identifizieren
und melden, Angehörige begleiten sowie Ärzte und Pfleger regelmäßig bei dem
Thema auf dem Laufenden halten. Sie sollen künftig verbindlich von anderen
Aufgaben befreit werden.
Mehr Geld: Kliniken soll der ganze Prozess von Organspenden besser vergütet
werden. Jetzige Pauschalen seien nicht kostendeckend, Engagement führe
systematisch zu Verlusten, sagte SPDFraktionsvize Karl Lauterbach.
Das solle sich ändern, ohne damit Gewinne zu machen. Laut Entwurf dürften auf
die gesetzlichen Krankenkassen geschätzte Ausgaben von mehr als 30 Millionen
Euro im Jahr zukommen.
Mobile Expertenteams: Geplant ist ein neuer Bereitschaftsdienst mit mobilen
Ärzteteams. Das soll gewährleisten, dass die medizinischen Voraussetzungen für
Entnahmen überall festgestellt werden können: der endgültige, nicht behebbare
Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms.
Das soll vermeiden, dass Spenden in kleinen Kliniken ohne eigene Experten sonst
scheitern. Bis Ende 2020 sollen die Akteure des Gesundheitswesens
nun »eine geeignete Einrichtung« mit der Organisation beauftragen.
Weitere Punkte: Erleichtert werden soll auch ein Austausch zwischen Betroffenen
– mit Regeln für anonymisierte Schreiben, mit denen sich Organempfänger bei
den Angehörigen von Spendern bedanken können. Kommen soll auch ein
bundesweites Dokumentationssystem der Kliniken. Erfasst und ausgewertet
werden sollen damit zum Beispiel Gründe, warum ein Ausfall von Hirnfunktionen
nicht festgestellt wurde.

Nierenlebendspende: Geschenk fürs Leben
Die Zahl der Organspenden ist viel zu niedrig, Patienten warten Jahrzehnte auf eine Transplantation - und oft vergebens. Michael W. hatte Glück. Er bekam die Niere seines besten Freundes
von Sonja Gibis, 14.02.2019

Geschafft: Die Operation ist gut verlaufen. Günters Niere hat ihre Arbeit im Körper von Michael (links) aufgenommen
© W&B/Sven Döring
Günter W. (41) hebt sein hellgrünes OP-Hemd und klopft sich auf die Flanke. "Die rechte, die wird’s", sagt er und lacht. In ein paar Stunden werden Ärzte des Uniklinikums Halle eine Niere aus seinem Körper schneiden und in den von Michael W. (36) pflanzen. Geht alles gut, wird sie dort sofort die Aufgaben übernehmen, zu denen dessen Organe nicht mehr fähig sind. Seit sieben Jahren hängt Michael an der Dialyse. "Ohne die Maschine wäre ich nicht mehr", sagt der junge Mann. Bis irgendwann der Anruf kommt, dass eine Spenderniere verfügbar ist, müsste er wohl noch Jahre warten. Wäre da nicht Günter.
Etwa 8000 Menschen in Deutschland warten auf eine neue Niere. 1364 erhielten im vorigen Jahr das Organ eines toten Spenders, 557 das eines lebenden. Als Spender infrage kommen vor allem nahe Angehörige. Doch auch Menschen, die dem Empfänger "in besonderer persönlicher Verbundenheit nahestehen", wie es im Transplantationsgesetz heißt, können spenden.
Ein Kreuz auf jedem Bauch
Während Günter erzählt, betritt ein Arzt den Raum und malt ihm ein Kreuz auf die Seite. Hier wird die Niere rausgeholt. Michael bekommt ein Kreuz auf den Bauch. Dort kommt die Niere rein. "Dann hast du von mir eine Beule am Bauch", scherzt Günter. Lachen, Witze machen, das ist ihre Art, mit schwierigen Dingen klarzukommen.
Gar nicht nach lachen war es Günter allerdings, als er von der Krankheit seines Freundes erfuhr. Als Michael Ende 20 war, stellt ein Arzt zufällig fest, dass die Nieren nur eingeschränkt arbeiten. "Vielleicht durch eine verschleppte Grippe", vermutet er. Der junge, sportliche Mann macht sich erst mal keine Sorgen.
Als erneut die Nierenwerte getestet werden, ist es zu spät. Michael ist auf eine Blutwäsche angewiesen. Dreimal die Woche muss er ins Krankenhaus, für viereinhalb Stunden. "Danach ist man total platt", berichtet er. Nierenversagen, das bedeutet zudem, dauernd Durst zu haben. Einen halben Liter, mehr darf Michael pro Tag nicht trinken. Seine Nieren scheiden keine Flüssigkeit mehr aus. Dazu kommt eine strenge Diät. Zu viel Kalium – und das Herz könnte versagen.
Seine Frau, die er während der Dialysezeit kennenlernte, würde eine Niere spenden. Doch sie hat zwei Kinder. "Der Nierenspezialist sagte gleich, das Risiko ist ihm zu groß", erzählt Michael.
Als Günter erfährt, dass auch er spenden kann, steht für ihn schnell fest: Das mach ich. Michael zweifelt. "Reden kann man viel. Ich habe erst nicht daran geglaubt." Nur langsam wird ihm klar, dass sein Freund ihm wirklich ein neues Leben schenken will.
Lange Liste von Untersuchungen
Zumal der Weg nicht leicht war. Bluttests, Herzecho, Bauch-CT, Nieren-Szintigramm: Günter kann sich an die lange Liste von Untersuchungen kaum erinnern. Schließlich muss sich seine Niere nicht nur für Michael eignen. Es muss auch feststehen, dass sein Körper in der Lage ist, auf das Organ zu verzichten.
Damit ein gesunder Mensch ein Organ spenden kann, muss überdies eine Ethikkommission zustimmen. Sie besteht aus einem Arzt, einem Psychologe, einem Juristen. Alle stellen Fragen: erst Spender und Patient gemeinsam, dann jedem getrennt. Es muss feststehen, dass Günter Entschluss freiwillig ist und er kein Geld dafür bekommt. Außerdem muss klar sein, dass beide das psychisch bewältigen.
Gespräch mit der Kommission
Die Experten wollen wissen, wie lange sie sich schon kennen. Ob sie ernste Gespräche führen über das, was sie vorhaben. Was, wenn die OP kein Erfolg ist? Was, wenn Michael seine Medikamente nicht regelmäßig nimmt und das Organ verliert? "Ich sagte: Das ist dann seine Niere – und seine Verantwortung", so Günter. Doch war es das, was die Fachleute hören wollten?
Als Günter den Raum verlässt, hat er Tränen in den Augen. Auch Michael kommt niedergeschlagen aus der Befragung. "Ich dachte, die sagen Nein." Doch es kommt anders. Die Kommission wünscht den beiden viel Glück. Die Tür zum Krankenzimmer öffnet sich, eine Schwester schiebt eine Maschine herein: ein Dialysegerät. Es könnte die letzte Blutwäsche für Michael sein – für viele Jahre, vielleicht sogar für immer. Ob die beiden aufgeregt sind?
Michael winkt ab. "Die wissen, was sie tun." Nur eins, das wäre hart: "Wenn sie Günter die Niere rausnehmen und mein Körper stößt sie ab." Sein Freund hätte für ihn ein Organ geopfert – vergebens. Besser nicht daran denken.
Am nächsten Tag, kurz vor 9 Uhr. Während im Raum nebenan die Arme des OP-Roboters in Position gebracht werden, präparieren die Chirurgen Günters Niere frei. Sie blicken dabei auf einen Monitor, auf den eine Kamera Bilder aus dem Körperinneren überträgt. Die Eingriffe werden minimal-invasiv durchgeführt. "Darauf sind wir durchaus stolz", sagt Professor Paolo Fornara, Transplantationsexperte und Leiter der Urologischen Klinik des Uniklinikums Halle. Dem Spender bleibt so ein fast 20 Zentimeter langer Schnitt erspart. Beim Empfänger verringert sich das Risiko für Wundinfektionen. Da sein Immunsystem gehemmt wird, ist das besonders wichtig.
Die Niere kommt
Um 10.32 Uhr beginnt die heiße Phase. Die Blutgefäße der Niere werden abgeklemmt. Jetzt muss jeder Griff sitzen. Eine, höchstens eineinhalb Minuten darf es dauern, bis die Ärzte eine kalte Infusion in das Organ geleitet haben, die es konserviert. "Die Niere kommt", ruft Operateur Dr. Nasreldin Mohammed. Durch einen kleinen Schnitt zieht er das Organ behutsam aus dem Körper, hält es in den Händen wie einen verletzten Vogel, der schnell Hilfe braucht. Schon beugt sich das Ärzteteam darüber, spült es, näht es vorsichtig in einen kühlenden Mantel aus einem Bauchtuch und Eis. Wärmen wird es erst wieder das Blut in Michaels Körper.
Bis es so weit ist, vergehen nur wenige Minuten – ein Grund, dass die Erfolgsaussichten einer Lebendspende hervorragend sind. Dennoch ist in den vergangenen Jahren nicht nur die Zahl toter Spender drastisch zurückgegangen. Auch Lebendspenden werden seltener durchgeführt. "Die ganze Transplantationsmedizin steckt in der Krise", beklagt Fornara. Eine Folge: Die Wartezeiten auf ein Organ verlängern sich weiter. "Und das ist nicht wie das Warten auf einen Zug. Es bedeutet Komplikationen, Leid, Sterben."
Die Dialyse ermöglicht zwar das Überleben. Auf lange Sicht aber leidet der Körper. Wenn die Patienten ein Organ erhalten, sind die Schäden oft bereits unumkehrbar.
Hightech-Assistenten im Einsatz
"Das System braucht ein Paket an Korrekturen", fordert Fornara. Der erste große Schritt wäre seiner Ansicht nach die sogenannte Widerspruchslösung: Wer nach seinem Tod keine Organentnahme wünscht, sollte sich klar dagegen aussprechen müssen. Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn jetzt eine Reform angestoßen hat – für Fornara längst überfällig.
Im OP-Saal nebenan ist bereits alles für das Einsetzen des Organs vorbereitet. Operateur Dr. André Schumann sitzt einige Meter von Michael entfernt an einer Konsole. Per Joystick steuert er die OP-Geräte, in denen die Arme des Roboters enden, ohne Zittern und auf Millimeterbruchteile genau. Der Hightech-Assistent macht es möglich, das Organ minimal-invasiv einzusetzen. Nach ersten Studien des Klinikums bringt die neue Methode tatsächlich Vorteile für den Patienten.
Um 12.05 Uhr sind Gefäße und Harnleiter angeschlossen. Die Klemmen werden geöffnet, das Organ füllt sich mit Michaels Blut. Jetzt ist es seine Niere. Im Gang vor dem OP-Saal wischt eine Schwester die Zahl 2050 von einer weißen Tafel und ersetzt sie durch 2151. So viele Nieren sind im Klinikum jetzt verpflanzt worden. "Wir ändern das immer sofort", sagt sie. Wird es vergessen, gilt das unter den Mitarbeitern als schlechtes Omen, gesteht sie lächelnd.
Leben wie vor der Krankheit
Am nächsten Tag ist vor allem Günter geschafft, während sein Freund am liebsten schon aufstehen würde. "Alles gut", versichern beide.
Zwei Monate später sind die Freunde gemeinsam in der Reha, so wie sie sich das vorgestellt haben. Morgens Fitness, dann zum Schwimmen, später ein Spaziergang am See. "Ich wusste gar nicht, dass ich so weit runterkommen kann", sagt Günter. Er hat die Zeit hier genutzt, um mit dem Rauchen aufzuhören. Auf seine verbliebene Niere will er schließlich gut achtgeben. Dass er nur noch eine hat, spürt er nicht. Was allerdings nervt, ist die viele Bürokratie mit den Krankenkassen.
Michael muss seit der Transplantation Medikamente nehmen, die sein Immunsystem hemmen, damit sein Körper das neue Organ nicht abstößt. Ansonsten kann er fast so leben wie vor der Krankheit. Als er aus der Klinik kam, wurde erst mal gefeiert. "Mein Körper hat wieder eine ganz andere Kraft", sagt er. Beruflich will er jetzt neu durchstarten.
Die Freundschaft der beiden jungen Männer hat sich durch die Organspende nicht geändert. "Wir kabbeln uns wie vorher", erzählt Günter lachend. Sie bleiben einfach, was sie waren: ziemlich beste Kumpel.

Wegweisendes Urteil des Bundesgerichtshofs zu Organspenden erwartet
Epoch Times27. Januar 2019 Aktualisiert: 27. Januar 2019 12:07
Das eine Organspende für den Empfänger lebenslange schwere gesundheitliche Folgen hat,
ist bekannt. Das auch Lebendspender vor Organen, wie Nieren oder Teilen der Leber, unter
gesundheitlichen Einschränkungen für den Rest ihres Lebens leiden müssen ist dagegen
weitgehend unbekannt. In Karlsruhe wird verhandelt wie weit die Aufklärungspflichten von
Ärzten dazu gehen und ob sie zu Schmerzensgeldzahlungen, bei unzureichender
Aufklärung, verurteilt werden können.

Der Bundesgerichtshof (BGH) verkündet am Dienstag ein Urteil über die Klagen von zwei
Nierenspendern, die wegen ungenügender Aufklärung durch die Ärzte Schmerzensgeld und
Schadenersatz fordern. Der BGH dürfte ein Grundsatzurteil dazu fällen, unter welchen
Voraussetzungen Ärzte und Kliniken für Folgeschäden bei solchen Lebendorganspenden
haften. Ein Überblick über die rechtlichen Grundlagen für solche Spenden und das
Karlsruher Verfahren:
Worüber wird in Karlsruhe verhandelt?
In einem Fall spendete eine Tochter ihrem Vater eine Niere, in dem anderen geht es um die
Nierenspende eines Manns an seine Ehefrau. Beide beklagen, dass sie seither unter
anderem an chronischer Erschöpfung leiden. Sie werfen den Ärzten vor, sie nicht
ausreichend aufgeklärt zu haben.
Voraussetzungen für Lebendorganspenden
Zu Lebzeiten können eigentlich nur eine Niere oder Teile der Leber gespendet werden. Eine solche Spende ist zudem nur zwischen Menschen möglich, die sich sehr nahestehen. Das können zum Beispiel Eltern, Geschwister oder Ehepartner sein. Das Gesetz schreibt den Ärzten eine Aufklärung über mögliche Folgen vor. Dabei ist unter anderem vorgesehen, dass bei einem Aufklärungsgespräch ein zweiter Arzt anwesend sein muss.
Welche Rechtsfragen sollen geklärt werden?
Die Klagen der beiden Nierenspender blieben in den Vorinstanzen erfolglos. Das Oberlandesgericht Hamm stellte in den Berufungsverfahren zwar Fehler bei der Aufklärung fest. Es nahm aber an, dass die Kläger auch bei korrekter Aufklärung der Organspende zugestimmt hätten.
Der zuständige BGH-Zivilsenat bezweifelte in der mündlichen Verhandlung im November ebenfalls, dass alle Anforderungen an die Aufklärung der Organspender eingehalten wurden. Entscheidend dürfte deshalb die Frage sein, ob eine sogenannte hypothetische Einwilligung angenommen werden kann. Dabei geht ein Gericht davon aus, dass die Spender auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Organspende eingewilligt hätten.
Organentnahmen nach dem Tod
Ein Spenderorgan kann nur entnommen werden, wenn Ärzte den Hirntod eines Menschen feststellen. Voraussetzung ist aber, dass ein Verstorbener einer Organspende zu Lebzeiten etwa durch einen Organspendeausweis zustimmte. Ansonsten werden die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gefragt.
Diskutiert wird derzeit die Einführung einer Widerspruchslösung. Dabei wird eine Zustimmung vorausgesetzt, wenn jemand zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht. Im Gespräch ist auch eine doppelte Widerspruchslösung, bei der die Angehörigen noch nein sagen können.
(afp)
Modifizierte T-Zellen verhindern Abstoßung von Organen nach Transplantation
Wer aufgrund von akutem Organversagen oder durch eine chronische Erkrankung auf eine Organtransplantation angewiesen ist, muss meist ein Leben lang Immunsuppressiva einnehmen, welche das Immunsystem unterdrücken, um ein Abstoßung des transplantierten Organs zu verhindern.
Somit sind Betroffene wesentlich anfälliger für teils lebensbedrohliche Infektionen. Die Wissenschaft sucht bereits seit langer Zeit nach einem Weg, die Abstoßung eines transplantierten Organs zu verhindern, ohne das körpereigene Abwehrsystem wehrlos gegenüber Krankheitserregern zu machen.
Das Team um Jean Pieters von der Universität Basel ist nun eine Entdeckung gelungen, welche genau das nahelegt:
Für eine Studie veränderte das Team transplantierte Mäuse so, dass das Protein Coronin 1, welches eine wichtige Rolle für eine Abstoßungsreaktion spielt, nicht mehr bei den Mäusen produziert wird.
Herausgekommen ist dabei ein erstaunliches Ergebnis. Mitautor Rejesh Jayachandran erklärt: „Wir haben herausgefunden, dass die T-Zellen die Immunreaktion gegenüber dem transplantierten Organ nach Entfernen von Coronin 1 nicht nur massiv unterdrücken, sondern die Abstoßung sogar aktiv verhindern.“
Dennoch bleibt das Immunsystem aktiv. Weitere Experimente offenbarten den Grund hierfür: Coronin 1 greift in den T-Zellen in einen Signalweg ein, der zur Produktion de Botenstoffs cAMP führt.
In Abwesenheit von Coronin 1 steigt die Konzentration des genannten Botenstoffs in den T-Zellen drastisch an, in welcher Folge sich die Zellen so verändern, dass das transplantierte Organ toleriert wird und Viren, Bakterien und Co weiterhin effektiv bekämpft werden.
Diese neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Immunantwort des Körpers auf ein transplantiertes Organ selektiv abschalten lässt.
Weitere Studien werden zeigen, inwiefern dies möglicherweise neue Türen in der Entwicklung euer Therapiemöglichkeiten im Kampf gegen eine Abstoßungsreaktion öffnet.
Quelle: Pflege News 21.01.2019
En: gpass Klinik
Viele Menschen sind zur Organspende bereit, doch trotzdem fehlen Transplantate. Mehr Geld für Krankenhäuser soll das Problem verringern.
Von Tin Fischer
DIE ZEIT Nr. 5/2019, 24. Januar 2019
Es war seit Jahren die erste Pressemitteilung der Deutschen Stiftung
Organtransplantation (DSO), die wieder das Wort "erfreulich" enthielt: Zwanzig
Prozent mehr Organspender gab es 2018. Doch das überraschende Wachstum,
das die DSO am 11.01.verkündete, ist eher ein gestoppter Sinkflug. Nur 955
verstorbenen Spendern wurden im vergangenen Jahr Organe entnommen – bei
mehr als 9000 Patienten, die auf ein Transplantat warten*. Im Musterland
Spanien werden fast fünfmal so viele Organe gespendet.
Vor dem jüngsten Anstieg der Spenderzahl in Deutschland lag ein lang andauernder Rückgang. Doch paradoxerweise nahm in der gleichen Zeit die Verbreitung von Organspendeausweisen zu: Jeder dritte Bundesbürger trägt heute einen bei sich. Und relativ unverändert geben seit zwanzig Jahren in Umfragen drei von vier Personen an, dass sie einer Organspende grundsätzlich zustimmen würden. Bei so viel Spendenbereitschaft verwundert es, dass Deutschland so weit zurückliegt. Experten verorten den Engpass weniger in der Spendenbereitschaft, sondern eher in den unzureichenden Strukturen der Krankenhäuser. Viele mögliche Spenden würden dort nicht realisiert – vor allem, weil längst nicht all die Organe entnommen werden, die entnommen werden könnten. Es scheint, als hätten viele Krankenhäuser kein großes Interesse an diesem Zweig der Medizin.
Nun diskutierte am vergangenen Donnerstag der Bundestag in erster Lesung Gesetzesänderungen, die den Krankenhäusern die Arbeit erleichtern sollen. Vor allem mit mehr Geld will man es richten. Die 1246 Kliniken in Deutschland, die Organentnahmen durchführen können, sollen etwa mehr Mittel für Transplantationsbeauftragte erhalten. Das sind Mediziner, die auf den Intensivstationen potenzielle Spender identifizieren, Gespräche mit Angehörigen führen und eine Organspende organisieren. Das ist zeitaufwendig und auch teuer. Zudem sollen an mehreren Standorten in ganz Deutschland Bereitschaftsdienste geschaffen werden, die jederzeit in Kliniken den irreversiblen Hirntod feststellen können – eine schwierige Aufgabe, die großer Erfahrung bedarf und Voraussetzung für die Entnahme von Organen ist.

Die gesamte Vergütung für eine Organentnahme könnte verdreifacht werden.
Die Häuser sollen zwar an dieser Arbeit weiterhin nichts verdienen, aber
zumindest nichts mehr drauflegen – bislang waren Organentnahmen für die
Kliniken nämlich ein Minusgeschäft. 34 Millionen Euro jährlich dürften die
Maßnahmen die Krankenkassen zusätzlich kosten, so die Schätzung der Politik.
Aber wird dieser Geldsegen auch die Einstellung in den Krankenhäusern zur
Organentnahme maßgeblich ändern?
Gerade kleine Kliniken könnten mehr Spenderorgane bereitstellen
Das neue Gesetz gehe durchaus in die richtige Richtung, meint Kevin Schulte vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, Co-Autor der jüngsten Studie zum Thema, die im Juli vergangenen Jahres im Deutschen Ärzteblatt erschien. Die zusätzlich bezahlten Bereitschaftsdienste seien vor allem für kleine Kliniken wichtig, die oft nicht einmal einen einzigen potenziellen Spender pro Jahr hätten und denen deshalb die Routine fehle. Auch die Stärkung der Transplantationsbeauftragten hält er für sinnvoll. "Ungefähr ein Viertel der Organspenden kommt aus den kleinen Kliniken", sagt Schulte, "da liegt wahrscheinlich noch ein großes verstecktes Potenzial." Was ihn stört: Das Gesetz definiert nicht, welche Konsequenzen es hat, wenn Kliniken zu wenige mögliche Spender melden.
Viele Kliniken könnten da künftig in Erklärungsnot geraten. Kevin Schulte fand heraus, dass die Anzahl möglicher Spender in deutschen Krankenhäusern zwischen 2010 und 2015 um etwa 14 Prozent zugenommen hat. Trotzdem wurden in diesem Zeitraum weniger potenzielle Spender bei der koordinierenden DSO gemeldet – und weniger Organe entnommen. Das Fazit der Kieler Forscher: "Der Rückgang der postmortalen Organspenden ist mit einem Erkennungs- und Meldedefizit der Entnahmekrankenhäuser assoziiert." Auf Deutsch: Die Kliniken erkennen potenzielle Spender längst nicht immer oder melden sie nicht. Was Schulte dabei ärgert: "Die Jahresberichte der DSO haben seit Jahren große Unterschiede zwischen verschiedenen Kliniken nahegelegt. Da wundert es schon, dass die Behörden nicht früher tätig geworden sind und auf die Einhaltung des Transplantationsgesetzes gedrängt haben."
Dass den Kliniken viele Spender entgehen, stellte eine detaillierte Untersuchung des Universitätsklinikums Jena fest. Der Anästhesist Martin Brauer ging in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen jedem Todesfall nach, der für eine Spende hätte infrage kommen können. Für solche Analysen haben sich Kliniken früher nicht in die Karten gucken lassen. "Es hat Jahre gedauert, bis das möglich war", sagt Brauer.

Ärzte Zeitung online, 17.01.2019
Stärkung der Organspende – Sogar Grüne loben den Minister
Klare Verantwortlichkeiten, bessere Refinanzierung: Der Bundestag bewertet ein eher technisches Gesetz, das die Voraussetzungen der Organspende verbessern soll, positiv. Doch die Grundsatzdebatte kommt erst noch.
Von Florian Staeck
BERLIN. Bessere Kooperation und bessere Strukturen bei der Organspende – dieses Vorhaben trifft im Bundestag auf breite Zustimmung. Das wurde am Donnerstag bei der ersten Beratung des Gesetzes für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende (GZSO) deutlich.
Die Ärztin und grüne Gesundheitspolitikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther schritt bei der Debatte „zum Äußersten“ und lobte: „Das ist ein gutes Gesetz“. Freilich fordert ihre Fraktion dennoch, den Entwurf an mehreren Punkten nachzujustieren.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bezeichnete die erstmals wieder gestiegenen Organspendezahlen als „gut, aber nicht gut genug“. Demnach wurden im Vorjahr 955 Spender registriert, 2017 waren es 797 gewesen.
Die Koalition will vor allem an vier Punkten ansetzen
Transplantationsbeauftragte: Sie hätten es bisher „schwer, in Krankenhäusern die nötige Aufmerksamkeit zu finden“, so Spahn. Künftig soll es eine bundeseinheitliche Regelung zur Freistellung der Beauftragten von ihren sonstigen Aufgaben geben. Maßstab ist dabei die Zahl der Intensiv- oder Beatmungsbetten in der Klinik. Je zehn Betten sind 0,1 Stellen für den Beauftragten vorgesehen. Klargestellt werden auch ihre Rechte und Pflichten, sagte der CDU-Abgeordnete Lothar Riebsamen. So sollen die Beauftragten per Gesetz ein Zugangsrecht zu Intensivstationen bekommen.
Refinanzierung der Mehrkosten: Das Gesetz soll den Missstand abstellen, dass Krankenhäuser, die einem Patienten Organe entnehmen, finanziell bislang schlechter wegkamen als solche Häuser, die potenzielle Spender erst gar nicht melden. Die Pauschalen, die Kliniken für die Vorbereitung einer Organentnahme bekämen, seien zu undifferenziert, sagte SPD-Fraktionsvize Professor Karl Lauterbach. Das werde das Gesetz ändern.
Konsiliarärztlicher Rufbereitschaftsdienst: Er soll auch für kleine Kliniken sicherstellen, dass ein Neurologe zeitnah zur Verfügung steht. Der Linken-Abgeordnete Harald Weinberg verwies darauf, dass von 1300 Entnahmekrankenhäusern mehr als 1000 nicht über eine Neurochirurgie verfügen. Der Neurologe soll Kollegen bei der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zur Seite stehen. Die Grünen-Politikerin Kappert-Gonther forderte, dass auch die PKV anders als bisher vorgesehen für die Finanzierung dieses Dienstes herangezogen wird.
Betreuung von Angehörigen: Organempfänger sollen die Möglichkeit erhalten, sich in Form anonymisierter Schreiben bei den Angehörigen des Spenders zu bedanken.
Nur wenige Abgeordnete verknüpften die Debatte mit der Kontroverse um eine Widerspruchslösung. Spahn und Lauterbach gehören zu den Befürwortern einer entsprechenden interfraktionellen Initiative.Dagegen hat sich eine Abgeordnetengruppe formiert, die an der erweiterten Zustimmungslösung festhalten will.
Nach einer sogenannten Orientierungsdebatte im vergangenen November werben beide Gruppen im Parlament um Unterstützer für ihre Position.
Die Linken-Politikerin Kathrin Vogler zeigte sich überzeugt, nach der Verbesserung der Prozesse in den Entnahmekliniken und einer besseren Finanzierung der Organspende müsse die „ethisch sensible und moralisch heikle Frage der Widerspruchslösung nicht weiter verfolgt werden“. Spahn solle den Gesetzgebungsprozess nicht mit dieser Streitfrage belasten, forderte sie.
Organspendegesetz
» Das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO) soll Mitte März im Bundestag abschließend beraten und verabschiedet werden.
» Der Bundesrat hat im Dezember keine Einwände gegen die Vorlage erhoben. Das Inkrafttreten ist schon für den 1. April geplant.
Westfalen Blatt 16.01.2019
Hemmnisse bei der Organspende
Fehlen einer Hirntod-Diagnose verhindert Entnahme – Kliniken sollen Problem
lösen
Düsseldorf (WB/hir). Warum werden in NRW so wenige Organe gespendet? Oftmals ist
eine fehlende Hirntod-Diagnose der Grund, wie ein Bericht von NRW
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) aufzeigt. Meist wurde bislang eine
fehlende persönliche Erklärung als Grund dafür genannt, dass die Organspenden im
NRW von 2009 bis 2017 um 43 Prozent von 259 auf 146 Spender gesunken sind. Doch
tatsächlich gibt es weitere Hemmnisse. So erklären Patienten in ihrer Verfügung oder
später oft auch die Angehörigen, dass sie im Falle einer Krankheit mit absehbarer
Todesfolge keine lebensverlängernde Behandlung wünschen. Als Konsequenz werden
Geräte zum Erhalt der Herz-Kreislauffunktion früher abgeschaltet, die aber für die
Diagnose des Hirntods als Voraussetzung für eine Organentnahme notwendig wären.
Laumann hatte als Reaktion auf die sinkenden Zahlen 18 Kliniken mit einer
neurochirurgischen oder neurologischen Station besucht, da dort häufiger als anderswo
Patienten auch infolge eines Hirntods sterben können. Die Gespräche führte er unter
anderem im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld und dem Johannes-Wesling-Klinikum
in Minden. Dabei erfuhr er, dass die rechtzeitige Feststellung des Hirntods bei einem
Patienten auch daran scheitert, dass ein vom Gesetz als Bestätigung geforderter zweiter
Spezialist nicht verfügbar ist. Ohnehin fehle in Kliniken Personal für Hirntod-Diagnose
und Organspende. Deshalb lehnen Kliniken mit neurologischen Abteilungen die
Aufnahme eines Patienten nur zur Organentnahme ab. »Wir brauchen eine frühzeitige
Identifizierung potenzieller Organspenden in den Kliniken: Da ist sicherlich noch Luft
nach oben«, sagte Laumann dieser Zeitung. Zugleich erkannte er an, dass die
Gespräche Wirkung zeigen: »Die Krankenhäuser bemühen sich nun wie
der aktiv um Lösungen.« Das zeige sich in den 2018 auf 163 gestiegenen
Spenderzahlen. Zu den Lösungsvorschlägen der Kliniken zählt ein einheitliches Muster
der Patientenverfügung mit einem Passus zur Organspende. Intern wollen Kliniken die
Aufgaben der Transplantationsbeauftragten auf Teams übertragen und so die
Sensibilität für Organspende auf den Stationen erhöhen. Wenn Angehörige eine
Therapiebegrenzung wünschen, solle künftig die Organspende angesprochen werden.
Kliniken ohne Neurologie will die Deutsche Stiftung Organtransplantation Ärzte zur
Hirntod-Diagnose vermitteln.
Westfalen Blatt 14.01.2019
Arzt fordert bessere Reha
Chirurg: Transplantierte sollten in spezialisierte Kliniken
Versmold (WB/ca). Das Schicksal des Versmolders, der nach einer
Nierentransplantation in einer Rehaklinik nicht richtig betreut worden war, ist nach
Ansicht eines Experten kein Einzelfall. Prof. Richard Viebahn ist Direktor der
Chirurgie an der Uniklinik Bochum. Mit jährlich 60 Nierentransplantationen und bis
zu 30 kombinierten Nieren-Bauchspeicheldrüsen-Transplantationen ist sie
europaweit führend. Viebahn: »Ich versuche seit Jahren, bei Krankenkassen und
Rentenversicherungen zu erreichen, dass unsere Transplantierten in bestimmte
Kliniken kommen.« Eine Rehaklinik in Mecklenburg-Vorpommern und eine in
Bayern seien spezialisiert, Nierentransplantierte auf ihr Leben mit dem neuen
Organ einzustellen. »Man muss sensibel werden für Signale seines Körpers und
sie bewerten können.« Sein Vorstoß bei den Kassen sei aber bisher ins Leere
gelaufen, sagt der Chirurg. Der Versmolder, der in Bochum transplantiert worden
war, hatte bei der Rentenversicherung beantragt, in eine der beiden Kliniken zu
kommen. »Stattdessen haben sie mich nach Bad Salzuflen geschickt«, sagt der
57-Jährige. Wie berichtet, war nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm in der
Rehaklinik der Medikamentenspiegel des Patienten nicht richtig kontrolliert
worden. Der Körper stieß die Bauchspeicheldrüse ab, die neue Niere wurde
schwer geschädigt. Jetzt muss der Frührentner wieder zur Dialyse. Prof. Viebahn:
»Eigentlich müsste eine optimale Reha im Interesse der Kassen sein, damit es
möglichst nicht zu solchen Folgen kommt.« Eine Sprecherin des NRW-Herzund
Diabeteszentrum sagte, Herztransplantierten werde die Gollwitzer-Meier-Klinik in
Bad Oeynhausen zur Reha empfohlen. »Dann ist im Ernstfall der Weg zu uns auch
nicht so weit.«